Zitat von
NITUP
Die Altersweisheit des Michail Sergejewitschs
Er scheint altersweise geworden zu sein, der Lieblingsrusse des Westens Michail Gorbatschow. Damals mit grenzenloser Naivität geschlagen, beseelt vom Glauben an die hehren Absichten des Westens, gab er sein Land einer ungewissen Zukunft preis allein auf das Versprechen hin, nur noch von Freunden umgeben zu sein. Und 18 Jahre später hat auch er es endlich begriffen, daß man der Nato, respektive der USA, nicht trauen kann.
Michail Sergejewitsch gab der britischen Zeitung "Daily Telegraph" unlängst ein Interview, das doch aufhorchen lassen sollte. Er stellte unumwunden fest, daß allein Washington die Verantwortung für die Spannungen auf der Welt trage.
Weiter sagte Gorbatschow: "Die USA haben versprochen, dass die Nato nach dem Kalten Krieg nicht über die Grenzen Deutschlands hinausgehen wird. Heute ist die Hälfte von Mittel- und Osteuropa Mitglied dieser Allianz. Wie wir sehen, sind ihre Versprechen nichts wert. Das zeigt, dass man ihnen nicht vertrauen kann...Das Problem ist nicht Russland. Russland hat keine Feinde, und Putin hat nicht die Absicht, einen Krieg gegen die USA oder irgendein anderes Land zu beginnen.
Heute sehen wir, dass die USA einem Militärhaushalt zustimmen und der Verteidigungsminister des Landes verspricht, die konventionellen Streitkräfte wegen der Möglichkeit eines Krieges gegen China und Russland aufzustocken.
Ich habe mitunter das Gefühl, dass die USA beabsichtigen, einen Krieg gegen die ganze Welt zu führen."
Gorbatschow hatte in der jüngsten Vergangenheit schon öfters seine Vorbehalte gegenüber der US-Rhethorik geäußert, doch diese Deutlichkeit läßt schon vermuten, daß hinter seinen Worten auch bittere Enttäuschung steckt, da in der Tat nicht ein einziges Versprechen des Westens gegenüber der Sowjetunion bezüglich der Militär- und Sicherheitspolitik eingehalten wurde.
Gorbatschows größtes Versagen liegt eben in seiner Blauäugigkeit, diese Versprechungen nicht zu vertraglichen Bedingungen gemacht zu haben. Heute steht die Nato vor der Haustüre Rußlands, und die antirussischen Ausfälle vor allem der USA und Deutschlands sind nur noch mit der Kalten-Kriegs-Rhethorik der sechziger Jahre vergleichbar -obgleich selbst damals wenigstens diplomatisch besser verpackt.
Doch es muß mehr sein, als nur herbe Enttäuschung. Gorbatschows Fazit "Die USA mögen niemanden, der unabhängig handelt. Jeder US-Präsident braucht einen Krieg." läßt schon eher vermuten, daß sein heutiger Standpunkt sicherlich einer intensiven Reflexion seines eigenen Versagens als auch einer Analyse der westlichen Politik hinsichtlich des Anspruches und der Wirklichkeit geschuldet ist. Vor dieser Ehrlichkeit darf man Respekt zeigen.
Schade ist nur, und das ist allerdings systembedingt, daß die Worte Gorbatschows in den Mainstreammedien vor allem hierzulande keinerlei Beachtung fanden, und wenn, dann auf den hinteren Seiten. Dieser Selbstschutz ist nur allzu verständlich, hat Michail Sergejewitsch als "moralische Instanz" ihnen doch selbst vor Augen geführt, daß die Fronten des Kalten Krieges von westlicher Seite her nie geräumt wurden. Eine Systempresse, die zu den Propagandeuren dieses Märchens gehört, wird sich dieses Eingeständnis niemals geben können. Zu verdorben und zu selbstsicher ist das journalistische Geschmeiß schon geworden. Massenmedien sind Klassenmedien. Nie war dieser Satz aktueller als heute.
Danke, "Gorbi".
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