..........................Mit dem Internet jedoch ist für jeden Berufspöbler das goldene Zeitalter der missverstandenen Meinungsfreiheit angebrochen. Es bedarf nur weniger Mausklicks, schon ist die passende Botschaft auf dem Weg. Und die sieht dann ungefähr so aus: „du vollspasst hast doch garkeine anung wenn die seite bis morgen nich weg is werd ich das hacken muahahaha lol rofl!!!!!“
Jeder, der einmal ein halbwegs gut besuchtes Internetforum geleitet hat, kann eine ganze Oper davon singen. Beinahe rund um die Uhr, vor allem aber, sobald die Schule aus ist, blüht dort Meinungsäußerung im Stil des 21. Jahrhunderts: Es wird beleidigt und gegeifert, bis die Tastatur qualmt. Der Moderator hat darob zwei Möglichkeiten: Entweder, er erklärt die Betreuung des Forums zum Vollzeitjob und kümmert sich minütlich um die Löschung der üblichen Hass-, Spam-, Porno- und Nazi-Beiträge; oder er macht den Laden weitgehend dicht und lässt nur noch angemeldete Kundschaft herein. Haufenweise finden sich im Netz Hinweise wie dieser (auf einer Seite für Amateur-Literaten): „Aufgrund des extremen Missbrauchs der Kommentarfunktion sind wir leider gezwungen, die Kommentare ab sofort redaktionell zu überprüfen.“
Für ganze Armeen von Kindsköpfen ist virtueller Vandalismus inzwischen zu einer Art Hobby geworden. Jeder Spaßvogel kann zum Beispiel binnen Sekunden einen Artikel des Online-Lexikons Wikipedia verwüsten. Recht beliebt ist es, irgendwelchen Prominenten ein frei erfundenes, vorzugsweise abweichendes Sexualverhalten anzudichten. Auch die endlosen Wortgefechte auf den Diskussionsseiten können ziemlich anstrengend sein, wenn dogmatische Eiferer meinen, zu komplexen Sachverhalten ihr unqualifiziertes Gefasel ablaichen zu müssen.
Denn mit dem Internet ist für Weltverbesserer, Sendungsbewusste, Apostel, Paranoide und Fanatiker jeglicher Couleur der feuchteste aller Träume in Erfüllung gegangen. Typen, denen im wahren Leben schon lange niemand mehr zuhört, die in jeder Kneipe Hausverbot haben, wegen denen man sich eine geheime Telefonnummer zulegt – sie alle können nun einen Mr. Smith aus Anchorage, Alaska, unmissverständlich wissen lassen, dass er ein Spacko ist. Wenn der Forumsmoderator solche Beiträge löscht, beginnt das übliche Gegreine über Zensur und Nazi-Methoden.........................
.................................................. ..Wäre das Internet identisch mit dem wahren Leben, so hätten sich Gebrüll und Gekeife längst als normaler Umgangston durchgesetzt. Enthält aber das Recht auf freie Meinung nicht automatisch die Pflicht, diese Meinung anständig und höflich zu sagen? Für die meisten offenbar nicht.