Aus totalitären Systemen kennt man den Begriff der "inneren Emigration":
Menschen verweigern sich auf eher unauffällige Weise einem System, dass sie als repressiv betrachten und auf das sie keinen Einfluss haben. So gingen in der Nazizeit Menschen, die mit der Ideologie nicht konform gingen, nur zu oft in die "innere Emigration". Für diese Zeit gibt es auch "den Gang in die Stille".
Man vermeidet die offene Opposition, die bestenfalls aussichtslos, schlimmstenfalls lebensgefährlich ist und verweigert sich auf subtile Art und Weise. Eben innerlich. Nichts gegen das System sagen, aber auch nichts dafür. Keine Akte gegen das System tun, aber auch nichts für es. Keinen Widerstand, dafür die konsequente Verweigerung. Keine Attentate, dafür das Aussitzen.
Den Bllödschwätzern, die das System und seine Ideologie rechtfertigen, nicht widersprechen, aber sie um so gründlicher verachten. Im Krieg nicht zu den Partisanen überlaufen, dafür immer in die Luft schießen.
Wobei ich mich beim Schreiben dieser Zeile frage, ob ein System, das offenen Widerstand brechen kann, dass seine Oppositionellen entweder liquidieren und ins Leere laufen lassen oder sie kaufen und korrumpieren kann, nicht an stiller, nicht greifbarer Verweigerung um so gründlicher zugrunde gehen kann.
Wenn sich der Widerstand erst gar nicht mehr artikuliert, kann er auch nicht als solcher erkannt werden und dafür um so gründlicher und zersetzender wirken. "Mit denen ist kein Staat zu machen" jaulen dann diejenigen, deren Staat sich mal wieder als Horrortrip entpuppt hat. Scheinbar folgen ihnen dann alle, weil ja offener Widerstand sinnlos ist. Doch sie tun es auf eine Weise, die früher oder später zur bürokratischen Farce oder lebensmäßigen Scharade wird. So wie der Soldat in die Luft schießt, wird dann auch im Zivillleben agiert.
Mit den Schergen und Schönrednern des Systems redet dann keiner mehr offen. Ist ja auch sinnlos: bestenfalls sind sie total verblendet, schlimmstenfalls riskiert man Nachteile. Aber die stille Verachtung ist dann um so gründlicher. Man selbst macht sich an denen nicht die Hände schmutzig, weil man Gewalt verachtet oder die Folgen fürchtet.
Doch wenn es andere tun, hindert man sie auch nicht mehr daran. Weniger mag dann sowohl ethisch als politisch mehr sein, die Ohrfeiger wirksamer als die Kugel, das misslungene Attentat effektiver als die Liquidierung einer eh austauschbaren Hofschranze. Wie gesagt, man tut sowas nicht selbst, man jubelt nicht einmal. Man ist nur stilles Publikum, das schweigt und duch sein Schweigen nicht mehr greifbar.
Zuerst glaubt man, mit seinem Schweigen und Widerwillen allein zu sein, alldiweil alle doch dem System blind folgen. Dann merkt man, dass die meisten schweigen und weiß warum. Irgendwann tönen dann die Lautsprecher des Systems nur noch vor leeren Rängen :rolleyes: