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Thema: In der Türkei sagen sie: "Schau, da kommt ein Deutscher"

  1. #1
    GESPERRT
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    Standard In der Türkei sagen sie: "Schau, da kommt ein Deutscher"

    In der Türkei sagen sie: "Schau, da kommt ein Deutscher"

    Ali Isleyen kam 1976 aus der Türkei nach Österreich, mittlerweile ist er dort ein Fremder – Hier fühlt er sich als Inländer, aber "niemand akzeptiert das" – "Ich bin heimatlos"
    Ali Isleyen kam 1976 aus der Türkei nach Österreich, arbeitete auf Baustellen, als Lagerarbeiter und Verkäufer, bis er nach einem Bandscheibenvorfall pensioniert wurde. Heute fühlt er sich als Inländer in Österreich, aber "niemand akzeptiert das". Auch in der Türkei werde er als Fremder gesehen: "Dort sagen die Leute: Schau, da kommt ein Deutscher", erzählt er im derStandard.at-Interview Heidi Weinhäupl. Seine Pension will er daher hier verbringen. Für sein hohes Alter, falls er ins Altersheim muss, wünscht er sich türkischsprachige Betreuung.



    * * *

    derStandard.at: Warum sind Sie damals nach Österreich gekommen?

    Ali Isleyen: Ich musste aus der Türkei flüchten. Ich flog dann nach Frankreich, wurde abgeschoben, kam nach Jugoslawien, Italien, in die Schweiz, nach Amsterdam, dann nach Deutschland – und schlussendlich landete ich in Wien. Und hier war dann mein Geld zu Ende, obwohl ich in der Türkei nicht zu den Armen gehört habe.

    derStandard.at: Wie haben Sie hier die ersten Jahre gelebt, was waren Ihre Eindrücke von Österreich?

    Isleyen: Damals in Österreich, da gab es keine türkischen Geschäfte, Moscheen, Lokale – damals waren wir zu wenige Leute hier. Das war 1976. Ich kannte auch niemanden. Die ersten eineinhalb Jahre lebte ich eigentlich wie ein Sandler. Oft habe ich im Mistkübel Essen ausgegraben, wenn der Markt geschlossen hat, wenn es finster wurde. Ich habe viel Hunger gehabt. Manchmal habe ich ausgeholfen gegen ein warmes Essen, geputzt für 200 Schilling in der Woche. Eine Sekretärin hat mir dann eine Arbeitsbewilligung besorgt – ich habe sie so umarmt und überall hin geküsst, auf den Kopf, auf die Hand, ich habe so eine Freude gehabt. Ich habe dann auf einer großen Baustelle gearbeitet, am Franz Josef Bahnhof, im Akkord, jeden Tag. Dann konnte ich meine Frau besuchen und meine drei Kinder. Ich hatte sie zwei Jahre nicht gesehen. Nach einigen Jahren stellte mich Ikea als Lagerarbeiter ein, später wurde ich Verkäufer, Abteilungsleiter.

    derStandard.at: Und dann sind Sie geblieben?

    Isleyen: Am Anfang hatte ich schon Heimweh, aber dann habe ich meine Frau nachgeholt, meine drei Kinder. Und ich habe mich gewöhnt, den Nachbarn kennen gelernt, die Nachbarin. Nach fünf Jahren habe ich das erste Mal Urlaub gemacht. Aber da war ich hier schon adoptiert, auch die Kinder hatte schon viele Freunde.

    derStandard.at: Wo fühlen Sie sich heute zu Hause?

    Isleyen: Ich fühle mich hier wie ein Inländer – niemand akzeptiert das in Österreich, aber ich fühle mich zu Hause.

    derStandard.at: Halten Sie noch Kontakt zu Ihrer Familie und Freunden in Ihrem alten Zuhause?

    Isleyen: Ja, zwei Schwestern und meine Mutter leben dort. Ich pendle ein bisschen, voriges Jahr war ich viermal dort – aber meine große Familie ist hier, in Österreich habe ich mehr Kontakte. Schauen Sie, fremde Leute sind wirklich heimatlos. Ich habe einen Grund und ein großes Haus dort – aber wenn ich in die Türkei fliege, ist es ganz egal, dass ich dort geboren bin, ich bin wie ein Fremder. Die Leute sagen: "Schau, da kommt ein Deutscher." Wenn ich nach Österreich komme, fühle ich mich zu Hause, aber für die Leute bin ich trotzdem ein Fremder. Ich bin heimatlos.

    derStandard.at: Und wo wollen Sie begraben werden?

    Isleyen: Wenn ich gestorben bin, ist mir das ganz egal, da kann man mich irgendwo eingraben. (lacht) Das soll dann meine Familie entscheiden.

    derStandard.at: Was sollte sich politisch oder gesellschaftlich in Österreich ändern?

    Isleyen: Es gibt hier keine türkischsprachige Betreuung im Altersheim, das fehlt sehr. Die erste Generation versteht zu wenig Deutsch – sie haben Brustschmerzen und sagen dem Arzt "Halsschmerzen". Damals gab es keine Deutschkurse, wir haben hart gearbeitet, auf der Baustelle, haben nie gut Deutsch gelernt. Auch ich habe nie einen Deutschkurs gemacht. Ich wünsche mir, wenn ich noch älter bin, wenn ich vielleicht in ein Altersheim gehen muss, auch auf türkisch reden zu können. Auch die Medienberichterstattung sollte sich ändern – man sollte auch Positives über Fremde berichten. (Heidi Weinhäupl, derStandard.at 5.7.2007)

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    Das Schicksal eines Mannes, welches sehr schön verdeutlicht, dass eine pauschale Abweisung von Menschen nicht sein kann. Nicht sein darf!

  2. #2
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    Augenzwinkern AW: In der Türkei sagen sie: "Schau, da kommt ein Deutscher"

    Zitat Zitat von Alevi_Playa Beitrag anzeigen
    Isleyen: Damals in Österreich, da gab es keine türkischen Geschäfte, Moscheen, Lokale – damals waren wir zu wenige Leute hier. Das war 1976.
    Die gute alte Zeit...

  3. #3
    Vorstand der Stammchatter Benutzerbild von Mark Mallokent
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    Standard AW: In der Türkei sagen sie: "Schau, da kommt ein Deutscher"

    Ganz heimisch wird man im Ausland nie. Damit muß man leben. :]
    Ich stehe hier, ein Herkules mit Fackeln! Sie sollen lodern, leuchten, knistern und auch knackeln!
    Mitglied der FDL

  4. #4
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    Standard AW: In der Türkei sagen sie: "Schau, da kommt ein Deutscher"

    Zitat Zitat von Mark Mallokent Beitrag anzeigen
    Ganz heimisch wird man im Ausland nie. Damit muß man leben. :]
    Es geht ja nicht darum ob man sich selber heimisch fühlt, sondern dass man nicht akzeptiert wird. Dieser Mann kann doch als vollendetes integrales Element der Gesellschaft gesehen werden und trotzdem: Nee der ist Türke!
    Was macht dann die Forderung der hiesiigen Forenbevölkerung für einen Sinn, wenn sich am Ende doch nichts ändert, egal wie weit man sich anstrengt

  5. #5
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    Standard AW: In der Türkei sagen sie: "Schau, da kommt ein Deutscher"

    Zitat Zitat von Alevi_Playa Beitrag anzeigen
    ... Dieser Mann kann doch als vollendetes integrales Element der Gesellschaft gesehen werden und trotzdem: Nee der ist Türke! ...
    Soll sich der Mann bei den restlichen 90% seiner Landsleute bedanken daß das so ist. Und auch die Ummah des heute existierenden Islam dabei nicht vergessen ...


    P.S.: Jammer doch nicht immer so jämmerlich!

  6. #6
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    Standard AW: In der Türkei sagen sie: "Schau, da kommt ein Deutscher"

    Zitat Zitat von Alevi_Playa Beitrag anzeigen
    Es geht ja nicht darum ob man sich selber heimisch fühlt, sondern dass man nicht akzeptiert wird. Dieser Mann kann doch als vollendetes integrales Element der Gesellschaft gesehen werden und trotzdem: Nee der ist Türke!
    Was macht dann die Forderung der hiesiigen Forenbevölkerung für einen Sinn, wenn sich am Ende doch nichts ändert, egal wie weit man sich anstrengt
    Ich habe den Eindruck, daß es dem Mann doch gar nicht schlecht geht, und er im Ganzen doch durchaus zufrieden ist. Und völlig perfekt ist eben nichts.
    Ich kenne das Problem. Ich wohne selbst im Ausland. Aber that's life. :]
    Ich stehe hier, ein Herkules mit Fackeln! Sie sollen lodern, leuchten, knistern und auch knackeln!
    Mitglied der FDL

  7. #7
    GESPERRT
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    Standard AW: In der Türkei sagen sie: "Schau, da kommt ein Deutscher"

    Zitat Zitat von George Rico Beitrag anzeigen
    Die gute alte Zeit...
    NOSTALGIE

  8. #8
    Mitglied Benutzerbild von esperan
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    Standard AW: In der Türkei sagen sie: "Schau, da kommt ein Deutscher"

    Zitat Zitat von George Rico Beitrag anzeigen
    Die gute alte Zeit...
    Stimmt.
    Unsere Demokratie ist die schlechteste Staatsform - doch es gibt keine bessere ...

  9. #9
    GESPERRT
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    Standard AW: In der Türkei sagen sie: "Schau, da kommt ein Deutscher"

    Zitat Zitat von Achsel-des-Bloeden Beitrag anzeigen
    Soll sich der Mann bei den restlichen 90% seiner Landsleute bedanken daß das so ist. Und auch die Ummah des heute existierenden Islam dabei nicht vergessen ...


    P.S.: Jammer doch nicht immer so jämmerlich!
    Selbstkritik scheint für dich ein Fremdwort zu sein. Es sind immer die anderen...

    EDIT: Hast du für deine Phantasiezahl von 90% auch eine wissenschaftlich fundierte Analyse und Quelle. Ansonsten bitte hör auf mit pauschalen Statuierungen. Meines Wissens hat Deutschland schon viele Jahre keinen Propagandaminister mehr.
    Geändert von Alevi_Playa (04.07.2007 um 20:55 Uhr)

  10. #10
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    Standard AW: In der Türkei sagen sie: "Schau, da kommt ein Deutscher"

    Zitat Zitat von Alevi_Playa Beitrag anzeigen
    Es geht ja nicht darum ob man sich selber heimisch fühlt, sondern dass man nicht akzeptiert wird. Dieser Mann kann doch als vollendetes integrales Element der Gesellschaft gesehen werden und trotzdem: Nee der ist Türke!
    Was macht dann die Forderung der hiesiigen Forenbevölkerung für einen Sinn, wenn sich am Ende doch nichts ändert, egal wie weit man sich anstrengt
    nun es ist sicher für den Mann bedauerlich, wenn er seinen Lebensabend ohne ein bisschen Heimat (im Sinne von Geburtsland)
    verbringen muß. Auch in Deutschland würden viele Türken die ihr Arbeitsleben hier verbracht haben, gerne ein zumindest türkischsprechende Betreuung haben und das sehe ich durchaus als Sinnvoll an!
    Da ich im Ruhrgebiet leben, habe ich (anders als das Pack in Berlin) viele gut integrierte Menschen türkischer Herkunft in meinem Arbeitsleben kennengelernt und denen würde ich wünschen das man mehr auf sie eingeht, wenn sie zb. ins Altenheim/Krankenhaus kommen!

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