Die Geschichte der Moderne lässt sich als der Kampf dreier geistiger Hauptströmungen verstehen, wobei dieser Kampf alles andere als abstrakt ist, sondern das reale Geschehen bestimmte oder zumindest widerspiegelte. Da sind
Rechts und Konservative
Steht für Tradition, Pessimismus (der Mensch ist schlecht, Geschichte ist kein Fortschritt). Eher gegen als für Veränderungen oder Veränderungen nur, um das Alte besser erhalten zu können. "Die Dinge müssen sich wandeln um die gleichen zu bleiben", sagt der italienische Fürst im Film "Der Leopard" angesichts der Einigung Italiens im 19. Jahrhundert.
Ferner haben wir da Autoritarismus, Ungleichheit der Menschen, die Ableitung von Werten aus dem Überkommenen. Werte und Normen werden stark aus der Tradition abgeleitet, positive und lebbare Gesellschaften sieht man in mit der Zeit "gewachsenen" Gemeinwesen. "Heimat" zählt, "Familie" und "Volk", "Utopie" nicht.
Mitte und Liberale
Steht für den Prozess als solchen, was sich dann in Sichtweisen wie Luhmanns Systemtheorie niederschlägt. "Panta rei" - alles fließt und es fließt um des Fließens willen. Da ist in der Geschichte weder der stille See der Konservativen noch das utopische Meer der Linken, da ist nur der Fluss. Außer dem, was er zu seiner eigenen Erhaltung braucht, hat der Liberalismus eigentlich keine Werte. Das Sollen wird konsequent aus dem Sein abgeleitet. So gibt es nur deswegen keinen liberalen "Führer" oder "Generalsekretär", weil so eine hypertrophe Machtballung das "freie Spiel der Kräfte" zum Erliegen bringen würde. In diesem freien Spiel mag so viel Ungleichheit generiert werden wie es will - damit hat der Liberalismus kein Problem. Aber anstatt "Stand" als eine Spielart konservativer Ungleichheit gibt es nur Individuen und Einzelkämpfer, welche die Plätze in den Hierarchien immer neu auskämpfen. Auch der Liberale mag Familie, Heimat und Volk haben, aber die sind den Individuen keinesfalls übergeordnet. Oft sogar nachrangig. Der Liberale sieht Geschichte als Fortschritt, da in ihr die erstarrten Strukturen vormoderner Gesellschaften aufgebrochen wurden. Aber dieser Fortschritt hat kein Ziel, er ist ein immer gleiches "Fort-Schreiten".
Linke, Sozialisten, Utopisten
Zumindest Linke in Reinform gelten als die großen Optimisten unter den drei Ideologien. Schließlich ist die Geschichte nicht nur Fortschritt, sondern sie führt auch an ein Ziel. Der Überwindung von Entfremdung als Teil einer gnadenlosen Natur und von Entfremdung als Opfer selbstreferenzieller sozialer Prozesse. Alle Menschen sind gleich und alle Menschen werden Brüder und Schwestern. Werte und Normen der Linken werden sehr stark aus dem Sollen abgeleitet. Die Tradition wird oft als unmenschlich und repressiv verworfen und der soziale Prozess als solcher generiert keine Normen, sondern Normen müssen ihm entgegen gesetzt werden, damit er nicht zum Schaden aller Menschen außer Kontrolle gerät. Linke Gesellschaftsentwürfe - als "Utopien" gibt es sie seit der frühen Neuzeit - werden nicht aus der Tradition oder dem freien Spiel der Kräfte abgeleitet, sondern quasi am Reißbrett gezeichnet.
Alle drei Ideologien, die sich die vergangenen 250 Jahre ausgetobt haben, wo die eine als Gegenreaktion auf die andere entstanden ist und die einen "Sieg" nur zu oft dazu benutzten, um das von ihnen beherrschte Gemeinwesen krachend gegen die Wand zu fahren, lassen allerdings Fragen offen.
1. Entsprechen sie noch den historischen Erfahrungen des Jahres 2008? Oder sind sie alle drei Altlasten des 20. Jahrhunderts, an die etwas Neues treten muss.
2. Kann man sich guten Gewissens NUR zu EINER Ideologie bekennen oder muss selbst und gerade bei aller Verbundenheit zu einer Ideologie zugeben, dass man ohne geistige Anleihen bei den Rivalen nicht weiter kommt, sogar Unheil anrichtet?