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Thema: Hermann Hesse - Unterm Rad

  1. #1
    GESPERRT
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    Standard Hermann Hesse - Unterm Rad

    Ist die Kritik des Ich-Erzählers an Schule, Lehrern, Eltern, Pfarrer und anderen berechtigt?
    So lautet die Frage meines Lehrers.

    Also ich will jetzt nicht, dass ihr mir meine Hausaufgabe schreibt, aber ich will diskutieren, da mir diese Möglichkeit im Unterricht nicht so gegeben wird.

    Vorher sollte ich vielleicht nur sagen, bitte nur User, die das Buch gelesen haben, bzw. die Inhaltsangabe kennen!

    >>> Ich denke, nein! Hesse schildert die ganze Situation zu extrem. Trotz seiner vermeindlichen Gabe, Schulstoff zu lernen und anzuwenden, ist Hans ein psychischer Schwächling, der keine richtige Intelligenz besitzt, um mit seinem Leben zurecht zu kommen. Alle seine ehemaligen Mitschüler sind intelligenter als er, auch wenn sie es in der Schule nicht so weit bringen, besitzen sie genug Verstand ihr Leben zu leben, ihren Weg zu gehen oder auch Gefühle zu zeigen bzw. zu entwickeln, in dieser Hinsicht hat Hans ja sowieso auf ganzer Linie versagt. Zur Schule, die tut niemanden etwas! Maulbronn ist eben Elite, die Schule soll die besten der besten aus dem ganzen Land unterrichten und fördern, damit sie später dem Staat etwas zurückgeben können. Hans jedoch, ist keine Elite, ja, wie bereits gesagt, er kann den Schulstoff verarbeiten, anwenden und lernen, jedoch besitzt er in keiner Weise DIE INTELLIGENZ, die nötig wäre, damit er sein erlerntes Wissen anwenden könnte und einen Weg macht. Die Schule soll also die Spreu vom Weizen trennen, etwas anderes tut sie ja auch nicht. Der Staat braucht keine Träumer, wie Heilner, er braucht Männer, die arbeiten, das System unterstützen und eben das Wohlhaben des Staates und ihr eigenes fördern. Hans besitzt die Fähigkeiten dazu nicht. Also er versagt, denn er ist schwach, läßt sich von Heilner anstiften die Schule schleifen zu lassen. Er besitzt nicht die Intelligenz, die er bräuchte um zu erkennen, dass er die Schule schaffen muss und, dass das Einschnitte für ihn bedeutet und er stucken muss. Hesse gibt jetzt also den Lehrern die Schuld, und dies ist nicht berechtigt, alle Menschen haben alles richtig gemacht und ihre Aufgaben erfüllt. Der einzige, der vielleicht ein bisschen Schuld am Absturz von Hans hat, ist sein Vater, der eben Hans nicht zu einem Menschen werden lassen hat. Aber Hesses mit anarchistischen Tendenzen gespickte Hetze gegen alle Autoritäten und die Tatsache, dass er diesen die Schuld an der ganzen Misere gibt, ist nun wirklich fehl am Platz.


    >>Nun zu euch, was denkt ihr?
    Geändert von sperschi (29.11.2004 um 14:12 Uhr)

  2. #2
    W. Kovacs Benutzerbild von Rorschach
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    Ist zwar schon länger her, daß ich das Buch gelesen habe, aber ich habe es anders in Erinnerung.
    Für mich ist Hesses Kritik am Internat und an den Menschen, die Hans umgeben und prägen nicht überzogen, und hat auch nichts anarchistisches. Hans kommt aus einer ruhigen Gegend, in der die Leute sich nicht mit Hochgeistigem beschäftigen, sondern einfachen, gutbürgerlichen Tätigkeiten nachgehen. Allein diese Umwelt ist für ihn befremdlich, da er niemanden hat, der seine Begabung sehen und vernünftig fördern würde. Sobald er als begabt erkannt wurde, war es das Ziel seiner Mitmenschen, in ihn ihre unerfüllten Träume zu projezieren: So hat der Nachhilfelehrer im eingepaukt, was man vermeintlich wissen müsste und der Vater schickt ihn auf die vermeintlich beste Schule, der Junge wird in diesen Fällen nicht gefragt, was er will - am Ende ist er z.B. als Handwerker (oder was er da macht) glücklich, allerdings konnte er erst nach seinem Zusammenbruch diese Entscheidung treffen, vorher wurde alles für ihn bestimmt.

    Du widersprichst dir imo auch selber ein wenig. Du behauptest, Hans sei für sein Versagen selber verantwortlich, weil er seine Intelligenz nicht richtig einsetzen würde, um erfolgreich zu sein. Gleichzeitig gestehst du aber ein, daß evtl. sein Vater eine Mitschuld trägt, da er "eben Hans nicht zu einem Menschen werden lassen hat" - genau das ist aber auch anderen Personen vorzuwerfen und ist auch gerade der Grund, warum Hans solche Probleme mit sich selbst und anderen hat, und weshalb er im Leben 'versagt'. Immer wurde ihm gesagt, was er wie zu tun und zu lassen hätte, auch wenn er vielleicht nur ein einfaches Leben führen wollte.

    Eigentlich faßt es Hesse selber sehr gut zusammen, wenn er davon spricht, daß "ein Schulmeister lieber zehn notorische Esel als ein Genie in seiner Klase hätte....", denn niemand kam mit der Intelligenz von Hans Giebenrath zurecht; und da jeder es genau richtig (oder noch besser) machen wollte, wenn es um Erziehung oder Lebensweisheiten ging, auf Hans´ Bedürfnisse und Ängste aber keine Rücksicht genommen wurde, war das Scheitern vorprogrammiert.
    "Quis custodiet ipsos custodes?"

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  3. #3
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    Ich persönlich finde Hesse ziemlich schrecklich, mit Ausnahme eben jenes Buches "Unterm Rad".

    Das ist eine ziemlich schonungslose & drastische Schilderung, wie es einem ergehen kann, der - aus welchen Gründen auch immer - nicht nahtlos ins System paßt. Hier gilt das Diktat der Stärke, das vermeintlich Schwache nur noch niedriger ins Elend der Vereinsamung stößt.

    Ich hatte selbst für viereinhalb Jahre das zweifelhafte Vergnügen eines Internatsaufenthaltes, dessen ich noch heute mit Schrecken gedenke.

    Wenn man eine seelische Roßnatur ist, dann kommt man mit seiner Umwelt gut klar, dazu muß man nicht aufs Internat.

    Hat man aber das Pech, eher von der sensibleren Sorte zu sein, kann man durchaus unter die Räder der Hackordnung geraten.


    Neben dem "Törleß" halte ich "Unterm Rad" für die Pflichtlektüre aller, die je überlegen, ihre Kinder einer solchen Institution anzuvertrauen.

    Auch wenn sich die Zustände in den letzten 100 Jahren verändert haben: die gruppendynamischen Prozesse, die nicht selten dem Verhalten einer Neanderthaler-Horde ähneln, sind noch heute anzutreffen.
    "Die beiden Gelehrten Gabundus und Terentius diskutierten 14 Tage und 14 Nächte
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  4. #4
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    Wenn ich Hans' Gabe besäße, dann würde ich aus meinem Leben was machen. Aber er ist eine 0, eine schwache Persönlichkeit, er kann lernen, aber er kann sonst nix und daran ist er selbst Schuld. Und dann kommt der liebe Hans, und weil er ja ein so tolles arrogantes Arschlo*h ist, das seine Mitschüler verachtet und als Dackel beschimpft hat, und gibt mal wieder allen anderen die Schuld, wenn er doch so intelligent ist, muss der doch auch intelligent genug sein mit seinem Leben zurechtzukommen! Er hatte oft genug die Gelegenheit soziale Kontakte zu pflegen, und dass er nichtmal sich für seine "Bedürfnisse" eingesetzt hat, dem Vater oder sonst wem gegenüber, ist nur ein weiteres Anzeichen für seine Charakterschwäche.

  5. #5
    A.D. Benutzerbild von Siran
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    Ich glaube, sperschi, du unterschätzt die Probleme von Hochbegabten...
    Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, daß wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen.
    (George Bernard Shaw)

    Die Demokratie setzt die Vernunft des Volkes voraus, die sie erst hervorbringen soll.
    (Karl Jaspers)

    Wenn es morgens um sechs Uhr an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, daß es der Milchmann ist, dann weiß ich, daß ich in einer Demokratie lebe.
    (Winston Churchill)

  6. #6
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    Zitat Zitat von Siran
    Ich glaube, sperschi, du unterschätzt die Probleme von Hochbegabten...
    Liegt höchstwahrscheinlich darin, dass ich wohl keiner bin ^^.

    Jedoch, nur die Tatsache, dass man hochbegabt ist, ist kein Grund dafür, dass man kein Mensch sein kann.

  7. #7
    W. Kovacs Benutzerbild von Rorschach
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    Zitat Zitat von sperschi
    Wenn ich Hans' Gabe besäße, dann würde ich aus meinem Leben was machen. Aber er ist eine 0, eine schwache Persönlichkeit, er kann lernen, aber er kann sonst nix und daran ist er selbst Schuld. Und dann kommt der liebe Hans, und weil er ja ein so tolles arrogantes Arschlo*h ist, das seine Mitschüler verachtet und als Dackel beschimpft hat, und gibt mal wieder allen anderen die Schuld, wenn er doch so intelligent ist, muss der doch auch intelligent genug sein mit seinem Leben zurechtzukommen! Er hatte oft genug die Gelegenheit soziale Kontakte zu pflegen, und dass er nichtmal sich für seine "Bedürfnisse" eingesetzt hat, dem Vater oder sonst wem gegenüber, ist nur ein weiteres Anzeichen für seine Charakterschwäche.
    1. Hatte Hans durchaus eine Begabung und ein Interesse an einfachen Dingen, z.B. ist er ein begeisterter und fähiger Angler. Für einen wie ihn ziemt sich dieses Hobby nach Ansicht der Erwachsenen aber nicht.

    2. Wurde er nicht gefragt, was er mit seiner Intelligenz anfangen will. Du bezeichnest ihn als schwach, weil er sie nicht nutzt. Was hätte er denn tun sollen? Politiker werden oder Bahnbrechendes erfinden?
    Er wollte ein einfaches, zufrieden stellendes Leben führen, das wurde ihm aber von seinen diversen Erziehern verbaut.



    Kurze Anmerkung zu "Unterm Rad":
    Ohne mich jetzt als hochbgabt bezeichnen zu wollen oder mich jetzt zwanghaft in die Giebenrath´sche Postion zwängen zu wollen: Beim (wiederholten) Lesen des Buches hat es mich schon, teils schmerzhaft, an Teile meiner Schulzeit erinnert (nein, im Internat war ich zum Glück nicht).
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  8. #8
    A.D. Benutzerbild von Siran
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    Zitat Zitat von sperschi
    Jedoch, nur die Tatsache, dass man hochbegabt ist, ist kein Grund dafür, dass man kein Mensch sein kann.
    Dass sicherlich nicht. Aber Hochbegabte reagieren häufig anders als Gleichaltrige, interessieren sich für andere Sachen, können mit den Themen nichts anfangen. Sowas sorgt für Ausgrenzung. Auch stetig gute Noten bringen häufig den Ruf des Strebers bzw. der Lehrerlieblings mit sich, was auch nicht gerade für soziale Kontakte führt.

    Andererseits sind manche so stark unterfordert, dass sie vor Langweile alles mögliche machen, aber nicht aufpassen und auch nicht lernen. Das sind dann häufig Störenfriede, die auch wieder keiner mag.
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  9. #9
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    Zitat Zitat von Siran
    Dass sicherlich nicht. Aber Hochbegabte reagieren häufig anders als Gleichaltrige, interessieren sich für andere Sachen, können mit den Themen nichts anfangen.
    DAS ist ja so ein Punkt. Wäre der liebe Herr Hans so toll intelligent, könnte er sich anpassen. Nein? Sehr wohl kann mit den andern irgendwas spielen Spaß machen, und er hatte ja auch seinen August und hat gerne geangelt, aber er hat alles aufgegeben, weil er sich für etwas besseres hielt. Außerdem, wenn er doch so toll intelligent ist, dann kann bzw. muss er damit rechnen ausgegrenzt zu werden wenn er dies doch selbst bewirkt, indem er die andern nämlich verachtet. Es gibt immer 'klügere' Menschen, aber ist das ein Grund dafür, dass er sie für weniger wert hält? NEIN.

  10. #10
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    Zitat Zitat von sperschi
    DAS ist ja so ein Punkt. Wäre der liebe Herr Hans so toll intelligent, könnte er sich anpassen. Nein? Sehr wohl kann mit den andern irgendwas spielen Spaß machen, und er hatte ja auch seinen August und hat gerne geangelt, aber er hat alles aufgegeben, weil er sich für etwas besseres hielt. Außerdem, wenn er doch so toll intelligent ist, dann kann bzw. muss er damit rechnen ausgegrenzt zu werden wenn er dies doch selbst bewirkt, indem er die andern nämlich verachtet. Es gibt immer 'klügere' Menschen, aber ist das ein Grund dafür, dass er sie für weniger wert hält? NEIN.
    Wie kommst du darauf, daß es Hans´ eigene und einzige Entscheidung gewesen ist, nach Maulbronn zu gehen und woran meinst du zu erkennen, daß er seine 'einfachen' Mitschüler beneiden würde?
    Die Lehrer schüren imo eher den Neid der anderen, Hans wird wie üblich nicht gefragt und kann nichts dagegen tun.
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