Wie John Bloor Triumph neu erfunden hat
Ein technisch ahnungsloser Bauunternehmer aus der britischen Provinz kaufte die Marke Triumpf und erschuf ein völlig neues Motorrad. Mehr noch er verzichtet 21 Jahre auf Gewinn. Die Geduld hat sich ausgezahlt.
Dieser langweilig aussehende Mensch. Aus dieser öden Gegend Mittelenglands... wenn er bloß wollte! Diesem Mister Bloor würde die Königin gern und gleich alle Ehren erweisen. Aber dieser John Bloor ist ein stiller Mann aus der Provinz. Es wäre ihm peinlich, geadelt zu werden. Ein einfacher Mann ohne Ausbildung, ohne Grundschulabschluss. Mit 15 hatte er begonnen, mit Kelle und Mörtelbütt Geld zu verdienen. Wenn Elisabeth II ihn fragte, ob er Sir sein wolle, John würde tonlos, wie immer antworten: "Thanks. But no."
Triumph Speed Triple
Er hasst Anerkennung und Bewunderung. Er lehnt auch Fotografiertwerden ab, die Interviews, zu denen er sich aus Geschäftsinteresse zwingt, erduldet er nur eine halbe Stunde - höchstens. Aber vor ein paar Monaten haben sie ihn doch drangekriegt. Hereingelegt vermutlich. Oder er hatte es nicht geschafft, sich rechtzeitig zu verdrücken. Unglücklich, versteinert ließ John Bloor den Festakt der Universität Leicester über sich ergehen. Jetzt ist er Doktor, und was ist so ein Dr. jur. Tinnef.
Triumph Bonneville
Bescheiden ist er deshalb nicht. Wertschätzung, Ehre hebt ihn nicht. Es nötigt ihn nur zu angestrengter Höflichkeit. John Bloor hätte gern die Erscheinung einer Staubflocke. Hintergrund Filz.
Dezenz und Blässe bei Bloor bleichen ein bisschen das Grelle einer Tat, die so radikal, so spleenig und so ernst noch niemand sonst begangen hat. Damit ist nicht gemeint, dass Bloor als Teenie eine der großen Baufirmen Englands gründete, hochbrachte - und bis heute hohe Rendite daraus bezieht. Den Abstand zu Bloor macht aus, dass er noch eine zweite Firma aufbaute - mit einer bewundernswerten Begabung, biblischer Geduld und dem Blick für das ganz, ganz große Spiel im Leben.
Triumph Legend TT
21 Jahre lang investierte Bloor einen großen Teil der Gewinne aus seiner Bloor Holding Ltd. in eine fremde Branche - in den Maschinenbau. Ohne irgendeine, irgendwie biografisch begründete Begeisterung baute Bloor eine Motorradfabrik - mit dem legendären, historischen Namen Triumph. An die Namensrechte, überhaupt an die Idee, sich als Selfmade-Industrieller mit BMW, Honda, Harley-Davidson oder Kawasaki anzulegen, kam er 1983 über das Gelände der Konkursfirma Triumph.
Triumph Daytona
Bloor kaufte die Markenrechte für 105 000 Pfund, machte die drei tüchtigsten Fachleute des zusammengebrochenen Traditionsunternehmes ausfindig und flog mit ihnen zu den Weltbesten der Branche - nach Japan.
Suzuki, Honda, Yamaha - das, was die britische Botschaft diesem skurrilen Herrn Bloor vermittelte, hatte touristische Qualitäten. Nur Kawasaki war okay. Bloor guckte sich Fertigungsmaschinen und Produktionsabläufe an. Details kriegten die Four aus Britain nicht mit. Aber das Prinzip.
Triumph Thruxton
Zwei Kilometer neben dem alten Triumphgelände kaufte Bloor in Hinckley ein Fabrikareal und stellte ein paar just examinierte Maschinenbau-Studenten ein. Die kleine Motorrad-Crew ging sofort daran, einen neuen, topmodernen Riesenmotor zu planen: Vier Zylinder, 1200 ccm. Wobei, sagten sich die Jungs von Neu-Triumph, wobei wir auch einen Zylinder weglassen könnten. Derselbe Motor, die gleiche Konstruktion, aber kleiner - halt mit drei Zylindern. Bisschen ungewöhnlich bis gaga, rein technisch aber drin. Bloor bestellte für rund 120 Mio. Dollar die gleichen Produktionsmaschinen in Japan. Bezahlt ohne einen einzigen Cent Kredit. Motorräder mit drei Zylindern - es ist 1984 die beste Idee der neueren Firmengeschichte gewesen.
Den überraschenden Brachial-Entscheidungen des Hauses Triumph ist anzumerken, dass sie nicht durch eine hierarchische Instanzen- und Gremienspirale durchkonferiert sind. 1995 etwa der Beschluss zur Speed Triple Typ T509, eine 108 PS starke, wendige, aber aggressiv hässliche Dreizylindermaschine. Ein Hooligan-Motorrad. Ein drahtig-muskulöses Drecksteil für abgefuckte Streetfighter - Triumph schob dieses Motorrad listig in die Nähe von Krawattenträgern, die gern den Knoten lockern und heimlich, ab und an, gern auch mal Kerle mäßig krass drauf wären.
Triumph Tiger
Im Sommer 2004 rollten Bloors Jungs den mächtigsten Brummer im Motorrad-Serienbau vor die Werkstore: Ein elefantöser 360 Kilo-Kraftmeier mit 2,3 Liter Hubraum. Wieder drei Zylinder. Mit 140 PS und einem unbeherrschbaren Drehmoment. Triumph drosselte künstlich den Bumms der Maschine - weil der Monstermotor die 24 Zentimeter breite Hinterrad-Walze noch im 3. Gang qualmend durchzog. Die Amerikaner lieben Triumph für diese Rocket III.
21 Jahre lang, vom Kauf der Namensrechte 1983 bis zum ersten Jahr mit schwarzer Bilanz 2004 hat Bloor einen großen Teil seines Vermögens in Triumph investiert - insgesamt mindestens 230 Mio. Euro. An zwei Tagen in der Woche erledigt er routiniert, fast linkerhand die Geschäfte seiner Bau-Holding. Den Rest der Woche fährt Bloor mit seinem Landrover zum Triumph-Werk nach Hinckley. Die Fabrik ist neu, mit 161 000 Quadratmetern vier Mal so groß wie der erste Gebäudekomplex ein paar hundert Meter nebenan. Die Maschinen der Motoren-Fertigungsstraßen, der Endmontagebänder stammen von den weltbesten Adressen - die alten aus Japan, sämtliche Neumaschinen aus Deutschland.
Triumph Rocket III
Bloor kennt nicht alle seiner 1200 Mitarbeiter in England und im thailändischen Zuliefer-Werk. Aber die meisten. Er hat sie im Vorübergehen eingestellt - der Chef hat kein Büro. Auch keine Sekretärin, kein Sekretariat, kein Vorzimmer. Kein Schreibtisch, nicht einmal ein Notizbuch. Er merkt es sich. Termine, Sachverhalte, Zahlen, Daten, Entscheidungen und Bedingungen.
Bloor erscheint pünktlich zum Interview. Es ist in einem der Konferenzräume angesetzt, die sich den Flur entlang reihen. Einen von denen belegt Bloor, wenn er Tisch und Telefon braucht. Zum Entsetzen seiner drei Mitarbeiter am Tisch beredet der Chef das große, unerklärte Thema - den Grund: Warum gibt es Triumph-Motorräder? Bloor erledigt das halblaut und in so britisch-lapidarem Stil, dass das Kleiderrascheln im Raum allmählich vereist, Stille, Reglosigkeit.
Triumph, Motorräder - es sei 1983 tatsächlich ein Zufall gewesen, sagt Bloor. Er war 40 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder. Dazu sein Bau-Unternehmen, das praktisch anstoßfrei, selbstläuferisch werkelte als ein Perpetuum Mobile. Der Abzug aller erdenklichen Wünsche hat sein Vermögen nicht verringern können, es wuchs sich aus in die Sinnlosigkeit.
Triumph baut 40.000 Motorräder im Jahr, elf Modelle mit vier Motoren-Linien. Mit dem Ergebnis 2006 springt Triumph unter die Top-Exporteure der englischen Industrie, die Marke greift seit etwa zwei Jahren um sich wie ein Brand - in Japan um 51 Prozent zugelegt, bei den verwöhnt-nörgeligen Deutschen um 30 Prozent im laufenden Geschäftsjahr.
Aber der Erfolg ist nicht Bloors Grund gewesen. Erst recht nicht die Rendite. Das waren vor Steuern 76 Mio. Euro im vergangenen Jahr - weitere 75 Mio. Euro für Investitionen nicht mitgerechnet. Sein Grund, sagt Bloor, war das Produkt. Angefangen von Null plus Ahnungslosigkeit bis zum weltweit unschlagbaren Produkt zum Armuts-Preis.
Am kommenden Samstag, 16. Juni wird Bloor 64 Jahre alt. Er hat vor ein paar Monaten mit gemischten Gefühlen zugesehen, wie seine neue Triumph Daytona 675 die japanische Vierzylinder-Konkurrenz in Grund und Boden fuhr. Dasselbe bei der Speed Triple mit 1050ccm Hubraum und 136 PS. Elitäre Highend-Technik, unzerstörbare Qualität, für 10 990 Euro - ein Preis wie ein gewetztes Samurai-Messer.
Triumph wächst und wächst, schneller und schneller. Der sprunghafte Übergang zu einem Konzern, den Bloors Handspanne nicht greift, der ihm ins Anonyme entgleitet - bald ist es so weit. Triumph wird ihn dann schultern und wegtragen, die Firma wird eigenmächtig nach den Gesetzen von Wachstum und Wirtschaft handeln. Das fürchtet Bloor. Das will er nicht. Aber er wird sich auch nicht dagegen wehren.
Mitfühlend muss deshalb aber niemand sein. Der einzigartige, wunderbare Mr. Bloor - gewiss ist ihm schon was Neues eingefallen. Good Luck, Mr. Bloor! Und Happy Birthday.
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Was für eine Story! Ein bescheidener, sehr geduldiger und zäher, leicht "spleeniger" wie die Briten sagen würden, Unternehmer mit einer verrückten Vision, nämlich den Motorradhersteller Triumph wieder zum Leben zu erwecken, meistert sein Vorhaben mit großem Erfolg. Es scheint so, als würde er das alles lässig aus dem Ärmel schütteln.
Wie schön, dass es seit einigen Jahren die Motorradmarke Triumph, die in früheren Jahren einmal ziemlich rauhe, vorwiegend zwei-und dreizylindrige großvolumige Motorräder für echte Kerle baute, wieder gibt. Die neuen Motorrad-Modelle knüpfen auch mit ihrer eigenwilligen Optik und ihren Typenbezeichnungen wieder an die alten Modelle von Triumph an.
MfG
Noko43