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Thema: Literatur - Gedichte

  1. #11
    in memoriam Benutzerbild von Klaus E. Daniel
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    Der Zahnarzt

    Nicht immer sind bequeme Stühle
    Ein Ruheplatz für die Gefühle
    Wir säßen lieber in den Nesseln
    Als auf den wohlbekannten Sesseln.
    Vor denen, sauber und vernickelt
    Der Zahnarzt seine Kunst entwickelt.
    Er lächelt ganz empörend herzlos
    Und sagt, es sei fast beinah schmerzlos.
    Doch leider, unterhalb der Plombe,
    stößt er auf eine Katakombe.
    Die, wie er mit dem Häkchen spürt.
    In unbekannte Tiefen führt.
    Behaglich schnurrend mit dem Rädchen
    Dringt er bis zum Nervenfädchen.
    Jetzt zeige, Mensch, den Seelenadel !
    Der Zahnarzt prüft die feine Nadel.
    Mit der er er alsbald dir beweist.
    Das du voll Schmerz im Innern seist.
    Du aber hast ihm zu beweisen,
    Das du im Äußern fest wie Eisen.
    Nachdem ihr dieses euch bewiesen,
    Geht er daran, den Zahn zu schließen.
    Hat er sein Werk mit Gold bekrönt,
    Sind mit der Welt wir neu versöhnt
    Und zeigen, noch im Aug die Träne,
    Ihr furchtlos wiederum die Zähne:
    Die wir - ein Prahlhans, wers verschweigt-
    Dem Zahnarzt zitternd nur gezeigt.

    Eugen Roth "Der Wunderdoktor"
    Was ein Segen, daß die Zahnmedizin etwas weiter gekommen ist.

  2. #12
    Mitglied Benutzerbild von schwede
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    Daumen hoch!

    Herr Daniel,

    Sie sind ein As!

    Auswendig hätte ich mich nicht getraut, es zu posten, und gefunden habe ich es nicht.

    Ich bringe ein wenig Moderne hinein, wenn es Recht ist, und poste Sarah Kirsch:

    Im Sommer


    Dünnbesiedelt das Land.
    Trotz riesiger Felder und Maschinen
    Liegen die Dörfer schläfrig
    In Buchsbaumgärten; die Katzen
    Trifft selten ein Steinwurf.

    Im August fallen Sterne.
    Im September bläst man die Jagd an.
    Noch fliegt die Graugans, spaziert der Storch
    Durch unvergiftete Wiesen. Ach, die Wolken
    Wie Berge fliegen sie über die Wälder.

    Wenn man hier keine Zeitung hält
    Ist die Welt in Ordnung.
    In Pflaumenmuskesseln
    Spiegelt sich schön das eigne Gesicht und
    Feuerrot leuchten die Felder.

    Freundliche Grüsse,

    Jan

  3. #13
    in memoriam Benutzerbild von Klaus E. Daniel
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    schwede,

    habe ich doch für Sie mühsam abgetippt. Zum Sonntag.

    Gruß

    Klaus E. Daniel

  4. #14
    in memoriam Benutzerbild von Klaus E. Daniel
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    Wenn du einen Schneck behauchst, kriecht er ins Gehäuse,
    wenn du ihn in Cognac tauchst, sieht er weiße Mäuse.


    Joachim Ringelnatz

  5. #15
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    Christian Morgenstern
    Die Korfsche Uhr

    Korf erfindet eine Uhr,
    die mit zwei Paar Zeigern kreist,
    und damit nach vorn nicht nur,
    sondern auch nach rückwärts weist.

    Zeigt sie zwei, - somit auch zehn;
    zeigt sie drei, - somit auch neun;
    und man braucht nur hinzusehn,
    um die Zeit nicht mehr zu scheun.

    Denn auf dieser Uhr von Korfen,
    mit dem janushaften Lauf,
    (dazu ward sie so entworfen):
    hebt die Zeit sich selber auf.

  6. #16
    Rachegöttin Benutzerbild von Nemesis
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    In Fontanes W.d.d.M.B. gefunden:

    Und daß dem Netze dieser Spreekanäle
    Nichts von dem Zauber von Venedig fehle,
    Durchfurcht das endlos wirre Flußrevier
    In seinem Boot der Spreewalds-Gondolier.

    ++++++++++++++++++++++++

    »Wo liegt Schloß Köpenick?«
    An der Spree;
    Wasser und Wald in Fern und Näh’,
    Die Müggelberge, der Müggelsee.

    ++++++++++++++++++++++++

    Es rührt kein Blatt sich, alles schläft und träumt,
    Nur jezuweilen knistert's in den Föhren,
    Die Nadel fällt – es ruht der Wald.

    Scherenberg

    ++++++++++++++++++++++++

    Glatt ist der See, stumm liegt die Flut,
    So still, als ob sie schliefe,
    Der Abend ruht wie dunkles Blut
    Rings auf der finstern Tiefe;
    Die Binsen im Kreise nur leise
    Flüstern verstohlenerweise.

    Schnezler

    ++++++++++++++++++++++++

    Gestern noch auf stolzen Rossen,
    Heute durch die Brust geschossen,
    Morgen in das kühle Grab.

    ++++++++++++++++++++++++

    ...zähl ich doch beispielsweise folgende Strophe zu den gelungensten Schilderungen einer herbstlichen Landschaftsstimmung:

    Es sauste der Herbstwind durch Felder und Busch,
    Der Regen die Blätter vom Schlehdorn wusch,
    Es flohen die Schwalben von dannen,
    Es zogen die Störche weit über das Meer,
    Da ward es im Lande öd und leer,
    Und die traurigen Tage begannen.

    (Schmidt von Werneuchen)
    Eine der erogensten Zonen der Frau ist ihre Intelligenz.
    (Shirley MacLaine Beaty)

  7. #17
    in memoriam Benutzerbild von Klaus E. Daniel
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    Liebeslied

    Wie soll ich meine Seele halten,
    daß sie nicht an deine rührt?
    Wie soll ich sie hinheben
    über dich
    zu andern Dingen?
    Ach gerne möcht ich sie
    bei irgendwas Verlorenem
    im Dunkel unterbringen
    an einer fremden stillen Stelle,
    die nicht weiterschwingt,
    wenn deine Tiefen schwingen.
    Doch alles,
    was uns anrührt,
    dich und mich,
    nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
    der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
    Auf welches Instrument sind wir gespannt?
    Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
    Oh - süßes Lied …

    Rainer Maria Rilke

  8. #18
    Rachegöttin Benutzerbild von Nemesis
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    Ebenfalls den Wanderungen von T. Fontane entnommen

    Es war am 19. August 1813 – so entnehm ich alten, durch Friedrich Tietz* veröffentlichten Aufzeichnungen –, als an den Straßenecken Berlins und zugleich in der »Vossischen« und »Spenerschen Zeitung« folgende Bekanntmachung erschien:

    Preußischer Frühling im Januar 1859

    Noch ist es lang hin bis zum Frühlingsgrün,
    Bis zu Blütenduft und Blumenblühn,
    Bis zum Jubel der kleinen Waldvögelein,
    Bis zum Fluge der Schwalben im Sonnenschein.
    Und dennoch aus fernem, aus warmem Land,
    Wohin der Winter den Flücht'gen verbannt
    Ist heimgekehrt ein verfrühter Gast,
    Ein allbekannter, zu erneuter Hast.
    Er sucht sich die höchsten Giebel wohl aus
    Und baut dort sein Nest auf der Menschen Haus,
    Und wo er es tut, tönt's ihm entgegen:
    »Willkommen! Du bringst dem Hause Segen!«
    Wer mag noch fragen zu dieser Stund,
    Welchen Gast wir meinen? Des Volkes Mund
    Ruft jubelnd aus: »Nun ist er da!
    Der Storch ist gekommen! Viktoria!«
    Und alle schaun herzfreudigen Blicks
    Hinauf zur erwählten Stätte des Glücks,
    Zum Königspalast, des höchste Spitze
    Der schwarzweiße Vogel erwählt zum Sitze.
    Der Adler daneben dehnt majestätisch
    Die Fittiche aus und spricht gravitätisch:
    »Weil du, mein beflügelter Herr Kumpan,
    Am Preußenland so was Braves getan,
    So will ich dich ehren fortan als Freund
    Und hoff, wir sehn uns hier oft noch vereint!«
    Der Storch beugt sein langbeschnäbeltes Haupt
    Und spricht: »Wenn's gnädigst mir ist erlaubt,
    So bring ich alljährlich, was heut ich gebracht.«
    Da hat der preußische Adler gelacht:
    »Herr Vogel-Bruder, ich halt dich beim Wort!
    Vermehre du fleißig der Preußen Hort;
    Der Storch bringt den Segen, ihn hütet der Aar,
    Und Gott schützt das Haus jetzt und immerdar!«

    So haben die beiden Luftsegler da oben
    Es abgesprochen – wir können's nur loben.
    Und drinnen im Haus singt ins Land hinein
    Sein erstes Lied unser Prinzlein klein. –

    »Gott laß dich wachsen, du kleiner Mann,
    Bis du reichst zum Großen Fritze hinan!«
    Eine der erogensten Zonen der Frau ist ihre Intelligenz.
    (Shirley MacLaine Beaty)

  9. #19
    in memoriam Benutzerbild von Klaus E. Daniel
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    Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,
    behaart und mit böser Visage.
    Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt,
    die Welt asphaltiert und aufgestockt
    bis zur dreißigsten Etage.

    Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,
    in zentralgeheizten Räumen.
    Da sitzen sie nun am Telefon,
    und es herrscht genau derselbe Ton
    wie seinerzeit auf den Bäumen.

    Sie hören weit, sie sehen fern.
    Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
    Sie putzen die Zähne, sie atmen modern.
    Die Erde ist ein gebildeter Stern
    mit sehr viel Wasserspülung.

    Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.
    Sie jagen und züchten Mikroben.
    Sie versehn die Natur mit allem Komfort.
    Sie fliegen steil in den Himmel empor
    und bleiben zwei Wochen oben.

    Was ihre Verdauung übrigläßt,
    das verarbeiten sie zu Watte.
    Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.
    Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,
    daß Cäsar Plattfüße hatte.

    So haben sie nun mit dem Kopf und dem Mund
    den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
    Doch davon mal abgesehen und
    bei Lichte betrachtet sind sie im Grund
    noch immer die alten Affen.


    Erich Kästner

  10. #20
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    Berlin

    wenn die Brücken, wenn die Bogen
    von der Steppe aufgesogen
    und die Burg im Sand verrinnt,
    wenn die Häuser leer geworden,
    wenn die Heere und die Horden
    über unseren Gräbern sind,

    eines kann man nicht vertreiben:
    dieser Steine Male bleiben
    Löwen noch im Wüstensand,
    wenn die Mauern niederbrechen,
    werden noch die Trümmer sprechen
    von dem großen Abendland.

    Gottfried Benn
    Und nicht nur diese, sondern auch die im verlorenen Osten.

    K.E.D

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