Oberrabbiner Moishe A. Friedman über Kultusgemeinde,
den Zionismus und aktuelle Antisemitismus-Diskussionen
Was halten Sie von der Forderung, Gott in die Europäische Verfassung aufzunehmen?
Moishe Arye Friedman: Ein Gottesbezug wäre wichtig, da es die Gottlosen waren, die zum Holocaust beigetragen haben und die auch heute den Frieden im Nahen Osten zerstören. Damit meine ich zuallererst die israelische Regierung, die den palästinensischen Flüchtlingen ihr selbstverständliches Recht auf Rückkehr verweigert und jetzt die Palästinensergebiete in ein riesiges Konzentrationslager verwandelt haben. Wie kann man einerseits von Gottesbezug in der EU-Verfassung sprechen und dann die Regierung Sharon so intensiv unterstützen wie es Berlusconi und Schüssel tun? Wie kann man von Gottesbezug in der Verfassung sprechen und dann uns orthodoxen Juden entgegen den Bestimmungen der österreichischen Verfassung und der europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 9) die Bildung einer eigenen Kultusgemeinde willkürlich verweigern. Die Ministerin Gehrer steht seit langem auf Kriegsfuß mit dem Verfassungsgerichtshof, weshalb 95 % der gegen ihre Verordnungen gerichteten Beschwerden vom VfGH auch stattgegeben wurde.
Wie stehen Sie zum Verhalten der Bildungsministerin Gehrer in Hinblick auf die Anerkennung einer orthodoxen-jüdischen Kultusgemeinde?
Friedman: Im Jahre 1890 hatten die damaligen Behörden Österreichs die Absicht, auch uns strenggläubigen orthodoxen Juden absolute Religionsfreiheit zu ermöglichen. Doch das dann im Reichsrat beschlossene Gesetz hat, wovor Verfassungsexperten von Anfang an warnten, das genaue Gegenteil bewirkt, als wir glaubenstreue Juden zwangsweise mit dem reformierten und dem zionistischen Judentum verbunden wurden. In der Folge stellte sich erwartungsgemäß eine unerträgliche Situation ein, doch war es durch das Ableben Kaiser Franz Josephs nicht mehr möglich, eine anerkannte orthodoxe jüdische Kultusgemeinde (OJKG) für die gesamte Monarchie zu gründen, die von den reformierten und zionistischen Gemeinden strikt getrennt sein sollte. 1934/35 ist es zu weiteren formalen Anträgen zur Gründung dieser Gemeinde gekommen, die aufgrund des zionistischen Druckes verschleppt wurden. Bis 1938 hatten sich viele Orthodoxe von der bestehenden IKG schon aus religiösen Gründen getrennt – von jener IKG, die nach dem Anschluss mit den NS-Behörden zusammenarbeitete und von der sogar ein paar Tausend Funktionäre aufgrund der Kollaboration mit dem Nationalsozialismus den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überlebten. Adolf Hitler selbst hatte den ausdrücklichen Auftrag gegeben, die IKG – Israeliten-Gesetz – bestehen zu lassen, im Unterschied zu allen anderen Religionsgemeinschaften. Nach dem Kriegsende 1945 wurde der gesamte Vorstand der Wiener Israelitischen Kultusgemeinde wegen dieser Kollaboration verhaftet und durch die eingerichteten Volksgerichte auch teilweise verurteilt. Doch noch vor ihrer Verhaftung hat es eben dieser Vorstand der IKG unternommen, per Verordnung sich für das gesamte Judentum als exklusiv verantwortlich zu erklären. Diese Verordnungen wurden später von fast allen Verfassungsexperten als gesetzwidrig diagnostiziert, da stattdessen das nach wie vor bestehende Gesetz von 1890 ausgeschöpft hätte werden müssen. Daher ist, nach meiner Ansicht, die gesamte Existenz der bestehenden IKG eindeutig gesetzwidrig. Innerhalb der IKG können strenggläubige orthodoxe Juden aufgrund der Gebote, die sie zu befolgen haben, ihre Religion fast nicht ausüben. Adolf Hitler verdankt die IKG das Privileg – das nicht einmal die Katholische Kirche hat – Rückstände bei den Mitgliedsbeiträgen ohne jedes Exekutionsverfahren gleich vollstrecken lassen zu können. Dieses unglaubliche Gesetz wurde von der Zweiten Republik beibehalten! Und diese Situation wird von Frau Minister Gehrer quasi als Handlangerin der mit unlauteren Methoden arbeitenden IKG unter Ariel Muzikant im Widerspruch zum Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention bis heute aufrechterhalten. Österreich ist das einzige Land der Welt, das die Glaubensausübung der orthodoxen jüdischen Mitbürger verhindert und dem traditionellen Judentum die Anerkennung verweigert. Und das, obwohl nach meiner Erkenntnis des VfGH vom 2. Juli 1981 (G 31/79 Vfslg # 9185/1981) die orthodoxen Juden das eindeutige Recht haben, ohne jede weitere Voraussetzung ihre eigene Kultusgemeinde zu gründen. Doch Frau Minister Gehrer und ihre Behörden setzen sich willkürlich über den Verfassungsgerichtshof hinweg!
Demnächst wird der 100. Geburtstag von Theodor Herzl, dem Begründer des Zionismus, begangen, wie schätzen Sie die Person Herzls ein und was halten Sie von den geplanten Feierlichkeiten?
Friedman: Theodor Herzl war eine Katastrophe für das Judentum. Ein gottloser Mann, nach Studien englischer und amerikanischer Psychologen von internationalem Ruf ein echter Psychopath. Seine Kinder endeten durch Selbstmord, er selbst hat kein jüdisches Begräbnis erfahren. Herzl hat selbst nicht daran geglaubt, was er in seinen Büchern forderte und hat dennoch durch die von ihm begründete zionistische Politik die Katastrophe des Judentums willentlich herbeigeführt, damit der Staat Israel gegründet werden kann. Herzl ist für mich der geistige Vater jener Entwicklung, die zum Holocaust führte. Dass er nun groß gefeiert werden soll, passt zur erwähnten Koalition Schüssel – Sharon.
Das österreichisch-israelische Verhältnis scheint sich wieder zu bessern und angeblich wird demnächst ein israelischer Botschafter in Österreich akkreditiert werden, was halten Sie davon?
Friedman: Das österreichisch-israelische Verhältnis hat nichts mit dem österreichisch-jüdischen Verhältnis zu tun. Man muss einfach unterscheiden zwischen dem Judentum und Israel, was jene nicht tun, die jede Kritik an Israel unterbinden wollen. Wenn die Österreicher wüssten, was für die Rückkehr des israelischen Botschafters geleistet wurde, und zwar gegen die eigenen Interessen Österreichs geleistet wurde, würde es ein politisches Erdbeben geben. Keine österreichische Regierung hat sich bisher soweit erpressen lassen wie die Regierung Schüssel. Insbesondere die Frau Minister Gehrer hat sich zum Handlanger zionistischer Interessen machen lassen. Ihre Beamten setzen einen bedenklichen Akt nach dem anderen, um die Anerkennung unserer Kultusgemeinde zu verhindern und der ORF, mit einem Herrn Mück als Verantwortlichen, weigert sich, auch nur zu melden, dass sich bereits die Volksanwaltschaft in einer Berichterstattung mit diesen Missständen befasst.
Frau Minister Gehrer missbraucht das Geld der österreichischen Steuerzahler für fragwürdige IKG-Institutionen und zionistische Schulen, in denen der geistige Nährboden für gewaltsame Siedler in Palästina gebildet wird. Das ist zweifelsohne im Rahmen der EU illegal! Frau Minister Gehrer hat nach dem Beschluss des österreichischen Parlaments Anfang 2001, dass erst ein Schlußstrich unter die Entschädigungsforderungen gezogen werden muß, bevor weitere Zahlungen geleistet werden, die Landeshauptleute unter Druck gesetzt, ihrerseits Zahlungen zu tätigen, eine Handlung, die eindeutig im Widerspruch zu den nationalen Interessen Österreichs stand. Langfristig kann diese Politik Österreich in den Ruin führen.
Besser wäre es, der israelische Botschafter bliebe zu Hause. Mit ihm kämen weitere bewaffnete Mossad-Agenten ins Land, die für die orthodoxen Juden eine besondere Sicherheitsgefahr darstellen und schon bisher bei hochkriminellen Akten beteiligt waren.
Herr Friedmann, in der Europäischen Union wurde jüngst eine Meinungsumfrage durchgeführt, die ergeben hat, dass 59 Prozent der Europäer den Staat Israel für die größte Gefahr für den Weltfrieden halten. Sind die Europäer deswegen zu 59 Prozent Antisemiten?
Friedman: In Europa und insbesondere in Österreich ist die Meinungsfreiheit schon seit längerem bedroht; ja im Widerspruch zu Artikel 10 der Europäischen Konvention für Menschenrechte muss man feststellen, dass bei uns immer mehr Gedanken und Äußerungen, die unter das Prinzip der Meinungsfreiheit fallen, tabuisiert und verboten werden. Wenn man eine Umfrage beim glaubenstreuen und damit traditionell anti-zionistischen Judentum weltweit durchführt, werden sicher 100 % der Befragten antworten, dass der Staat Israel die größte Gefahr für uns Juden selbst, für unsere Sicherheit weltweit ist. Vor der Gründung des Staates Israel konnten Juden in allen islamischen Staaten nahezu unbehelligt leben, was heute nicht mehr der Fall ist. Die zionistischen Juden tragen zumindest eine Mitschuld am Holocaust und schaden dem echten glaubenstreuen Judentum auf der ganzen Welt in extremer Weise. Es ist nachweisbar, dass zionistische Kreise sogar Progrome provoziert haben, um so die Bereitschaft, nach Palästina zu gehen, zu fördern.
Alexander Solschenizyn, Literaturnobelpreisträger und anerkannter russischer Dichter, hat jüngst den zweiten Band seines Werkes „200 Jahre gemeinsam“ über Russen und Juden veröffentlich. Dabei erläutert der detailliert, dass die bolschewistische Revolution von 1917 und der darauf folgende bolschewistische Terror unter starker Beteiligung russischer Juden statt fand. Ist dies der Ausfluss eines typisch russischen Antisemitismus? Und wenn es der Wahrheit entspricht, warum war das so?
Friedman: Den Feststellungen von Alexander Solschenyzin stimme ich völlig zu, denn er hat zu Recht festgestellt, dass die an der bolschewistischen Revolution und Diktatur beteiligten Personen jüdischer Abkunft mit dem traditionellen Judentum gar nichts zu tun hatten, sondern extremistische Gottlose waren. Die glaubenstreuen Juden haben zu den ersten Opfern der Bolschewisten gezählt. Unzählige wurden ermordet oder vertrieben. Man muss dabei aber auch noch bedenken, dass nicht alle als „jüdisch“ bezeichnete Bolschewisten tatsächlich jüdischer Abstammung waren – ähnlich wie bei der Israelitischen Kultusgemeinde Österreichs (IKG) viele Mitglieder gar nicht jüdischer Herkunft sind, wie z. B. der Generalsekretär Dr. Avshalom Hodik. Dies ist umso bemerkenswerter als diese IKG, die mit der jüdischen Religion in Wirklichkeit wenig am Hut hat, uns glaubenstreue Anhänger des Judentums verfolgt.
Der jüngst aus dem Amt geschiedene, langjährige malaysische Ministerpräsident hat in einer heftig kritisierten Rede davon gesprochen, dass die islamische Welt sich an den Juden ein Beispiel nehmen müsse, da es diesen gelungen sei, großen und weltweiten Einfluss auf Politik und Wirtschaft zu nehmen. Halten Sie die Kritik an dieser Rede für berechtigt?
Friedman: Erstens hat der malaysische Ministerpräsident ausdrücklich über den Staat Israel gesprochen und deutlich gemacht, dass er keinesfalls die Juden als Juden gemeint hat; zweitens kann und darf man niemandem den Gebrauch der Meinungs- und Redefreiheit verbieten; drittens und ganz wesentlich: Es ist Mahatir darum gegangen, der Bevölkerung seines Landes die Idee einer islamischen Bruderhilfe ohne Terror und Blutvergießen nahezubringen, die sich mit ausschließlich wirtschaftlichen und politischen Methoden gegen den Terror- und Apartheidstaat Israel zur Wehr setzt. Der Rede war also ein sehr menschlicher und moralisch und religiös begründeter Versuch, zu einer echten Konfliktlösung beizutragen. Dass zionistische Kreise sich dagegenstellten, ist nicht verwunderlich, da sie als die wahren Terroristen den Terror unbedingt brauchen, um die eigenen Taten vor der Weltöffentlichkeit zu begründen und Kritiker mundtot zu machen. Der nunmehr aus dem Amt geschiedene malaysische Ministerpräsident Mahatir ist in Wirklichkeit ein guter Freund unserer glaubenstreuen jüdischen Gemeinschaften und damit absolut kein Feind des Judentums, sondern nur des politischen Zionismus.
Ein christlich-demokratischer Politiker steht dieser Tage in der Bundesrepublik Deutschland im Kreuzfeuer der Kritik, weil er erklärt hatte, genauso wenig wie man im Falle der Deutschen von einem „Tätervolk“ sprechen könne, könne man dies bei den Juden tun, auch wenn viele von ihnen an den Untaten der kommunistischen Revolution beteiligt waren. Vielmehr seien sowohl nationalsozialistische Verbrecher, als auch bolschewistische Verbrecher Menschen gewesen, die von ihrem Gott abgefallen seien, Christen wie Juden. Was halten sie von dieser Aussage?
Friedman: Hohmann hat völlig recht mit seiner Aussage. Erstens gibt es in der jüdischen Religion nicht den Begriff eines Tätervolkes, in Bibel und Talmud ist es ausgeschlossen und absolut unsinnig, ein gesamtes Volk wegen der Taten einzelner als Tätervolk zu bezeichnen. Zweitens sind die Juden ein Volk nur durch ihre Religion: Sowohl die Bolschewisten als auch die Zionisten gehören daher als Gottlose keinesfalls dem jüdischen Volk an – das strenggläubige, orthodoxe Judentum wurde im Gegenteil immer von diesen beiden Gruppen verfolgt. Es ist schlimm, dass es in Deutschland nicht möglich ist, sich gegenüber Israel, dem Zionismus oder auch den vom Glauben abgefallenen, jüdischstämmigen Bolschewisten kritisch zu äußern. Ich erinnere nur an das Schicksal des von uns allen geschätzten, deutschen Politikers und ehemaligen Außenministers, Jürgen Möllemann, der aufgrund seiner ehrlichen, ausgewogenen und gerechtfertigten Aussagen über die alle UNO-Resolutionen verletzende Politik Israels nicht nur politisch gestolpert ist, sondern – allem Anschein nach – vielleicht sogar kaltblütig ermordet wurde. Auch Möllemann hat immer gerechterweise zwischen Juden und Zionisten unterschieden – und an den Händen etlicher deutscher Politiker klebt angesichts des mysteriösen Todes von Möllemann, egal, ob es Mord oder Selbstmord war, Blut.
In Österreich sind nach der eingangs zitierten EU-Umfrage fast 70 Prozent der Menschen der Meinung, dass Israel die größte Gefahr für den Weltfrieden sei. Sind die Österreicher daher größere Antisemitisten und haben Sie seit Sie in Österreich leben Antisemitismus zu spüren bekommen?
Friedman: Nein, das eigentliche Problem liegt bei den Österreichern, die zwischen Juden und Zionisten nicht unterscheiden wollen. Man darf Kritik an Israel nicht mit Anti-Judaismus oder Antisemitismus verwechseln: Ein Großteil der Zionisten ist nicht einmal jüdischer Abstammung, während die Araber doch ohne Frage Semiten sind. Israel verantwortet eine katastrophale Politik der ethnischen Säuberungen, des Terrors und der Apartheid, wir glaubenstreue Juden haben keinerlei Sympathie für diesen Staat, den wir als Katastrophe für das echte, gottergebene Judentum betrachten. Nur auf spirituellem Weg, indem wir Gottes Willen tun, wird uns das verheißene Land Israel einmal zurückgegeben, niemals durch Ausübung von Macht und Gewalt, durch militärische oder politische Maßnahmen, die wir glaubenstreue Juden ablehnen. Unser von Gott auferlegtes Schicksal ist die Diaspora und damit die friedliche Unterordnung unter die Gesetze jenes Landes, in dem wir leben.
Wie sehen Sie das Problem eines angeblichen oder echten Antisemitismus in anderen Ländern?
Friedman: Die wahren Antisemiten sind für uns die, die mit den Zionisten zusammenarbeiten. Die Zionisten haben in Israel einen Terror- und Apartheidstaat errichtet, der die (semitischen) Palästinenser verfolgt und sie betreiben international aus Geschäfts- und Machtinteressen die Holocaust-Industrie. Wir glaubenstreue Juden wollen nichts anderes, als friedlich und als gute Bürger unseres jeweiligen Landes leben und in Freiheit unsere Religion ausüben können – Anlass für Antisemitismus wird darin niemand finden. Aber so lange das Recht auf Meinungs- und Redefreiheit nach Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht gewährleistet ist und rechtdenkende Menschen mit höchst kriminellen Methoden tot oder mundtot gemacht werden, solange die moralischen Keulen der Holocaust-Industrie weiter eingesetzt und jetzt sogar noch gegen die islamische Welt angewandt werden, wird man sich in erster Linie in das eigene Fleisch schneiden und wird der sogenannte Antisemitismus eine ewige Geschichte sein