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Thema: Die arabische Sicht der deutschen Geschichte

  1. #1
    Bereut nichts Benutzerbild von Kaiser
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    Die arabische Sicht der deutschen Geschichte

    Der zwölfte Imam
    Von Pierre Heumann - Aktuelle Weltwoche

    Für Palästinenser ist «Hitler» ein Kosename für Männer mit Schnäuzchen, für Ägypter ein «natürlicher Freund».

    Hitler, Eichmann, Rommel sind im arabischen Raum nach wie vor präsent – als beliebte Namen. In Kairo ging General Hitler Tantawi bis vor kurzem im Auftrag von Hosni Mubarak gegen korrupte ägyptische Chefbeamte vor, in Ramallah befehligte ein Mann namens Abu Hitler Arafats Sicherheitskräfte, und in der Westbankstadt Nablus kannte jeder den Antiquitätenhändler Abu Rommel, der seine Söhne Rommel und Eichmann genannt hatte. Adolf Hitler, Adolf Eichmann, der Leiter des Referats «Judenangelegenheiten und Räumung» im Reichssicherheitshauptamt, oder Erwin Rommel, dem ab Februar 1941 das Deutsche Afrika-Korps unterstand, gaben in den vierziger Jahren ehrenwerte Vornamen her. Noch heute ist «Hitler» bei Palästinensern ein beliebter Kosenamen. Bedacht werden damit Männer mit kleinen Schnäuzchen.

    Von Hitler begeistert zeigte sich bereits Ägyptens Präsident Gamal Abdel Nasser, als er 1964 die Niederlage des Naziregimes ausdrücklich bedauerte. Sein Nachfolger Anwar Sadat betrachtete Hitler gar als «natürlichen Alliierten». Selbst nach den Nürnberger Prozessen drückte er in einem Leserbrief seine Bewunderung für Hitler aus.

    Mit der Person des Führers verbanden die Araber Hoffnungen, die auch Jahrzehnte nach seinem Tod nachwirken: etwa Hitler würde die Engländer besiegen und die Juden aus Palästina vertreiben. Der Mufti von Jerusalem, Haj Amin al-Husseini, brachte die arabische Hitler-Begeisterung auf den Punkt, als er sich 1941 mit Hitler und anderen Nazigrössen traf: «Die Deutschen wissen, wie man es anstellt, um die Juden loszuwerden.» Er wollte Berlin überzeugen, den Juden auch in der arabischen Welt den Krieg zu erklären. Bei einem Empfang bei Hitler am 30. November 1941 nannte Husseini die Araber «die natürlichen Freunde Deutschlands». Denn sie hätten die «gleichen Feinde wie Deutschland, nämlich die Engländer, die Juden und die Kommunisten».

    Hitlers Ideologie und Ziele sind im arabischen Mittleren Osten bis heute relevant. Für Michel Aflaq, den Gründer der syrischen und der irakischen Baath-Partei, war Hitler-Deutschland ein leuchtendes Vorbild; seinen Parteigenossen empfahl Aflaq die Lektüre des NS-Ideologen Alfred Rosenberg. Der Nationalsozialismus war vor allem unter arabischen Christen populär, weil sie hofften, dadurch ihren Minderheitsstatus überwinden zu können. Im Vielvölkerstaat Libanon prägte das braune Gedankengut während Jahren die politischen Aktionen christlicher Araber. Pierre Gemayel, der Gründer der rechtsextremen Falange-Partei, erhielt seine Ausbildung in Nazideutschland und baute in den 30er Jahren die Falange nach faschistischem Vorbild auf. Besonders Zucht und Ordnung der Hitler-Jugend hatten es ihm angetan, und er importierte deren rassistische Intoleranz in den Vielvölkerstaat an der Levante. Im libanesischen Bürgerkrieg, der 1975 ausbrach, war die Falange eine der blutrünstigsten Parteien im Kampf gegen linke und muslimische Gruppen.

    Die libanesische Journalistin Alia Ibrahim stellt heute bei einem Teil ihrer Landsleute eine positive Neubewertung Hitlers fest. Sie schildern Hitler «als einen Führer, der den Krieg verloren hat und danach dämonisiert wurde, obwohl er nicht schlechter als andere Politiker» gewesen sei. Hitler springe in die Lücke, die Saddam hinterlassen hat, meint Ibrahim. Kenntnisse über Hitler sind allerdings rudimentär, sagt Ibrahim: «Im Libanon weiss man über ihn vor allem, dass seine Leiche nie gefunden wurde und dass Eva Braun seine Geliebte war.» Und natürlich zirkulieren Verschwörungstheorien. «Wir diskutierten im Geschichtsunterricht, ob Hitler den Krieg am Ende doch überlebt habe», erinnert sie sich.

    Statt «Hallo» ein höfliches «Heil Hitler»

    Der dürftige Informationsstand macht anfällig für Manipulationen. Der Zweite Weltkrieg wird in arabischen Ländern übersprungen. «In der Schule habe ich nichts darüber erfahren», sagt der ägyptische Politologe Gehad Auda. Weil das Dritte Reich im Mittleren Osten nicht Fuss fasste, blieb das Hitler-Bild im arabischen Raum intakt, meint Auda. «In Kairo gilt Hitler heute als Staatsmann, der den Ruhm seines Landes anstrebte. Er machte es wohlhabend, indem er den Volkswagen lancierte und Autobahnen baute.»

    Verbreitet wird Halbwissen. So büffeln Gymnasiasten im Iran nur eine Kurzbiografie des Führers, die sich zu neunzig Prozent auf seinen Werdegang vor 1933 bezieht. Hitlers Verbrechen rufen keine negativen Reaktionen hervor. Der Iran ist vermutlich das einzige Land der Welt, in dem das Wort «Arier» wie selbstverständlich gebraucht wird. Denn der Begriff wurde dort lange vor Hitlers Machtergreifung 1933 verwendet. «Iran» heisst auf Altpersisch «Land der Arier», und «Arier» bedeutet «Söhne der Sonne». Persien war während des Zweiten Weltkrieges ein ausgesprochen germanophiles Land. Mehrere hundert deutsche Ingenieure arbeiteten an verschiedenen Projekten, und es gab sogar eine kleine faschistische Partei. Die Feinde Deutschlands – Grossbritannien, die UdSSR und die USA – besetzten Persien von 1941 bis 1945. Damals waren viele Perser überzeugt, Hitler sei der zwölfte Imam, der die Welt von den Imperialisten befreien würde, meint ein iranischer Politologe. Die Beziehungen zwischen Hitler und dem persischen Herrscherhaus waren so gut, dass Hitler dem Schah eines seiner Bilder schenkte.

    «Die Juden haben nicht genug gelitten»

    Bei den Palästinensern ist Hitler heute noch beliebt. Der Diktator sei bei ihnen ein positives Markenzeichen für Deutschland, sagt der deutsche Journalist Ulrich Sahm, und er werde von Arabern des Öftern freundlich mit «Heil Hitler» begrüsst. Nur ein leiser Vorwurf mischt sich manchmal in die Begeisterung: «Wenn Hitler seine Arbeit [sprich: Vernichtung der Juden] beendet hätte, ginge es uns heute besser», gab ein palästinensischer Händler Sahm zu Protokoll.

    Hitlers Buch «Mein Kampf» figurierte vorübergehend auf der palästinensischen Bestsellerliste. Übersetzer Luis al-Haj preist in der Einführung Hitler als «einen der grossen Männer der Geschichte». Hitler sei Dank, hiess es folgerichtig im April 2001 in der vom ägyptischen Staat finanzierten Zeitung Al-Akhbar: Er habe das Leid der Palästinenser, das sie «vom argsten Kriminellen auf dieser Erde [gemeint ist Scharon, Red.] erleiden müssen, im Voraus gerächt». Nur eine Klage hat der Kolumnist Achmed Ragab anzubringen: «Die Juden haben nicht genug gelitten.»

    Eines werfen Araber aber Hitler vor: dass er das «jüdische Problem» auf ihre Kosten lösen wollte. Die meisten Palästinenser seien noch heute überzeugt, dass der Anfang der zionistischen Bewegung auf Hitler zurückgehe, sagt Scharif Kanaana, der an der Bir-Zeit-Universität Ethnologie unterrichtet.

    Dachau? Eine «Desinfektionsanlage»

    Im arabischen Raum zirkulieren über den Holocaust unterschiedliche Auffassungen. Von «Er ist ein Hirngespinst der Juden» bis «Das Ausmass wird masslos übertrieben» sind in offiziellen Lehrmitteln alle Varianten zu hören. Statt von «Genozid» spricht man in der Regel lediglich von «Verfolgung». Der Holocaust, eine Erfindung der Juden, habe nie stattgefunden, unterstellt zum Beispiel ein Kapitel in einem ägyptischen Lehrbuch.

    Auschwitz und Dachau seien «Desinfektionsanlagen» gewesen, behauptet unverfroren Dr. Issam Sissalem von der Islamischen Universität in Gaza, der sich als «Experte des Judentums» bezeichnet. Für ihn ist der Holocaust eine «unbewiesene Tatsache», für die Hamas gar eine der «grössten Lügen der Geschichte». Im syrischen Gymnasiasten-Lehrmittel «Moderne Geschichte» wird den Schülern eingetrichtert, die Juden, «die Feinde Gottes», hätten antisemitische Strömungen selber verursacht. Der Holocaust sei deshalb gerechtfertigt.

    Westliche historische Werke über den Holocaust werden entweder totgeschwiegen oder als Machwerk «der zionistischen Lobby» abgetan. «Wir werden den Holocaust nie im Lehrplan palästinensischer Schulen aufnehmen», sagte vor drei Jahren der Vorsitzende der Erziehungskommission des palästinensischen Parlamentes, Musa al-Zu’but: «Wir haben unser Land Palästina verloren, nachdem es durch Israel besetzt worden ist. Wir müssen unseren Studenten beibringen, was unser Volk durchgemacht hat.»

    Heute würden Israelis den Holocaust benutzen, um «Sympathien zu gewinnen und auf die Tränendrüsen zu drücken», sagte mir der Jerusalemer Mufti, Scheich Ikrima Sabri. Es habe ja viele Massaker auf der Welt gegeben – «weshalb ist dieser Holocaust wichtiger als andere?» Der frühere palästinensische Premier Abu Mazen bezweifelt in seiner Dissertation die Existenz der Gasöfen zur Vernichtung der Juden. Er stellt die Behauptung auf, die Zahl der umgebrachten Juden könne «sogar weniger als eine Million» betragen.

    Die zionistische Führung, so Abu Mazen, habe die Zahl aus propagandistischen Gründen übertrieben, um die Gründung des jüdischen Staates zu beschleunigen. «Das Thema ‹Holocaust› hat sich ein halbes Jahrhundert halten können, weil die zionistische Propaganda politische und wirtschaftliche Vorteile aus ihm zog und es für ihre Besatzungs- und Siedlungsbestrebungen ausgeschlachtet hat», heisst es beispielsweise in der offiziellen palästinensischen Tageszeitung Al-Hajat Al-Jadida

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    Tja, ein etwas entspannteres deutsches Geschichtsbild.

    :rolleyes: :rolleyes: :rolleyes:
    Siegen heißt Leben

  2. #2
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    Zitat Zitat von Kaiser
    Tja, ein etwas entspannteres deutsches Geschichtsbild.
    (Hervorhebung von mir)
    Tja, eine etwas entspanntere Bezeichnung für "falsch".

    mfg,

    Chester :-:
    "Common sense and a sense of humor are the same thing, moving at different speeds. A sense of humor is just common sense, dancing." -- Clive James

    "You can have your theories, because you never had the clearance to know the facts."

  3. #3
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    Zitat Zitat von Chester
    (Hervorhebung von mir)
    Tja, eine etwas entspanntere Bezeichnung für "falsch".

    mfg,

    Chester :-:

    Offenbar ist "Falsch" ein sehr dehnbarer Begriff in der Geschichte.

    Wie heißt es so schön. Des einen Helden ist des anderen Verbrecher.
    Siegen heißt Leben

  4. #4
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    Zitat Zitat von Kaiser
    Offenbar ist "Falsch" ein sehr dehnbarer Begriff in der Geschichte.

    Wie heißt es so schön. Des einen Helden ist des anderen Verbrecher.
    Und Platitüden ersetzen kein Geschichtsverständnis.

    mfg,

    Chester :-:
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  5. #5
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    Zitat Zitat von Chester
    Und Platitüden ersetzen kein Geschichtsverständnis.

    mfg,

    Chester :-:
    Kein "Geschichtsverständnis" ist abschließend, objektiv oder absolut. Auch wenn manche meinen ihr "Geschichtsverständnis" hätte des Weisheits letzter Schluß gepachtet.

    Geschichtsverständnis ist genauso vielfältig und beliebig wie dessen menschliche Träger.

    Das ist die schlichte Wahrheit.
    Siegen heißt Leben

  6. #6
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    Zitat Zitat von Kaiser
    Kein "Geschichtsverständnis" ist abschließend, objektiv oder absolut.
    Und glücklicherweise bewegt sich Geschichtsverständnis seit mehreren Jahrhunderten weg davon, Massenmord für akzeptabel zu befinden.
    Auch wenn mancher sich eine Umkehrung dieser Entwicklung wünscht.

    mfg,

    Chester :-:
    "Common sense and a sense of humor are the same thing, moving at different speeds. A sense of humor is just common sense, dancing." -- Clive James

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  7. #7
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    Zitat Zitat von Chester
    Und glücklicherweise bewegt sich Geschichtsverständnis seit mehreren Jahrhunderten weg davon, Massenmord für akzeptabel zu befinden.
    Auch wenn mancher sich eine Umkehrung dieser Entwicklung wünscht.
    Du meinst das hiesige Geschichtsverständnis in Deutschland. Ich muß dich enttäuschen. Das ist weder maßgeblich noch prägend für die Geschichtsschreibung der Welt. Nicht einmal nur im Westen.
    Siegen heißt Leben

  8. #8
    Realist Benutzerbild von Chester
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    Zitat Zitat von Kaiser
    Du meinst das hiesige Geschichtsverständnis in Deutschland. Ich muß dich enttäuschen. Das ist weder maßgeblich noch prägend für die Geschichtsschreibung der Welt. Nicht einmal nur im Westen.
    Du bist erkenntnisbefreit.

    mfg,

    Chester :-:
    "Common sense and a sense of humor are the same thing, moving at different speeds. A sense of humor is just common sense, dancing." -- Clive James

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  9. #9
    Bereut nichts Benutzerbild von Kaiser
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    Augenzwinkern

    Zitat Zitat von Chester
    Du bist erkenntnisbefreit.

    mfg,

    Chester :-:
    Wer wird denn gleich?

    Erkundige dich doch mal wie es z.B. in Spanien, Rumänien, Ungarn, Finnland, dem Baltikum etc aussieht. Du wärst überrascht. Auch die asiatischen Länder haben eine etwas andere Sichtweise der Dinge.
    Siegen heißt Leben

  10. #10
    Realist Benutzerbild von Chester
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    Zitat Zitat von Kaiser
    Wer wird denn gleich?

    Erkundige dich doch mal wie es z.B. in Spanien, Rumänien, Ungarn, Finnland, dem Baltikum etc aussieht. Du wärst überrascht. Auch die asiatischen Länder haben eine etwas andere Sichtweise der Dinge.
    Erkundige Dich mal, wie die Bevölkerungen aller dieser Länder zu Massenmord stehen.
    Du wärst überrascht.

    Face it, Deine Sichtweise ist im Aussterben begriffen.
    Und, wie heißt es so schön, das ist auch gut so.

    mfg,

    Chester :-:
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