The Washington Post
Ein unnötiger Krieg?
Von Patrick J. Buchanan
11. Oktober 1999
In meinem Buch A Republic, Not An Empire, beziehe ich kontrovers Stellung: Ich werfe Jefferson die Abrüstung der Marine vor, verteidige Polks Krieg gegen Mexiko, beklage die Annexion der Philippinen durch die U.S.A. und unterstütze Hardings Washingtoner Marinevertrag.
Aber all das wurde niedergetrampelt von den hysterischen Reaktionen auf zwei meiner Aussagen: Daß Englands Kriegsgarantie an Polen ein monumentaler Fehler war und daß Deutschland nach seiner Niederlage in der Luftschlacht um England keine strategische Gefahr für die USA darstellte.
Warum war Englands Garantie falsch? Weil England weder den Willen noch die Macht besaß, sie einzulösen. 1939 hätte nur eine Nation Polen vor Hitler retten können: Rußland. »Ohne Rußland«, erklärte Lloyd George, »sind unsere [polnischen] Garantien die verantwortungsloseste Verpflichtung, die ein Land jemals eingegangen ist. Ich gehe sogar noch weiter, sie waren wahnsinnig.«
Indem England Hitler wegen Polen Krieg androhte, wurde er gezwungen, sich mit Stalin zu einigen. Ergebnis: Die Vernichtung Polens, Stalins Serienvergewaltigung von Finnland, Litauen, Lettland und Estland, so wie Hitler Dänemark, Norwegen, die Niederlande und Frankreich schluckte.
Mitte 1940 kontrollierte Hitler Westeuropa und Stalin Osteuropa. Die Briten waren in Dünkirchen verjagt worden und in einen Krieg verstrickt, der 400.000 Engländern das Leben kostete und das Weltreich zerstörte.
Und dennoch wurde Polen dadurch nicht gerettet! Was also hat die Garantie bewirkt? Und warum wäre es für England unmoralisch gewesen, Hitlers Angriff vom Westen abzulenken und auf Stalins Sklavenreich zu richten, damit sich die beiden Monster gegenseitig auffressen, wie Harry Truman anriet?
Hätte England keinen Krieg erklärt, so hätte Hitler den unvorbereiteten Stalin 1940 angegriffen. Das Ergebnis dessen hätte sehr gut die Befreiung des Gulag mit seinen 12 Millionen Seelen sein können, die Vernichtung des Bolschewismus in Rußland und China, kein Kalter Krieg, kein Korea und kein Vietnam. Statt der sechs Jahre des blutigen Weltkrieges hätten wir vielleicht nur sechs Monate eines Hitler-Stalin Krieges gehabt, der mit dem Tod des einen und der Verkrüppelung des anderen geendet wäre.
Aber, ertönt der Schrei, Hitler wollte doch die »Weltherrschaft«. Nach Rußland hätte er Westeuropa besetzt, England und dann seinen Endangriff auf uns. Aber hätte er das wirklich getan? Dem Historiker A. J. P. Taylor folgend war die »östliche Expansion der primäre Zweck von Hitlers Politik, wenn nicht sogar die einzige«. Und dem Staatsmann der Labor Party Roy Denman gegenüber: »Die Angst, nach Polen würde Hitler England angegriffen haben, war eine Illusion... England wurde in einen unnötigen Krieg hineingezogen.«
Am 11. August 1939 führte Hitler gegenüber dem Danziger Hochkommissar des Völkerbundes aus: »Alles, was ich unternehme, richtet sich gegen Rußland. Wenn der Westen zu dumm oder zu blind ist, das zu verstehen, so werde ich gezwungen sein, mich mit den Russen zu verständigen, den Westen zu zerschlagen, und nach dessen Niederlage gegen die Sowjetunion vorzugehen …«
Dies, so Henry A. Kissinger, »war sicherlich ein genaue Wiedergabe von Hitlers Prioritäten: Von England erwartete er, daß es sich aus dem Kontinent heraushält, und von der Sowjetunion wollte er Lebensraum. Es war zum Teil Stalins Errungenschaft, daß Hitler seine Prioritäten umkehrte...«
Ja, und gleichermaßen Englands großer Fehler.
Kritiker, die meine Behauptung angreifen, die U.S.A. seien nach 1940 strategisch nicht bedroht gewesen, zitieren Nazi-Pläne für einen »Amerika-Bomber«. Berlin, sagen sie, habe »in einen Feldzug investiert, um Basen in Afrika und auf den Kanarischen Inseln zu bekommen als Teil dessen, was... Außenminister Joachim von Ribbentrop ein „großes Programm... von anti-amerikanischem Charakter" genannt hat.«
Aber das ist Comicbuch-Geschichte. Nicht nur, daß die englische Luftwaffe 1940 die Lufthoheit errungen hat, die englische Marine hat ihre Hoheit nie verloren, wie die Franzosen haben lernen müssen, als Churchill seiner Flotte befahl, die französische Flotte in Mers el-Kebir Mitte 1940 zu versenken, um sie nicht Hitler in die Hände fallen zu lassen.
Im November 1940 wurde die italienische Flotte in Taranto versenkt. »Durch diesen einzigen Schlag«, frohlockte Churchill, »hat sich die Machtbalance der Marinestreitkräfte im Mittelmeer entscheidend verändert.« Im Frühjahr 1941 wurde Hitlers mächtiges Schlachtschiff Bismarck auf seiner Jungfernfahrt versenkt; die Graf Spee wurde schon 1939 vor Montevideo versenkt.
Zur Zeit von Pearl Harbor hatte Hitler seine Streitkräfte bereits überdehnt und wurde im Ärmelkanal und Atlantik von der Englischen Luftwaffe und Marine blockiert, und vor Moskau und Leningrad durch die Rote Armee. 1942 war er in Afrika erledigt.
Die Idee, Hitler könne ohne Überwasserschiffe, ohne Transportflotte, ohne Landungsgerät und ohne Seeleute, die jemals auf einem Flugzeugträger gedient hatten, in Afrika oder auf den Kanaren Schiffe bauen, die die USA auf der anderen Seite eines Ozeans bedrohen, der von der U.S.- und der britischen Marine seit Trafalgar kontrolliert wird, ist eine viel zu absurde Annahme, als daß man sie widerlegen müßte.
Pat Buchanan, Autor von A Republic, Not an Empire, war Kandidat für die US-Republikaner zur Nominierung zum US-Präsidenten.
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