Die 1,7 Millionen Elsässer sind mit großer Mehrheit für Deutsch als erste Fremdsprache in der Schule. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage hervor, die das Meinungsforschungsinstitut ISERCO im Auftrag der Tageszeitung Dernières Nouvelles d'Alsace durchgeführt hat. Rund 70 Prozent der 600 Befragten befürworten, dass die Schüler als erste Fremdsprache Deutsch und dann erst Englisch lernen.
Das Ergebnis steht in augenfälligem Kontrast zur Situation auf der anderen Rheinseite. Dort wehren sich deutsche Eltern mit Bürgerinitiativen vehement gegen die vom Kultusministerium des Landes Baden-Württemberg beschlossene Einführung von Frühfranzösisch in den badischen Grundschulen. Die Eltern möchten, dass ihre Sprösslinge ebenso wie im Landesteil Württemberg in der Grundschule Englisch lernen. (Ganz anders die Situation im Saarland: Dort wird Französisch an den weiterführenden Schulen zur Zufriedenheit aller als erste Fremdsprache gelehrt.)
Die deutsche Sprache in Frankreich
Deutsch ist als Fremdsprache im Elsass weit verbreitet. Laut Straßburger Schulamt lernen 90 Prozent der Kinder im Kindergarten oder in der Grundschule Deutsch. In der Sekundarstufe sind es 47 Prozent der Schüler.
Im restlichen Frankreich ist Deutsch als Fremdsprache weit abgeschlagen. Landesweit wählen in den weiterführenden Schulen nur rund 8 Prozent Deutsch als erste und 13 Prozent als zweite Fremdsprache.
Französische Sprachpolitik im Elsass
Nach dem Ersten Weltkrieg betrieb Frankreich eine sprachliche und kulturelle Assimilationspolitik ohne jede Rücksicht auf elsässische Eigenheiten. Französisch wurde als offizielle und einzig erlaubte Sprache einer zu 90 Prozent deutschsprachigen Bevölkerung aufgezwungen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Deutsch als „Sprache des Erbfeindes“ vollständig von den Schulen verbannt. Erst 1972 wurde Deutsch als „Fremdsprache“ wieder an den Schulen eingeführt.
Gleichzeitig wurde der Bevölkerung eingeredet, dass es „chic“ ist, Französisch zu sprechen. Elsässisch wurde als bäuerlicher Dialekt ohne Zukunft hingestellt.
Renaissance der deutschen Sprache im Elsass
Erst in den 1970er Jahren wurde den Elsässern bewusst, dass sie mit der eigenen Sprache auch ihre kulturelle und regionale Identität verlieren würden. Es bildeten sich die ersten Vereinigungen zur Pflege des Elsässischen. Viele Künstler begannen, auf Elsässisch zu schreiben und zu singen.
Die sich seitdem langsam entwickelnde Renaissance des Deutschen im Elsass darf freilich nicht überbewertet werden. Es ist zwar erfreulich, dass Frankreich die Wiederbelebung des alemannischen Dialekts in den östlichen Departements als kulturellen Gewinn und nicht mehr als Gefahr für die Einheit der Republik erkennt. Andererseits darf man nicht vergessen, dass sich diese Toleranz erst eingestellt hat, nachdem über Generationen hinweg das Deutsche rigoros bekämpft wurde, so dass die frühere Landes- und Mehrheitssprache heute die Sprache einer kulturbewussten Minderheit ist. (Dieses Schicksal teilt das Elsässische mit anderen Regionalsprachen Frankreichs. Nicht umsonst heißt es in der französischen Verfassung „La langue de la République est le Français“. Da bleibt kein Platz für Konkurrenzsprachen.)
Elsässisch vom Aussterben bedroht
Dass alle Bemühungen zur Wiederbelebung des Elsässischen wohl letztendlich vergebens bleiben werden, zeigt eine Studie, bei der vor zehn Jahren 2.216 Schüler im Elsass befragt wurden.
Die Forscher Marie-Noële Denis und Calvin Veltman beschrieben die Lage folgendermaßen: 63 % der Eltern der Schüler beherrschen das Elsässische aktiv, aber nur 34,4 % der befragten Schüler. 52,8 % der Schüler beherrschen den Dialekt immerhin passiv. Diejenigen, die den Dialekt noch aktiv beherrschen, sprechen mit ihren Eltern, Großeltern und ihren Angehörigen Elsässisch. Weniger als 10 % bedienen sich des Dialekts unter Freunden.
Nur ein Drittel der Generation, der die befragten Schüler angehören, ist also in der Lage, das Elsässische weiterzugeben.
Mit dem Aussterben des alemannischen Dialekts verlöre das Elsass seine Sonderstellung. Die Region ist der einzige Ort, an dem sich die deutsche und die französische Kultur vermischen und bereichern.