Der Bundesrechnungshof und führende Finanzexperten haben die Haushaltspolitik der Bundesregierung massiv kritisiert.
„Uns drohen in Deutschland argentinische Verhältnisse“, sagte der Freiburger Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen FOCUS. „Wenn Wachstum und Verschuldung so weiter laufen wie bisher, sind wir in 30 bis 40 Jahren finanziell wie wirtschaftlich das Schlusslicht West-Europas.“
Bundesrechnungshof-Präsident Dieter Engels sagte: „Ich habe Zweifel, ob der Entwurf des Bundeshaushalts 2005 den Anforderungen an eine stabilitätsorientierte Haushaltspolitik gerecht wird.“ So sei es „sehr problematisch“, mit den Erlösen aus dem Verkauf von Bundesanteilen an der Deutschen Post und der Telekom laufende Ausgaben zu finanzieren.
Schließlich habe sich der Bund dazu verpflichtet, für die Pensionen der ehemaligen Postbediensteten aufzukommen. „Die Anteile werden aber spätestens im Jahr 2006 vollständig veräußert sein“, kritisierte Engels. „Dann werden diese Versorgungslasten in dreistelliger Milliardenhöhe künftige Bundeshaushalte belasten.“ Engels appellierte an die Haushaltspolitiker, Privatisierungserlöse nur noch zur Schuldentilgung einzusetzen: „Der Vermögensabbau wird dann durch eine entsprechende Entlastung bei den Zinsausgaben kompensiert.“
Außerdem verlangte der Rechnungshof-Präsident ein generelles Verschuldungsverbot in der Verfassung. Bislang schreiben das Grundgesetz und viele Länderverfassungen nur vor, dass die Neuverschuldung nicht höher sein dürfe als die Investitionen. „Wir brauchen eine neue Regel mit mehr Biss“, sagte Engels. „Die Aufnahme von Krediten sollte nur noch ausnahmsweise etwa in wirtschaftlichen Krisenzeiten erlaubt sein. Außerdem sollte die Tilgung bereits bei jeder Schuldenaufnahme verbindlich festgeschrieben werden.“
Der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Wolfgang Wiegard, forderte eine schnellere Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. „Wir dürfen die erforderliche Haushaltskonsolidierung nicht immer weiter rausschieben“, sagte Wiegard zu FOCUS. „Die Konjunktur zieht doch in diesem Jahr an.“ Er frage sich, wenn die Schulden nicht bei einem Wachstum von 1,7 Prozent wie in diesem Jahr eingedämmt würden, wann dann.