Christliche Fundamentalisten rüsten für den Endkampf
evangelikaler Protestantismus ein integraler Bestandteil der Kultur
“Christliche Fundamentalisten” - das klingt zunächst wie eine kleine Minderheit religiöser Fanatiker, die sich irgendwo unter der modernen, aufgeklärten Gesellschaft verstecken. Laut dem Artikel Rechts und fromm von Susan Neiman sieht die Lage ganz anders aus: Die Weltanschauung, welche die Bibel für Gottes Wort und alleinige Wahrheit hält, gewinnt weltweit immer mehr Anhänger.
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Christliche Fundamentalisten, zu denen ich hier auch die Evangelikalen, die “Endzeitchristen”, zähle, warten laut Neiman auf die kurz bevorstehende Wiederkehr von Jesus Christus und auf das jüngste Gericht, welches Jesus laut der Offenbarung des Neuen Testaments mit sich bringt. In dieser Bibelpassage wird die Vernichtung aller Un- und Andersgläubigen durch Gott beschrieben.
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Der Heilsplan der Evangelikalen zur Erzielung eines letzten Gerichts enthält reinen Kapitalismus ohne staatliche Eingriffe, Militarismus inklusive Atomwaffengebrauch und US-amerikanische Weltherrschaft. Begründung: Das alles soll Jesus vorgelebt haben.
Tatsächlich finden sich militaristische Stellen im Neuen Testament - man muss die pazifistischen Passagen allerdings gewollt überlesen und zusätzlich über eine ausufernde Fantasie verfügen, um sie auf die moderne Zeit zu übertragen. So sagt Jesus Christus laut Matthäus 10, 34-38: “Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen , sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, den Sohn mit seinem Vater zu entzweien, die Tochter mit ihrer Mutter, die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter. So werden des Menschen Feinde seine eigenen Hausgenossen.” Kein Wunder, dass Priester derartige Passagen in europäischen Gottesdiensten verschweigen.
Der US-Imperialismus, den Evangelikale anstreben, lässt sich jedoch in keinster Weise mit der Offenbarung begründen. Im Gegenteil: Die Offenbarung ist eine radikale Absage an den Imperialismus der Römer - ein Punkt, in dem sich frühe Juden und Christen einig waren. Und warum der jüdische Wanderprediger Jesus an der Weltherrschaft der USA - die es damals noch gar nicht gab - interessiert gewesen sein soll, erklären John F. und John E. Walvoord, zwei christliche Fundamentalisten, folgendes über Jesus:
“Bei seinem ersten Kommen auf dieser Erde wurde Jesus Christus in einem Stall geboren, relativ unbemerkt von der Welt […] in einer Zeit relativen Friedens […] Das zweite Kommen Christi wird keine ruhige Krippenszene sein. Es wird das dramatischste und erschütterndste Ereignis in der gesamten Geschichte des Universums sein. […] Alle bösen Heerscharen werden vernichtet […] Städte werden buchstäblich zusammenfallen, Inseln versinken und Berge verschwinden. […] Und so werden die Herrscher und Armeen, die sich der Wiederkehr Christi widersetzen, in einem Massenblutbad vernichtet.”
Der Islam ist für fundamentalistische Christen das Werkzeug des Bösen. Ihrer Ansicht nach haben Christentum und Islam keine gemeinsamen Wurzeln. Alle Muslime, die in Länder mit “abendländischer Kultur” eingewandert sind, sollen Teil des “dämonischen Systems” des Islams sein.
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Egal, ob Hitler biblische Prophezeiungen erfüllen wollte oder nicht, christliche Fundamentalisten wollen es auf jeden Fall. Und eines steht fest: Sobald die Evangelikalen der Meinung sind, Jesus sei nach Israel zurückgekehrt, geht es den Juden an den Kragen, mal wieder. Diesmal sind jedoch auch die Moslems dran, genau wie natürlich die Hauptfeinde aller Religionen, die Atheisten.
Ungläubige wurden in der amerikanischen Geschichte schon immer als das Böse und Unmoralische schlechthin dargestellt. In Ungläubig - und das ist auch gut so schreibt Ralf Grötker und bezieht sich auf Umfragen in den USA, dass Amerikaner “eher jemanden zum Präsidenten wählen, der entweder schwarz, homosexuell, weiblich oder Mormone wäre, als einen atheistischen Kandidaten.” Dieser Umstand erhält besondere Brisanz durch die Tatsache, dass 60 % aller amerikanischen Wissenschaftler und 93 % der Mitglieder der National Acadamy of Sciences Atheisten sind. Ein Großteil der geistigen Elite des Landes glaubt nicht an Gott.
Doch nicht nur Ungläubige, auch moderate Christen kommen nach den Vorstellungen der Evangelikalen vor das jüngste Gericht der religiösen Rechten, wie überhaupt jeder, der ihre Wahnvorstellungen nicht teilt. Für immer mehr Menschen ist das Mittelalter nicht die Vergangenheit, sondern die Zukunft.
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Ein Teil der Evangelikalen ist jedoch gemäßigt
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Friede sei mit allen Schäfchen Gottes.