250 Milliarden Euro flossen bislang in den Aufbau des Ostens.
Gleichzeitig bröckelt es in den alten Bundesländern an vielen Ecken
Jetzt ist mal der Westen dran!
Politiker fordern eine gerechtere Verteilung
Berlin – Die aufsehenerregendste Studie dieser Woche kam aus der Schweiz. Die Wirtschaftsforscher des Instituts Prognos fanden heraus: Mehr als 16 Jahre nach der Einheit kann man in Deutschland nicht mehr vom armen Osten und vom reichen Westen sprechen.
Der Osten hat aufgeholt, oft sogar schon überholt!
So haben beispielsweise Dresden, Potsdam und Jena bei der Wettbewerbsfähigkeit West-Metropolen wie Köln oder Frankfurt am Main abgehängt.
Eigentlich kein Wunder: Mehr als 250 Milliarden Euro sind seit der Wiedervereinigung in den Aufbau Ost geflossen. Bis 2019 hat die Bundesregierung weitere 156 Milliarden zugesagt. Zählt man alle Sozialtransfers (zum Beispiel für Rente und Arbeitsmarkt) dazu, haben die neuen Länder sogar 1,4 Billionen Euro erhalten.
Und während viele Landschaften im Osten blühen, verkommen in den alten Ländern Straßen und Schulen, verfallen Theater und Kasernen. Schließlich wurde im Westen seit den 90er-Jahren kaum investiert oder repariert.
Fast überfällig klingt da die Forderung, die Spitzenpolitiker wie Bürgermeister nun erheben: Jetzt ist mal der Westen dran!
Harald Fichtner, Oberbürgermeister der nordbayerischen Stadt Hof, klagt: „Ein Großteil der Bevölkerung hat wenig Verständnis, dass wir unseren eigenen Verwaltungshaushalt nicht mehr finanzieren können, aber gleichzeitig verpflichtet sind, die Solidarmittel für den Osten zu zahlen.“ Fichtner bleibt nur Galgenhumor: „Es gibt bei uns hier einen Witz: Sagt ein Vater in Sachsen zu seinem Sohn: ,Wir fahren mal nach Nordbayern und schauen uns dort an, wie die Straßen bei uns früher ausgesehen haben.‘“
Peter Demnitz, Oberbürgermeister von Hagen (Nordrhein-Westfalen), schimpft: „Seit Jahren pumpen wir Geld in den Osten, das uns hier dringend fehlt. Wir haben 700 Millionen Euro Schulden, einen Investitionsstau von fast 90 Millionen, zahlen aber immer noch an den Osten. Dabei bräuchten eigentlich wir Geld aus dem Solidarpakt.“
Einen Aufbau West verlangt auch Hannelore Kraft, SPD-Chefin in Nordrhein-Westfalen.
Kraft zu BILD am SONNTAG: „Wir müssen die gesamte Ost-Förderung neu überdenken. 16 Jahre nach der Einheit müssen wir endlich davon wegkommen, Unterstützung nach der Himmelsrichtung statt nach der Bedürftigkeit zu verteilen.“
Kraft weiter: „Bei uns gibt es Städte, zum Beispiel im Ruhrgebiet, die nicht mehr wissen, wie sie Kindergärten bezahlen sollen. Trotzdem sind sie verpflichtet, weitere Schulden zu machen, um Geld in Boom-Regionen im Osten zu überweisen.“
So sei Dresden schuldenfrei, erhalte aber jährlich weiterhin 300 Millionen Euro Fördermittel.
Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) kritisiert: „Wir haben Investitionen in den vergangenen Jahren zu stark gekürzt. Jetzt müssen wir die Investitionsquote erhöhen, ohne den Sparkurs zu verlassen. In den alten Bundesländern ist ein Nachholbedarf entstanden, der muss nun ausgeglichen werden.“
Auch in der Bundesregierung hat man das Problem erkannt.
Bauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sagt BILD am SONNTAG: „Unsere öffentlichen Bauten sind vielerorts in einem beklagenswerten Zustand. Deshalb brauchen wir einen Investitionspakt zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, um Kindergärten, Schulen und Turnhallen zu sanieren.“ Dies werde den vielerorts bestehenden Investitionsstau auflösen.
Tiefensee, der in der Regierung für die neuen Länder zuständig ist, weiter: „Der Osten hat aufgeholt, etwa bei der Infrastruktur. Deshalb werden jetzt vor allem die Autobahnen im Westen grundsaniert und das ist bitter nötig. Zehn Milliarden Euro stecken wir in den nächsten fünf Jahren in die Reparatur der Fernstraßen.“
Schwache West-Regionen will Tiefensee in Zukunft gezielt fördern.
Der Bauminister: „Im Osten gibt es einige wenige Städte und Regionen, die mithalten können und das ganze Umland mitziehen müssen. Im Westen ist es genau umgekehrt: Neben vielen prosperierenden Städten und Regionen gibt es einige, die den Anschluss verlieren. Hier müssen wir helfen. So haben wir extra die ursprünglich nur für den Osten gedachten Stadtumbauprogramme auf den Westen ausgeweitet. 56 Millionen Euro stehen jährlich zur Verfügung.“