Die drei in der Moderne die Politik prägenden Strömungen Rechte, Mitte, Linke scheinen an einem Tiefpunkt angekommen zu sein. Wer hinter die Kulissen aus Ideologie, Propaganda und Aktivismus schaut, wird bei allen drei ziemlich schnell auf ziemlich viel Leere stoßen.
"Bei der Medizin wird die Diagnostik immer besser, nur die Behandlung bleibt schlecht", schimpfte letztens ein Freund von mir. Ebenso ist es in der Politik: die Vordenker von Rechten, der Mitte und der Linken werfen mit Analysen nur so um sich und manchmal haben sogar ideologische Gegner die gleichen Erklärungen. Doch was als "Medizin" verordnet wird, dürfte in den meisten Fällen schlimmer als die vorgebliche Krankheit sein. Egal ob es die Rezepte der Neoliberalen zur "Reform" von Arbeitsmarkt und Sozialstaat sind oder die Ideen der Rechten zur Überwindung gesellschaftlicher Desintegration oder manche Ideen zur Integration von Migranten aus linksliberalen Kreisen - das liest sich so gruselig, dass man lieber mit den alten Zuständen weiter wursteln möchte als eine sich einer Verschlimmbesserung auszusetzen. "Hättest du nur geschwiegen!", möchte man Peter Hartz und Christian Ströbele gleichermaßen zurufen und der NPD vorsorglich einen Maulkorb überreichen.
Positive, mitreißende Visionen haben weder Rechte, Mitte noch Linke anzubieten.
Die Rechten predigen einen Patriotismus, der aus der Gesellschaft einen Kasernenhof mit mehr oder weniger großem Knast und Friedhog für alle "un-"Elemten macht. Sie setzt Patriotismus als für die Angehörigen eines Volkes selbstverständlich voraus, was er aber nicht ist. Wieso soll man sich z. B. mehr mit seiner Nation als mit seiner Klasse oder Weltanschauung identifizieren?
Die bürgerliche Mitte fühlt sich nach dem Zusammenbruch der faschistischen und stalinistischen Totalitarismen als Sieger der Geschichte. Doch ihren Sieg hat so schon lenkst verschenkt, da sie sich auf kleinliche Bewahrung der eigenen Besitzstände beschränkt und viele, die 1989 noch mit ihr das Ende stalinistischer Diktatur gefeiert haben, systematisch ausgrenzt und so vor den Kopf stößt. Wer den immer ausgerasteteren, beschwerlicheren, langweiligen und lustlosen status quo mit feingeistig-zynischen Diskursen nur noch schön redet, gibt damit zuerst den Anspruch auf eine Verbesserung der Welt und danach sich selbst auf.
Das Liebäugeln politischer Kräfte der Mitte mit immer mehr Obrigkeitstaat zeigt, dass die Selbstaufgabe nicht mehr fern ist.
Die Linke ist seit hundert Jahren damit beschäftigt, immer neue Ausreden zu ersinnen, um die Verwirklichung des von ihr als gut und richtig Erkannten nicht in Angriff zu nehmen. Natürlich ist es gut, die verrotteten Herrschaftsverhältnisse im zaristischen Rußland oder dem alten China mit einem Handstreich zu beseitigen. Doch anstatt die Menschen einfach machen zu lassen, bedürfen sie natürlich der Führung einer Partei und vor dem Absterben muss der Staat qua "Diktatur des Proletariats" erst einmal richtig stark werden - mit bekanntem Ausgang.
"Der Marsch durch die Institutionen" der westlichen Linken hat zwar nicht so viele Todesopfer gefordert wie es bei Maos "Langem Marsch" gewesen sein soll. Doch der Rote Kaiser kam immerhin an seinem Ziel an, die westliche Linke ist auf ihrem Marsch spurlos verschwunden. Die Mitterrands, Benneters, Schröders, Fischers die wieder zum Vorschein gekommen sind, kann man kaum noch als links bezeichnen.
So verkommt Politik dazu, den Menschen angebliche oder tatsächliche Gefahren vorzugaukeln und von ihnen Opfer, Verzicht und Unterwerfung zur Abwendung dieser Gefahren zu verlangen. Die Logik des Nullsummenspiels triumphiert: was der eine hat, wird dem anderen genommen. Die Moslems sollen einen Feiertag bekommen - so muss den Christen einer genommen werden. Deutschland soll wieder deutscher werden - also müssen erst einmal zwei Millionen Ausländer deportiert werden. Man bekämpft nicht die Arbeitslosigkeit sondern die Arbeitslosen. Junge und Alte zanken sich um ihren Anteil am Wohlstand, obwohl für alle genug da ist.
Die verwendeten Kategorien "Wirtschaft", "Nation", "Gerechtigkeit" verkommen zur rhetorischen Peitsche, die von den einschlägigen Ideologen geschwungen werden, um die Menschen zur Unterwerfung unter etwas zu zwingen, dem sie sich mit klarem Kopf verweigern würden, weil es ihnen nicht dient.
Ich denke, da sind wieder Visionen fällig. Nicht eine einzige holistische und menschheitsbeglückende Vision die am St. Nimmerleinstag nach der leiblichen Wiederkehr Jesu Christi oder der Weltrevolution verwirklicht wurden. Das hatten wir schon zu oft und die Vertreter solcher Visionen zankten sich dann wie die Kesselflicker um die Macht im Staate, den sie selbstverständlich als Werkzeug zur Durchsetzung ihrer "Vision" ansahen.
Ich denke eher an Visionen im Plural, Visionen die je nach Interesse Bezug auf alle Menschen haben oder solche, die nur für eine bestimmte Menschengruppe gemacht sind. Doch taugliche Visionen müssen folgende Kriterien erfüllen:
1. Sie dürfen nicht auf Zwang als Grundlage beruhen, Teilhabe an dem Projekt sollte freiwillig sein und Zwang allenfalls zur Selbstverteidigung erlaubt sein
2. Sie dürfen nicht auf Nullsummenspielen beruhen und es nicht erforderlich machen, zu ihrer Verwirklichung jemand anderes etwas wegzunehmen
3. Sie dürfen nicht als Abwehr einer Gefahr daherkommen und die Menschen nicht mit Angst vor Feinden, Katastrophen, dem Zorn Gottes oder dem Fall der Profitrate gewinnen. Positive Visionen müssen die Menschen gewinnen, weil sie ihnen ermöglichen länger, lustvoller, spannender - kurz SINNVOLLER - zu leben
Wer so eine Vision hat, unbedingt posten.
Ich fange mal mit den Feiertagen an und schlage vor, zusätzlich zu den christlichen auch noch die islamischen und jüdischen reinzunehmen. Wintersonnenwende und Sommersonnenwende werden als alte germanische Bräuche selbstverständlich ebenfalls Feiertage. Der 17. Juni kommt wieder rein und ebenso Buß- und Bettag.
Arbeitgeber, die ihre Betriebe auch an den zahlreichen Feiertagen laufen lassen wollen, müssen dazu Arbeitslose zu den Tariflöhnen einstellen. So profitieren Christen, Juden, Moslems, Heiden und Arbeitslose.