Wahlkampf mit Dreifinger-Gruß: Tomislav Nikolic posiert mit einem Buben.
Serbien könne auch ohne die EU leben, sagt Tomislav Nikolic zu Andrej Ivanji. Nikolic Serbische Radikale Partei (SRS) wird allen Umfragen zufolge die Wahlen am Sonntag gewinnen.
STANDARD: Warum hat Ihre Partei einen so schlechten Ruf im Westen?
Nikolic: Weil wir niemals, unter gar keinen Umständen, die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen werden. Da verzichten wir lieber auf alle Geschenke, Geschäfte oder eine EU-Mitgliedschaft. Ohne Kosovo gibt es kein Serbien. Es ist doch verständlich, dass man uns in der EU anschwärzt, wenn man schon Präsident Boris Tadic hat, der alles erfüllen wird, was man ihm sagt.
Und wenn die EU schon so schlecht über die SRS denkt, warum ist dann das Volk auf unserer Seite? Und das, obwohl Brüssel immer wieder seinen Wunschpartnern in Serbien unter die Arme greift. Zuerst mit tollen Versprechen auf ein besseres Leben und – als das niemand mehr geglaubt hat – mit Drohungen, was denn Schlimmes geschehen würde, wenn die SRS siegt.
STANDARD: Ist es realistisch, dass Serbien wieder seine Souveränität im Kosovo herstellt?
Nikolic: Es ist auch nicht realistisch, dass wir bestätigen, dass der Kosovo unabhängig ist. Dann machen wir eben zwei unrealistische Sachen: Die EU erkennt unrealistisch die Unabhängigkeit an und wir kämpfen unrealistisch gegen diese Unabhängigkeit. Wann werden wir zum Ziel gelangen? Niemals. Wir werden jedenfalls niemals aufgeben. Solange es die Russische Föderation gibt, wird der Kosovo niemals ein Mitglied der UN. Und was hat nun die EU davon?
STANDARD: Und was nützt das Serbien?
Nikolic: Was für einen Nutzen haben Sie, wenn Sie aufpassen, dass Ihnen niemand Ihr Kind wegnimmt, dass es nicht von Drogendealer geschnappt wird? Sie geben Ihr Kind nicht her und basta. Wir geben den Kosovo nicht her und basta. Unfähige EU-Politiker wie Javier Solana oder Olli Rehn haben Serbien unterschätzt. Wenn die EU Serbien als Mitglied haben möchte, muss sie einsehen, dass wir zwei Bedingungen nicht erfüllen können: General Ratko Mladiæ ausliefern, der anscheinend gar nicht in Serbien ist, und den Kosovo anerkennen.
STANDARD: Und was ist, wenn die EU das nicht akzeptiert?
Nikolic: Wenn es sein muss, können wir auch ohne die EU leben. Acht Jahre lang behandelt man uns wie Versuchskaninchen der EU. Als ob jemand gesagt hätte: Macht die Serben noch ärmer, dann geben sie den Kosovo auf. Wir sind aber schon sehr arm, da nützen keine Erpressungen mehr. Das hat nur Trotz und Revolte bei uns ausgelöst.
Und auch wenn die Visapflicht abgeschafft wird, wer hat schon Geld zum Reisen? Wir werden alternative Wege mit Russland, China oder Indien suchen. Aber natürlich bleibt europäisches Kapital in Serbien willkommen. Ich garantiere persönlich für die Sicherheit aller früheren und künftigen Investitionen.
STANDARD: Warum sind Sie gegen das Stabilisierungsabkommen mit der EU?
Nikolic: Die Mehrheit der EU-Staaten haben die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt. Wir wären sofort für das Abkommen, wenn in ihm deutlich definiert wäre, dass es für ganz Serbien innerhalb seiner international anerkannten Grenze gültig ist, auch wenn Serbien vorübergehend keine Kontrolle über einen Teil seines Territoriums hat.
STANDARD: Und warum sind Sie gegen eine Zusammenarbeit mit dem UN-Tribunal?
Nikolic: Warum ist denn kein Slowene vor diesem Tribunal angeklagt worden? Sogar der ORF hat Aufnahmen, wie slowenische Freischärler Soldaten der jugoslawischen Armee mit erhobenen Händen erschießen. Ist das denn kein Kriegsverbrechen? Kein einziger Kosovo-Albaner ist verurteilt worden. Fast die gesamte serbische politische und militärische Führung ist dagegen verurteilt oder angeklagt worden. Zwölf Serben sind im Gefängnis des Tribunals gestorben. Wir werden doch unsere Bürger nicht zum Scheiterhaufen schicken.
STANDARD: Sie waren selbst im Krieg. Fühlen Sie sich verantwortlich dafür?
Nikolic: Was denn für eine Verantwortung? Mein Volk war angegriffen in seinem eigenen jugoslawischen Staat und ich bin gegangen, um es zu verteidigen. Das war meine Pflicht. Ich bin eventuell verantwortlich dafür, dass wir es nicht erfolgreicher verteidigt haben. Das hing aber von Miloševiæ ab.
STANDARD: Die SRS ist seit Jahren die stärkste Partei, warum hat sie nicht davon profitiert?
Nikolic: Wir konnten unsere Stärke vor allem wegen der Unschlüssigkeit der „Demokratischen Partei Serbiens“ (DSS) von Premier Vojislav Koštunica nicht umsetzten, dem ich schon zweimal eine Regierungskoalition angeboten habe. Das habe ich auch jetzt getan. Es ist ganz klar: Wir werden jetzt entweder eine Regierung der SRS und DSS haben oder es wird keine neue Regierung geben. (DER STANDARD, Printausgabe, 9.5.2008