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Thema: Genozid an den Armeniern

  1. #1
    A.D. Benutzerbild von Siran
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    Standard Genozid an den Armeniern

    Wir hatten vor einiger Zeit schon mal einen Thread darüber, aber da der am Ende doch merklich vom Thema abgekommen war, will ich hierfür jetzt einen neuen Strang eröffnen. Ich bin durch Zufall auf eine Webseite gestoßen, die die Korrespondenz der deutschen Botschafter, Konsuln, etc. in dieser Zeit veröffentlicht. Das ist nur ein Ausschnitt, auf der Seite befinden sich noch wesentlich mehr Berichte, die sich mit dem Thema befassen.

    Von Konsulat Aleppo (Rößler) an Botschaft Konstantinopel (Wolff-Metternich) 3.1.1916

    Ende Oktober hatte die Verschickung die armenische Bevölkerung ganz Anatoliens bis vor die Thore Konstantinopels und Smyrnas ergriffen. Unberührt geblieben waren nur noch die Stadtbevölkerung Konstantinopels - von wo jedoch zahlreiche "verdächtige" Personen abgeschoben zu sein scheinen - von Smyrna und von Aleppo. Die Aleppiner Armenier scheinen ihr Verbleiben bisher hauptsächlich dem Widerstande solcher einheimischer Kreise zu verdanken, die bei ihrem Verschwinden grosse Geldverluste erleiden würden.

    Zurückgeblieben sind zum Teil - anscheinend zum kleinsten Teile - vorläufig die Familien armenischer Soldaten, soweit sie ohne sonstigen männlichen Schutz sind. Wo ihre Verschickung erfolgt ist, wird als Entschuldigung angeführt, alle armenischen Soldaten seien desertiert, eine Behauptung, die in dieser Ausdehnung unmöglich und nachweisbar tatsächlich falsch ist.
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    Von Konsulat Aleppo (Rößler) an Botschaft Konstantinopel 3.1.1916

    Nach den Verschickungen vor einigen Monaten waren noch sieben bis acht tausend Armenier in Aintab geblieben. Von diesen sind jetzt 5 bis 6000 ohne Unterschied der Konfession teils schon verschickt teils in Verschickung begriffen anscheinend auf Befehl von militärischer Seite unter dem wahrscheinlich falschen Vorwand der Anteilnahme am Widerstand der Stadt Urfa. Auch die letzte protestantische Kirche in Aintab ist jetzt geschlossen.
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    Von Konsulat Aleppo (Rößler) an Botschaft Konstantinopel 10.1.1916

    Armenier aus Aintab schon 3 oder 4 Jahre hier wohnhaft sind aufgefordert Aleppo obgleich einer Woche zu verlassen.

    Anzeichen deuten darauf hin daß auch die in Aleppo ansässigen Armenier verschickt werden sollen. Eine Liste scheint zu diesem Zwecke von der Behörde aufgestellt zu werden. Die systematisch erfolgten Weiterverschickungen wohl im Widerspruch zu dem was Djemal Pascha in Constantinopel durchgesetzt hatte.
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    Von Konsulat Aleppo (Rößler) an Botschaft Konstantinopel 12.1.1916

    3000 früher von Aleppo nach Killis gesandte und dort verhältnismäßig gut aufgehobene armenische Witwen werden neuerdings nach Deïr Zor verschickt wobei sie überwiegend zu Grunde gehen.
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    Der Konsul in Aleppo (Rößler) an die Botschaft Konstantinopel
    23. Februar 1916
    Wali hat Schwester Rohner erklärt, die armenischen Waisen aus Aleppo sollten nach Constantinopel gebracht werden, woselbst Platz für 500 sei. Hier sind tausend darunter 400 der Schwester unterstehende, die mit fort sollen.

    Sie habe es vertraulich erfahren und hält für wahrscheinlich, dass die Regierung unterwegs Reiseziel ändern und Kinder nach Siwas schicken wolle. Das wäre Kindermord.
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    Der Konsul in Aleppo (Rößler) an die Botschaft Konstantinopel 6. April 1916

    Das armenische Konzentrationslager in Ras-el-Ain ist dieser Tage von den dicht dabei wohnenden Tscherkessen und anderen ähnlichen Leuten überfallen worden. Von den unbewaffneten 14000 Insassen ist der größte Teil niedergemacht. Einzelheiten fehlen und werden mir erst später zugehen.

    Nach anderer Quelle handelte sich es zunächst nur um 400 Familien die abgetrennt und niedergemacht worden sind.
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    Der Konsul in Aleppo (Rößler) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg) 27. April 1916

    Ueber die Verschickung der Armenier, ihre Folgen und Begleiterscheinungen habe ich zuletzt unter dem 9. Februar d.J. - K.No. 18 - berichtet und unter dem 12. d.M. - No. 1033 - der Kaiserlichen Botschaft einen von der Schwester B. Rohner ausgefüllten, für Herrn Dr. Vischer Basel bestimmten Fragebogen eingesandt. Das Sterben des Volkes hält seitdem an. Manche der nachfolgend gehorsamst berichteten Einzelzüge tun von neuem dar, dass es planvoll auf seine Aufreibung abgesehen ist.

    1) Um die mitte Februar wurden alle Kinder aus Killis nach Bab überführt, nachdem schon früher die Frauen weiterverschickt waren.

    2) Am 16. April sind die in Maarra und den umliegenden Dörfern "angesiedelten" Armenier, die grossenteils durch Hunger und Entbehrungen schon stark entkräftet waren, in Richtung Der Zor weiterverschickt worden.

    3) Am 19. April wurde hier bekannt, dass Befehl ergangen war, die bis dahin in Marasch verschont gebliebenen 9000 Armenier, den Rest von ehemals 24000, gleichfalls zu verschicken. Diese Leute hatten bei den ersten Verbannungen, in Ausführung des Befehls, sich zur Wanderung bereit zu halten, ihr letztes Hab und Gut verkauft und sind seitdem durch Entbehrungen sehr entkräftet. Mit der Ausführung des Befehls ist begonnen worden. 120 Familien sind bis zum 25. April in Aintab angekommen, von wo sie über Biredjik nach Der Zor weiter sollen. Am 26. oder 27. wird ein zweiter grösserer Schub in Aintab erwartet.

    4) Wie ich am 20. April von einem aus Der Zor kommenden türkischen Offizier erfahren habe, hat der Mutesarrif von Der Zor Befehl erhalten, nur so viel Armenier dort zu lassen, als 10 % der ansässigen Bevölkerung entspricht, den Rest aber nach Mossul weiter zu schicken. Die ansässige Bevölkerung von Der Zor mag vielleicht 20000 betragen. Die Zahl der dorthin verschickten Armenier wird auf wenigstens 15000 zu schätzen sein, so dass also mindestens 13000 fortzuschicken wären. Der Mutesarrif Suad Bey, ein menschenfreundlicher Mann, der jahrelang in Aegypten gelebt hat, ist einer der wenigen türkischen Beamten, welche die grausamen Befehle der Regierung in ihrer Ausführung zu mildern suchen; trotzdem war der Offizier der Ansicht, dass der grösste Teil der Unglücklichen verschickt werden müsse und die wenigsten davon in Mossul ankommen würden. Was Beduinen, Yesiden und Kurden übrig lassen sollten, das wird Hunger, Entbehrung und Krankheit dahinraffen.

    Nachrichten vom 19. April besagen, dass in jeder der Stationen zwischen Aleppo und Der Zor, also in Meskene, Abu Hrere, Hamam, Sabkha, täglich 50-100 Menschen sterben, davon der grösste Teil an Hunger.

    5) Am 6. April war hier bekannt geworden, dass bei Ras ul Ain wieder Massaker vorgekommen seien. Die eine Nachricht besagte, dass der grösste Teil des aus 14000 Personen bestehenden Konzentrationslagers niedergemacht sei, während nach einer anderen Nachricht 400 Familien aus dem Lager geführt und unterwegs umgebracht worden seien. Nach zuverlässigen Erkundigungen eines Deutschen, der mehrere Tage in Ras ul Ain und Umgegend gewesen ist und mich bei seiner Rückkehr von dort am 22. April besuchte, muss ich folgendes annehmen: Das Lager besteht noch aus höchstens 2000 Verbannten. Es sind einen Monat lang täglich oder fast täglich 300-500 Verbannte aus dem Lager geführt und in einer Entfernung von etwa 10 km von Ras ul Ain niedergemacht worden. Die Leichen wurden in den Fluss geworfen, der auf der grossen Kiepertschen Karte von Kleinasien, Blatt Nisebin (D VI), als Djirdjib el Hamar eingezeichnet ist und der um diese Jahreszeit viel Wasser führte. Ein türkischer Offizier, welcher wegen dieser Vorgänge den Kaimmakam von Ras ul Ain zur Rede stellte, habe die ruhige Antwort erhalten, er handle auf Befehl. Durch jene Gegend führt die Etappenstrasse der VI. Armee von Ras ul Ain nach Mossul. Da sich dort der Bau von zwei Brücken als notwendig herausgestellt hatte, die Vl. Armee aber nicht die nötigen Kräfte dafür bereit hatte, so wurde von der IV. Armee etwa am 15. April ein syrisch muhammedanisches Pionierbataillon dafür abgegeben. Diese Leute, welche in zwei Tagen von Damaskus nach Ras ul Ain befördert worden sind, von der Lage der verschickten Armenier nichts wussten und unterwegs wie anzunehmen, nicht beeinflusst worden sind, waren bei Ankunft an Ort und Stelle ganz entsetzt. Sie waren der Ansicht, dass die Armenier durch Soldaten niedergemetzelt seien. Darin kehrt also die Auffassung wieder, dass das Werk auf Befehl vollbracht worden sei. Jedenfalls war dies die in der Gegend allgemein verbreitete Ansicht. Als Henker hat der bei Ras ul Ain ansässige Tscherkessenstamm der Tschetschen gedient.

    6) Ende Februar, Anfang März wurde den Armeniern im Arbeiterbataillon Aleppo, teilweise mit Erfolg nahegelegt, zum Islam überzutreten. Im Laufe des Monats März wurden polizeiliche Listen der Armenier Aleppos als Vorbereitung für die Verschickung angefertigt und durch Polizisten die Nachricht verbreitet, die einzige Rettung vor der Verschickung sei der Uebertritt zum Islam. Als darauf eine Reihe von Familien um den Uebertritt einkam, wurden sie so behandelt, als ob die Gewährung der Bitte eine besondere Gnade sei. Man schreckte also eher wieder ab, sei es dass man unliebsames Aufsehen fürchtete, sei es, dass die Aufforderung zum Uebertritt auf andere als die verantwortlichen Stellen zurückzuführen war, sei es endlich, dass man sich nur daran weiden wollte, mit den Armeniern wie die Katze mit der Maus zu spielen.

    7) In Aleppo ist im März und in der ersten Hälfte April nicht nur auf die von ausserhalb gekommenen hier versteckten Armenier die schärfste Jagd gemacht, sondern auch mit der Verschickung der hierorts ansässigen Armenier der Anfang gemacht worden. Auch einzelne Frauen und Mädchen wurden auf der Strasse aufgegriffen und dieser Zustand zu Willkürakten von Regierungsorganen benutzt. Es wäre nicht zu verwundern gewesen, wenn die in ihrer Religion und der Ehre ihrer Frauen angegriffenen Armenier zu Akten der Verzweiflung getrieben worden wären.

    Seit dem 18. April ist in Aleppo etwas Ruhe eingetreten und zwar wie es scheint, auf Intervention der Kaiserlichen Botschaft, welche den Minister des Innern zu dem Befehl an die Ortsbehörden veranlasst hat, die Ortsansässigen, sowie Katholiken und Protestanten nicht zu verschicken. Die Form unter welcher der Wali die Pause hat eintreten lassen, war seine Zusage an die hiesige Geistlichkeit, während des Osterfestes Schonung zu gewähren. Man wagt noch nicht zu hoffen, dass die Schonzeit lange dauern oder gar die Gefahr vorüber sei. Auch sind trotz der Zusage unter der Hand immer noch einzelne verschickt worden.
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    Der Konsul in Aleppo (Rößler) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)
    17. Juni 1916

    Euer Exzellenz überreiche ich gehorsamst in der Anlage Abschrift eines Berichtes der Schwester Beatrice Rohner an Mr. Peet in Konstantinopel, mit welchem sie ihre Abrechnung über 7435 Ltq. vom 1. Januar bis 1. Juni d.J. durch sie zur Verteilung gelangte amerikanische Notstandsgelder begleitet hat. Das Original ist bereits seit einigen Tagen an den Adressaten abgegangen.

    Seit meinem Bericht vom 29. April d.J. sind die folgenden Tatsachen zu meiner Kenntnis gekommen:

    1) In Marasch ist die Verschickung der 9000 Zurückgebliebenen in vollem Gange.

    2) Das Konzentrationslager in Ras ul Ain, das Ende April noch etwa 2000 Insassen zählte, ist jetzt so gut wie leer. Die wenigsten dürften noch am Leben sein.

    3) Das Schicksal der in Aleppo befindlichen Armenier von auswärts ist noch immer in der Schwebe. Vor etwa 14 Tagen deuteten klare Anzeichen wie die Einforderung der hier ausgestellten Aufenthaltserlaubnisscheine auf die bevorstehende Verschickung. Der Wali hat wiederholt erklärt, dass er an der Absicht, den grössten Teil der hiesigen Waisenkinder nach Konia, Eskischehr und Konstantinopel zu verschicken festhalte, und sie nur mit Rücksicht auf die Ueberlastung der Bahn durch militärische Transporte noch nicht ausgeführt habe.
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    Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, daß wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen.
    (George Bernard Shaw)

    Die Demokratie setzt die Vernunft des Volkes voraus, die sie erst hervorbringen soll.
    (Karl Jaspers)

    Wenn es morgens um sechs Uhr an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, daß es der Milchmann ist, dann weiß ich, daß ich in einer Demokratie lebe.
    (Winston Churchill)

  2. #2
    A.D. Benutzerbild von Siran
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    Der Konsul in Aleppo (Rößler) an die Botschaft Konstantinopel 27. Juni 1916

    Im Anschluß an Telegramm No. 107.

    Seit dem 19. Juni hat wieder rücksichtslose Verschickung aus Aleppo begonnen. Vorwand: es handele sich um sanitäre Massregeln oder politisch Verdächtige. Auch seit langer Zeit hier ansässige sind verschickt.
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    Der Konsul in Aleppo (Rößler) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg) 29. Juli 1916

    Die von allen Seiten einlaufenden Nachrichten tun dar, dass die Armenierverfolgung unvermindert und unerbittlich anhält. Von den Deutschen, die den Euphratweg von Bagdad her zurück-kehren, ist keiner, der nicht von dieser Katastrophe den tiefsten Eindruck empfinge.

    1) Ein Beamter des höheren deutschen Reichsdienstes hat mir am 18. Juli erzählt, die Strecke von Sabkha über Hammam nach Meskene sei mit Resten von Kleidungsstücken übersät; sie sähe aus, als ob dort eine Armee zurückgegangen wäre.

    Der türkische Militärapotheker in Meskene, der dort seit 6 Monaten stationiert ist, hat ihm erzählt, dass allein in Meskene 55000 Armenier begraben seien. Dieselbe Zahl ist ihm unabhängig davon von einem türkischen Offizierstellvertreter dortselbst gleichfalls genannt worden.

    2) Aus Der Zor kam unter dem 16. Juli Nachricht, dass die Armenier den Befehl zum Weiterwandern erhalten hatten. Am 17. wurden alle Geistlichen und führenden Männer verhaftet. Bis zum 22. Juli, so war der Befehl, sollten alle Armenier wieder zum Wanderstab gegriffen haben. Nachdem schon früher von der Zentralregierung angeordnet worden war, dass nur so-viel Armenier in Der Zor bleiben sollten, als 10 Prozent der ansässigen Bevölkerung entsprach, soll nun auch der letzte Rest vertilgt werden, eine Aenderung, die möglicher-weise damit zusammenhängt, dass der menschliche Mutesarrif Suad Bey nach Bagdad versetzt ist und einen unbarmherzigen Nachfolger erhalten hat.

    Mit Peitsche und Knüppel werden wehrlose und erschöpfte Frauen und Kinder von Gendarmen geprügelt, eine Beobachtung, die schon oft gemacht und mir auch jetzt wieder von einem des Wegs gekommenen deutschen Offizier aus eigener Anschauung bestätigt worden ist.

    Einen Brief über diese Verhältnisse von Araxia Djibedjian an Schwester B. Rohner vom 16/17 Juli beehre ich mich in Abschrift hier beizufügen. Während zahlreiche Armenier durch den Untergang des Volkes aus dem geistigen Gleichgewicht gestossen sind, den Glauben verloren haben und in Verzweiflung geraten sind, ist dieser Brief ein schönes Beispiel von Standhaftigkeit und Gefasstheit im Angesicht des sicheren in der grauenhaftesten Form zu erwartenden Verderbens. Zwei weitere Briefe der gleichen Verfasserin vom 22. Juni und 12. Juli beehre ich mich gleichfalls in Uebersetzung vorzulegen, desgl. 2 Briefe armenischer Pfarrer aus Hamam und Sabkha.

    3) Ueber die Art der Ende Juni erfolgten Verschickung, der bis dahin mit Erlaubnis der Regierung bei dem Bau der Bagdadbahn in der Amanusgegend beschäftigten Armenier, gibt der in Abschrift gehorsamst beigefügte Brief der Schwester Paula Schäfer an den amerikanischen Missionar Mr. Peet in Konstantinopel Auskunft.

    4) Ein aus Diarbekr über Urfa hier angekommener deutscher Offizier hat mir am 24. Juli erzählt, dass einige Zeit vorher wieder 2000 armenische Frauen aus den östlichen und nördli-chen Gebieten nach Urfa gebracht worden sind. Es handelt sich hier offenbar um eine Nachlese von solchen die sich früher hatten versteckt halten können oder die in muhamme-danische Familien aufgenommen waren und deren man jetzt überdrüssig geworden ist.

    Auf ähnliche Zustände deutet die in Abschrift gehorsam hier beigefügte briefliche Nachricht des Diakons Künzler aus Urfa vom 22. Juli, wonach es ihm gelungen ist, 150 Waisenkinder zu unterstützen.

    5) In Aleppo ist seit dem 12. Juli die Verschickung einge-stellt, anscheinend weil ein Konflikt zwischen den oberen Behörden darüber ausgebrochen ist, dass es den reicheren Armeniern gelungen ist, Schonung zu erlangen, während die ärmeren der Polizei ausgeliefert waren. Aus Meskene ist es etwa 250 Armeniern gelungen, mit stillschweigender Duldung des dortigen Militärkaimmakams, nach Aleppo zurückzuwandern wo sie in erbarmungswürdigem Zustande ankommen. Der Wali hat infolgedessen Befehl an die Dörfer gegeben, keinen Armenier nach Aleppo zurückzulassen. Ueberträgt man die Ausführung behördlicher Anordnungen der Bevölkerung, so erklärt man die Armenier damit etwa für vogelfrei. Weitere Massregeln gegen sie werden hier vermutlich zu erwarten sein. Gleichen Bericht lasse ich der Kaiserlichen Botschaft zugehen.
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  3. #3
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    Ein höchst interessantes und brisantes Thema.
    Übrigens: Während es in Deutschland gesetzlich verboten ist,
    den Genozid an der Juden zu bezweifeln ist es in der Türkei
    gesetzlich verboten, den Genozid an den Armeniern zu erwähnen.
    Andre Länder, andre Sitten...

  4. #4
    Scharfschütze Benutzerbild von Der Schakal
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    Welcher Genozid? ?(

  5. #5
    A.D. Benutzerbild von Siran
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    Lies dir einfach mal die Texte oben durch und sage mir, wie du das nennen würdest, Schakal.
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  6. #6
    Scharfschütze Benutzerbild von Der Schakal
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    Sehr geehrte Siran,

    ein Massaker ist kein Genozid.

  7. #7
    A.D. Benutzerbild von Siran
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    Da ist die Rede von gezielten Vertreibungen, von Konzentrationslagern, Todesmärschen und bestimmt nicht von nur einem Massaker, es sei denn, du gehst davon aus, dass zwischen dem 3. Januar und dem 29. Juli nur ein großes Massaker verübt worden sei.
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  8. #8
    a.D. Benutzerbild von Gärtner
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    Oh lieber Schakal, fängst du jetzt auch an, Haare zu spalten? Ich hielte es für ein schönes Beispiel der "Europafähigkeit" der Türkei, wenn im Lande dieser dunkle Punkt der Geschichte offen angesprochen werden könnte.

    Mir ist klar, wie schwierig das ist. Da werden liebgewonnene Mythen der eigenen Vergangenheit zerstört; wie schwer man sich da tut, zeigen die Beispiele Frankreichs oder Polens, wo erst jetzt eine sehr zögerliche Debatte über die Kollaboration mit den deutschen Besatzern begonnen hat.
    "Die beiden Gelehrten Gabundus und Terentius diskutierten 14 Tage und 14 Nächte
    lang über den Vokativ von Ego. Am Ende griffen sie zu den Waffen."

    Umberto Eco

  9. #9
    Scharfschütze Benutzerbild von Der Schakal
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    Da ist die Rede von gezielten Vertreibungen, von Konzentrationslagern, Todesmärschen und bestimmt nicht von nur einem Massaker, es sei denn, du gehst davon aus, dass zwischen dem 3. Januar und dem 29. Juli nur ein großes Massaker verübt worden sei.

    Es waren Umsiedlungen.

    Also es reicht mir das immer diese Märchen erzählt werden. 2,5 Mio. Moslems sind in diesem Zeitpunkt umgekommen. Sie wurden genauso massakriert von den Armeniern wie die Türken die Armenier massakriert haben.

    Interessanter Weise lügen die Westlichen immernoch und behaupten es hätte einen genoziod gegeben wo doch die Prozesse von Malta das beste beispiel ist das es keinen gab.

    Also...?

    Und ich bitte sie bei allem Respekt hören sie auf zu lügen.

    Da ihr Englisch ja einigermassen gut ist....hier die Prozesse von Malta....

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    Wissen sie was daran so interessant ist? Die Westliche Presse u.s.w....verschweigt diese Prozesse. Denn im Deutschen ist darüber kaum bis garnicht....ein Artikel zu finden.


    Naja ....

  10. #10
    A.D. Benutzerbild von Siran
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    Umsiedlungen? Ich werde jetzt noch einen weiteren Bericht zitieren, der ist länger, deswegen hab ich ihn vorhin weggelassen:

    Aleppo, den 6. Februar 1916.

    Sehr geehrter Herr Konsul!

    Ihrer Aufforderung entsprechend überreiche ich Ihnen im folgenden ergebenst eine schriftliche Aufzeichnung über die auf der Reise von Bagdad nach Aleppo erhaltenen Eindrücke. Es ist im Wesentlichen eine wörtliche Wiedergabe der Bemerkungen, die ich während der Wagenfahrt mit halberstarrten Fingern in Engschnellschrift in mein Notizbuch einkritzelte. Sie geben daher den an Ort und Stelle unmittelbar gewonnenen Eindruck wieder:

    Auf dem Wege von Bagdad nach Aleppo berührt man folgende Stationen: Bagdad, Abu Messir, Feludscha, Romedi, Hit, Bagdadi, Hadisse, Fahime, Ane, Nihije, Abu Kemal, Selahije, Mejadin, Der Sor, Tibni, Sabha, Haman, Abu Hureire, Meskene, Der Hafir, Aleppo.

    Sie liegen etwa 60 km von einander entfernt. Von einer bis zur andern fährt man im Wagen, Trab und Schritt abwechselnd, durchschnittlich 6 bis 8 Stunden, d.h. eine Tagesreise. Fussgänger dagegen dürften von einer Station bis zur nächsten wohl drei Tagesmärsche brauchen.

    Zwischen den einzelnen Stationen ist vollkommen unbewohntes Wüstenland, nur stellenweise mit niedrigem Gestrüpp bewachsen. Auf mehreren Stationen findet selbst der einzelne Reisende keine Lebensmittel und kein Brot. Der Weg führt zwar am Euphrat entlang, folgt aber nicht allen Windungen, sondern schneidet ab. Manche Stationen liegen meilenweit entfernt vom Flusse. Auf den Stationen meist Brunnen. Der Fussgänger aber, der von einer Station zur andern drei Tage unterwegs ist, muss Wasser mitnehmen, wenn er nicht verdursten will.

    Am 17. Januar d.J. bin ich von Bagdad abgefahren. Am 23. Januar kam ich in Hadisse an. Dort sah ich den ersten Armeniertransport, etwa 50 Personen, fast nur Männer, sie trugen türkische Bauernkleidung und schwarz-weiss gestreifte Jacken.

    Am 24. Januar kam ich nach Ane. Unterwegs begegnete ich etwa 30 Armeniern unter Gendarmeriebewachung. Der Chan von Ane war mit etwa 40 Armeniern belegt, alle in türkischen Bauernkleidern.

    Am 25. Januar überholte ich einen Zug von etwa 50 Armeniern, nur Männern, die unter Gendarmeriebedeckung in der Richtung auf Der Sor gingen. Unser Kutscher sagte, es sei gut, dass es so kaltes Wetter sei, denn sonst würde man es auf dem Wege nicht aushalten können vor dem Gestank der dort verwesenden Armenierleichen. Fast jeder dieser Armenier hatte ein oder zwei Lasttiere bei sich, die ausschliesslich mit Lebensmitteln beladen sind. Der Kutscher sagt, solange der auf diesen Lasttieren untergebrachte Vorrat an Datteln reiche, gehe es den Armeniern gut. Sobald er aber zu Ende sei, müssten sie wohl verhungern, denn selbst wenn sich jemand bereit fände, einem Armenier irgend etwas zu fast unerschwinglichem Preise zu verkaufen, so reichten die auf dem Wege tatsächlich vorhandenen Lebensmittelvorräte auch nicht für den zehnten Teil der Verschleppten aus.

    Infolge der bitteren Kälte erkrankt der Kutscher während der Fahrt an Lungenentzündung, ich kutschiere selbst. Auf der nächsten Station engagiere ich als Aushülfe einen Araberjungen.

    Am 26. überhole ich einen Armeniertransport von etwa 50 Männern. In Abu Kemal, einer "grösseren" Station (die meisten anderen bestehen nur aus zwei bis drei Häusern) bedient uns im Chan ein 16-jähriger Armenierjunge Artin aus Seitun. Im Chan und allen Stallungen sowie in der ganzen Ortschaft viele Armenier untergebracht. Auch einige Frauen und Kinder.

    Am 28. traf ich in Selahije vier deutsche nach Bagdad reisende Offiziere, die mir versicherten, dass sie im Kriege im Osten und Westen manches gesehen hätten, dass aber das, was sich auf dem Wege Aleppo-Der Sor dem Auge darbiete, das Grauenvollste sei, was sie je gesehen hätten.

    Am 29. Mejadin. Im Chan, der eng mit Armeniern belegt ist, starker Fäulnisgestank. Der Kutscher des Gepäckwagens erkrankt an Fieber. Mein Diener kutschiert.

    Am 30. Januar Der Sor. Die grösste Ortschaft auf der Strecke. Hier zahlreiche Armenier, sicher über 2000. Alle Häuser und Chans mit ihnen belegt. Im Chan, in dem ich absteige wieder derselbe Fäulnisgestank wie in Mejadin. Ueberfüllt mit Armeniern. Zahlreiche Frauen, die sich lausen. Auch viel junge Mädchen und kleine Kinder. Auf den Strassen der sauberen kleinen Stadt viele Armenier jeden Alters und beiderlei Geschlechtes in türkischen Bauernkleidern, aber auch viele, offenbar besseren Ständen angehörende in europäischer Zivilkleidung. Junge Mädchen in gut sitzenden europäischen Kleidern.

    Ich treffe hier fünf deutsche Offiziere und einen deutschen Arzt, die nach Bagdad reisen. Sie erzählen, dass auf der Strecke Aleppo-DerSor viele an Flecktyphus zu Grunde gegangen sind. Die Herren haben in 3 Stunden 64 Leichen, die am Wege lagen, gezählt. Auch eine Mutter mit ihrem dreijährigen Kinde liege am Wege, beide tot. Viele der Armenier kämen aus Konstantinopel(?). Der Sor ist ein freundliches Städtchen mit geraden Strassen und Bürgersteigen. Die Armenier geniessen vollkommene Freiheit, können tun und lassen, was sie wollen ... auch in Bezug auf ihre Nahrung, die sie sich selbst kaufen müssen. Wer kein Geld hat, bekommt nichts. Andon aus Angora verkauft mir seine goldene Uhr für 11 türkisches Pfund, Stepan aus Brussa ein Medaillon mit dem Muttergottesbilde für 3 Meschidije. Als ich bei der Abfahrt ihnen diese Familienandenken wieder zustecken will, sind die beiden Armenier verschwunden und trotz Suchens nicht zu finden. Sie fürchten offenbar, dass ich den Kauf rückgängig machen will. Das Geld verlängert ihr Leben um einige Tage. Ich habe beide Gegenstände dem Konsulate in Aleppo übergeben für Rechnung der Eigentümer unter Verzicht auf jeden Anspruch. In der Gemeindelesehalle in Der Sor versammeln sich die vornehmeren Armenier, ein Arzt, zwei Geistliche und mehrere Kaufleute. Ein armenischer Gastwirt ist dort Oekonom. Professor Külz, auf der Durchreise nach Bagdad, behandelt meinen an Lungenentzündung erkrankten Kutscher. Krisis bereits überwunden. Ich ziehe dem Kutscher drei wollene Hemden an, er muss wieder selbst kutschieren: der als Aushülfskutscher engagierte Araberjunge ist weggelaufen und spurlos verschwunden und niemand in Der Sor ist bereit, mit uns zu fahren, ... denn hinter Der Sor beginnt der Weg des Grauens.

    Er zerfiel für mich in zwei Teile: den ersten Teil von Der Sor bis Sabha, auf dem ich aus der Lage der Leichen, dem Zustande ihrer Zersetzung und Bekleidung sowie aus den herumliegenden Wäschefetzen, Kleidungsstücken und Hausgerätteilen, mit denen die Strasse besät ist, mir ein Bild machen konnte von dem, was sich hier abgespielt hat: wie die allein in der Wüste herumirrenden Nachzügler schliesslich zusammengebrochen und mit vor Schmerz entstelltem und verzerrtem Gesicht in Verzweiflung verendet sind, und wie andere wieder dank des heftigen Nachtfrostes schneller erlöst worden und friedlich entschlummert sind, wie einige durch arabische Räuber nackt ausgezogen worden sind, während anderen die Kleidung durch Hunde und Raubzeug in Fetzen vom Leibe gerissen wurde, wie andere nur die Schuhe und Oberkleidung verloren haben und andere schliesslich vollkommen angezogen neben Sack und Pack liegend erst kürzlich zusammengebrochen und gestorben sind ... wohl beim letzten Transport, während die blutigen und halbgebleichten Skelette an die worhergehenden Transporte erinnern, und in den zweiten Teil von Sabha bis Meskene, wo ich das Elend nicht mehr zu erraten brauchte, sondern den Jammer mit eigenen Augen schauen musste: ein grosser Armeniertransport war hinter Sabha an mir vorbeigekommen, von der Gendarmeriebedeckung zu immer grösserer Eile angetrieben, und nun entrollte sich mir in leibhaftiger Gestalt das Trauerspiel der Nachzügler. Ich sah am Wege Hungernde, Dürstende, Kranke, Sterbende, soeben Verstorbene, Trauernde neben den frischen Leichen; und wer sich nicht schnell von der Leiche des Angehörigen trennen konnte, setzte sein Leben aufs Spiel, denn die nächste Station oder Oase liegt für den Fussgänger drei Tagemärsche entfernt. Von Hunger, Krankheit, Schmerz entkräftet taumeln sie weiter, stürzen, bleiben liegen.

    Mein Vorrat an Brot, Wasser, Trinkbarem und Essbaren ist bald erschöpft. Ich will einem Dürstenden Geld geben. Er holt selbst Geld heraus und bietet mir einen Medschidije, etwa vier Mark, für ein Glas Wasser. Ich habe keinen Tropfen mehr.

    Erst zwischen Meskene und Aleppo sieht man keine Armenier und keine Leichen mehr, denn die Transporte haben zum grossen Teil Aleppo nicht berührt, sondern sind über Bab gegangen.

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