Zitat von
NITUP
Kubas Verhältnis zur Sowjetunion
Einige der Mitdiskutanten sprachen desöfteren das Verhältnis Kubas zur Sowjetunion darob an, daß Kuba nichts weiter gewesen wäre als ein Vasall des Kremls. Und genau diese Feststellung ist falsch.
Ich möchte an dieser Stelle mal einen Kommentar von RIA-Nowosti wiedergeben, der das Verhältnis beider Staaten ziemlich genau widerspiegelt:
Zitat:
Übrigens ist auch hier eine Präzisierung nötig. Trotz der wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Sowjetunion wurde Fidel Castro, anders als die meisten anderen sozialistischen Regimes, nicht zu einer Marionette des Kreml. Ihm kann der Export der kubanischen Revolution auf den lateinamerikanischen Kontinent vorgeworfen, es kann die Rolle Kubas in der Bewegung der nichtpaktgebundenen Länder unterschiedlich bewertet werden, aber das war seine und nur seine Wahl. Die Sowjetunion beeinflusste den lateinamerikanischen Kontinent auf ihre Art, und die Kubaner taten das auf ihre Weise. Es gab da gewisse Gemeinsamkeiten, aber bei weitem nicht immer und nicht in allem, und bisweilen traten in diesen beiden Strömungen offene Widersprüche zu Tage.
Mehr noch, es kann behauptet werden, dass die Romantik der ersten Jahre der kubanischen Revolution dem bereits altersschwachen und verbürokratisierten Sozialismus in der UdSSR einen neuen zusätzlichen Impuls gab. In den Augen vieler junger Sowjetbürger rehabilitierten die energischen und (im Vergleich zum klassischen sowjetischen Bürokraten) absolut nicht standardmäßigen Figuren von Fidel und Ché Guevara die sozialistische Idee und erweckten den Glauben an einen "Sozialismus ohne Krawatte", der von einer aufrichtigen Sorge für den Menschen durchdrungen ist. Das war natürlich eine Illusion, die später allmählich schwand - nach Maßgabe dessen, wie sich auch Castros Regime auf Kuba bürokratisierte, aber was wahr ist, muss wahr bleiben. Im Übrigen beunruhigen die Erinnerungen an Ché Guevara (er hatte das Glück, vom bürokratischen Schimmel unberührt aus dem Leben zu scheiden) bis heute die Köpfe einiger recht einflussreicher russischer Politiker. Freilich sind das natürlich die Erinnerungen nicht so sehr an den realen Ché wie vielmehr an die Legenden, die sich um seine Gestalt ranken.
Später gaben sich sowjetische Historiker alle Mühe, um der kubanischen Revolution bolschewistische Wurzeln zuzuschreiben, aber die Wirklichkeit sah anders aus. Die kubanische Revolution wurzelte in der lateinamerikanischen Geschichte. Erst später tauchten neben dem Bildnis des Kubaners José Marti aus Höflichkeit auch die Bildnisse von Marx, Engels und Lenin auf. Nicht diese drei inspirierten den jungen Fidel, nicht mit ihnen machte er seine Revolution.
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Dazu paßt auch folgendes Zitat Fidels: "Unsere Revolution war kein Geschenk der Roten Armee, wir haben sie selbst erkämpft und wir werden sie selber verteidigen."
Resumé: Wer Kuba verstehen will, der muß Kubas sozialistische Entwicklung aus dem Fokus Lateinamerikas betrachten, um zu verstehen, warum sich die kubanische Revolution trotz schwerster Stürme ab 1990 so sehr halten konnte, daß das Land die Attraktivität des antikapitalistischen Weges auch auf den südamerikanischen Kontinent verbreiten konnte - keine Demonstration irgendwo in Südamerika, auf der nicht für soziale Rechte mittels Kuba-Fahnen demonstriert wird.
Es wird immer der Vergleich zur DDR hergestellt - aber dieser hinkt vor allem bei einem wichtigen Aspekt: Kuba hat sich seine Revolution, seinen Sozialismus selbst erkämpft; die Ostdeutschen bekamen sie quasi von der Besatzungsmacht exportiert. Das ist schon ein gewichtiger Unterschied, der auch von den Kubanern explizit so betrachtet wird!
Kuba hat die gesellschaftlichen Zusammenbrüche in Osteuropa, vor allem aber in der DDR genau beobachtet, analysiert und für sich selbst Konsequenzen gezogen. Kuba weiß genau, was dem Land blüht, sollten die US-Amerikaner oder ihre exilcubanischen Vasallen wieder einen Fuß auf die Insel setzen - die deutsche Treuhandanstalt gibt Auskunft.
Kubas Geschichte ist nur im Zusammenhang zu verstehen. Und eines sollte berücksichtigt bleiben, will man zu einer objektiven Einschätzung kommen: Kuba befindet sich seit der Landung in der Schweinebucht quasi im Dauerausnahmezustand - unzählige terroristische Akte seitens der Gegner Kubas und der CIA unterstreichen die dramatische Situation, in der sich Kuba seit über 40 Jahren befindet. Das diese gesellschaftliche Anspannung zu inneren Widersprüchen führt, sollte man wenigstens berücksichtigen. Betrachten wir doch einfach nur die Beschneidung der bürgerlichen Rechte in Deutschland im Zuge des Antiterrorkrieges weltweit: Wer da noch mit dem Finger auf Kuba zeigt, ignoriert völlig die Ausgangssituation des Landes und mißt auch mit zweierlei Maß. Aber da für die Menschenrechte im Westen sowieso Doppelstandards gelten, ist es nur eine Frage der Glaubwürdigkeit eines jeden einzelnen, ob und wie er seine Kritik an gesellschaftlichen Erscheinungen und Mechanismen übt. Wer zu Schäubles oder Becksteins Plänen zur inneren Sicherheit des Landes JA sagt, der solle zu Kubas Umgang mit seiner unmittelbaren und realen Gefahr schweigen. Man kann nicht Mechanismen auf der einen Seite begrüßen, die man auf der anderen Seite verteufelt.
Ich hoffe mein Anliegen klar dargelegt zu haben.