Elmshorn: Aufatmen bei den Eltern
Fahndungserfolg: Der 14-Jährige ist schnell gefasst worden. Es war nicht seine erste sexuelle Attacke.
Von Arne Kolarczyk, Bernd-Olaf Struppek
Elmshorn - An der Timm-Kröger-Schule in Elmshorn ist an diesem Freitag alles anders als sonst. Die Kinder werden von den Eltern zum Unterricht gebracht und nach Schulschluss wieder abgeholt. Auf den Fluren herrscht gedrückte Stimmung. Nur langsam spricht sich die Nachricht herum, dass der 14-jährige Junge, der am Donnerstag eine Erstklässlerin mit dem Messer bedroht, verschleppt und vergewaltigt hat, gefasst wurde.
"Ich wollte erst gar nicht zur Schule gehen, habe gefragt, ob Mama mich bringt", sagt Timo (8). Angst um ihre Tochter hat auch Edeltraud Boecker. Hand in Hand mit Jasmin (6), die den Schulkindergarten der Timm-Kröger-Schule besucht, verlässt sie das Gebäude. Sie steht noch unter dem Eindruck der Ereignisse: "Wenn ich den erwischt hätte, hätte der das nicht überlebt. Wie kann man sich nur an einem Kind vergreifen?"
Spurensuche in der Neuen Straße, einer tristen Wohnblock-Siedlung im Zentrum von Elmshorn. Hier wohnt der 14-Jährige, der sich an dem kleinen Mädchen vergangen hat. Nachbarn ist er bestens bekannt: "Das kann nur der eine sein, der da drüben wohnt", ist ein Teenager sich sicher, der zusammen mit einem Freund auf einem Kinderspielplatz herumhängt. "Der hat mit jedem Stress, den mag keiner. Ich hab mich auch schon mit dem geprügelt."
Ein Elmshorner, der fast 40 Jahre im Viertel wohnt, kennt den Täter als ein Mitglied einer Jugendbande, die dort seit geraumer Zeit für Ärger sorgt. "Es werden Reifen zerstochen, Briefkästen abgerissen. Und auf dem Spielplatz findet man regelmäßig Spritzen von Fixern."
Als "leicht randständig" bezeichnet der Itzehoer Oberstaatsanwalt Friedrich Wieduwilt das soziale Milieu, in dem der Täter aufwächst. Der Junge, der im Juni vergangenen Jahres 14 geworden ist, machte schon seit Jahren durch Straftaten auf sich aufmerksam. Auch durch sexuelle Übergriffe. "Aber nicht in der Intensität wie jetzt", sagt Christoph Heer, Pflichtverteidiger des Jungen. Auf ihn mache der Hauptschüler einen "aufgeweckten, aber eher unscheinbaren Eindruck". Seine Motive bleiben auch nach einer dreistündigen Vernehmung vor der Haftrichterin unklar. Sie schickt den Jungen, der die Tat sofort gesteht, in Untersuchungshaft. Der Grund: Von ihm seien weitere schwere Straftaten zu erwarten. Im Polizeiverhör plauderte der 14-Jährige über seine "intensiven sexuellen Interessen". Wegen eines Aufmerksamkeits-Defizit-Syndroms war er behandelt worden. Bereits 2001 hatte die Mutter des Jungen sich erstmals ans Jugendamt gewandt. Eine Heimunterbringung erfolgte nicht.
Mit Erreichen des 14. Lebensjahrs kann der Hauptschüler nun strafrechtlich belangt werden - wegen versuchter Vergewaltigung und sexueller Nötigung. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Jugendhaft. Zunächst muss ein Psychologe prüfen, ob der Junge schuldfähig ist.
An der Timm-Kröger-Schule wird nicht so schnell Ruhe einkehren. "Wir dürfen die Fragen der Kinder nicht tabuisieren", sagt Schulleiterin Sigrid Bockelmann (45). Bereits kommende Woche soll das betroffene Mädchen, dem es "den Umständen entsprechend" gut geht, wieder zur Schule kommen. "Sie hat einen ganz großen Wunsch nach Alltag."
erschienen am 24. Jan 2004 in Norddeutschland
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