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Thema: Die Wurzeln des Antisemitismus

  1. #1
    Mitglied Benutzerbild von Luciérnaga
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    dtv Lexikon in 20 Bänden, Band 1:

    Antisemitismus,
    die Abneigung oder Feindseligkeit gegen Juden. Der Ausdruck A. ist eine Fehlbildung, weil er die durch sprachl. Gemeinsamkeiten verbundene Gruppe der Semiten fälschlich zu einer volklichen Gemeinschaft ummünzt. Antisemiten sind aber in Wirklichkeit Gegner der Juden, nicht auch der übrigen Angehörigen der semit. Sprachgruppe, z.B. der Araber.

    Ideologisch begründet und systematisiert wurde der A. in der Zeit des erwachenden Nationalismus des 19. Jh., der gleichzeitigen jüd. Emanzipation und der zunehmenden ostjüd. Einwanderung, verschärft und in seiner immoral. Konsequenz deutlich in der rassist. Ideologie des Nationalsozialimus. Als Reaktion auf den A. können der Philosemitismus und der Zionismus verstanden werden. Dem letzteren antwortete der polit. Anti-Zionismus der Neuzeit, der z.T. Anklänge an den A. zeigt.

    Als Gründe für den oft nicht rational zu erhellenden A. sind angebliche Eigenschaften der Juden angeführt worden, z.B. besonderer Intellektualität, Wirtschaftspraktiken, körperl. Chrakteristika oder Sitten. Tatsächlich haben sich alle diese Theorien als nicht haltbar erwiesen. Es wurde auch die Frage aufgeworfen, ob sich der A. etwa zwangsläufig daraus ergebe, dass Juden als Minderheit unter Völkern leben, in denen vollkommen aufzugehen sie nicht bereit sind. Danach wäre der A. nur ein, wenn auch bes. komplexer Fall des allgemeinen Problems religiöser, nationaler, kultureller o.a. Minderheiten (>Sündenbock<-Funktion).

    Die religiösen Motive des A. sind von der jüd. Theologie der Auserwählung des Volkes Israel und der Nichtannahme des christl. Messias begünstigt worden; deshalb blieb auch das Christentum nicht von antisemit. Strömungen frei. Versuche der Kriche, den A. zu überwinden (schon im 6. Jh. gewährte der Papst Gregor I. freie Religionsausübung) wechselten mit religiösem Fanatismus, etwa zur Zeit der Kreuzzüge (Rache an Israel >für das Blut Christi<), bes. ausdrücklich im Vorwurf des Ritualmordes und der Vergiftung der Brunnen. Mit dem 2. Vatikan. Konzil distanzierte sich die Kath. Kirche 1965 eindeutig vom A.

    Ein anderes Motiv des A. wird im besonderen wirtschaftl. Erfolg der Juden, bes. im Entstehen des Kapitalimus gesehen. Diese Erscheinung lässt sich aber einmal als allgem. Phänomen nicht durchgehend nachweisen. Zum anderen beruht die Tatsache, dass zahlreiche Banken in jüd. Händen waren, nicht zuletzt darauf, dass im MA. den Juden versch. Berufe und der Erwerb von Grundbesitz verboten, das Zinsnehmen hingegen erlaubt, den Christen aber untersagt war.

    Der ideolog. A. geht bes. auf die unhaltbare Lehre von der unterschiedl. Wertigkeit der Rassen zurück. Literarisch wurde er vor allem vertreten durch E. Renan, A. de Gobineau und H. S. Chamberlain. Auch die Schrift R. Wagners >Das Judentum in der Musik< wies auf das >rassisch andersgeartete< jüd. Wesen hin. H. Wagner, A. R. Hartmann, J. F. Fries, H. E. G. Paulus, E. Dühring, P. de Lagarde, J. Langbehn und E Drumont sind zu den geistigen Vätern des A. zu rechnen. Besondere Wirksamkeit entfaltete Th. Fritsch mit seinem >Antisemitenkatechismus< (1887), der als >Handbuch der Judenfrage< bis 1940 40 Auflagen erreichte. Der Hofprädiger A. Stöcker trat in Dtl. mit antisemit. Forderungen hervor, in Österreich u. a. K. Lueger und G. v. Schönerer. Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg und ihren polit. und sozialen Folgen nahm der A. in Dtl. in rechtsradikalen Kreisen an Schärfe zu (namentlich E. Ludendorff und seine zweite Frau Mathilde). Auf diesem Boden wuchsen die rassist. Vorstellungen des Nationalsozialimus. Hitler selbst bezeichnete den A. als >Zement< der NS-Bewegung. A. Rosenberg legte eine erwiesene Fälschung (>Die Protokolle der Weisen von Zion<) als Dokument zum Beweis einer >jüd. Weltverschwörung< vor. In mehreren diskriminierenden Gesetzen wurde der A. im nat.-soz. Dtl. staatspolitisch wirksam und mündete in die systemat. Ausrottung der Juden im nat.-soz. Machtbereich (>Endlösung<) . Die Dezimierung des jüd. Volkes führte zu einer weltweiten Ächtung des A. In der BRD verletzen antisemit. Handlungen und Äußerungen das GG und werden strafrechtlich verfolgt. Trotzdem ist A. in vielen Ländern, z.T. mit dem Anti-Zionismus verbunden, noch spürbar.
    »Der Himmel hat den Menschen als Gegengewicht gegen die vielen Mühseligkeiten des Lebens drei Dinge gegeben: die Hoffnung, den Schlaf und das Lachen.«
    Immanuel Kant

  2. #2
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    Mit dieser Definiton aus dem dtv-Lexikon hoffe ich, eine Grundlage für eine sachliche Diskussion über die Wurzeln des Antisemitismus geliefert zu haben.

    Wie also ist zu erklären, dass er immer noch so stark präsent ist?

    Ich hoffe, dass wir uns darauf einigen können, dass er nicht rational begründet werden kann, da jeder Antisemitismus auf einer Verallgemeinerung beruht, die nicht haltbar ist.

    Woher kommt also die Unvernunft der Menschen, sich ihm trotzdem anzuschließen? Wieso können die Menschen nicht versuchen, objektiv und kritisch an dieses Thema heranzugehen?

    Der ungesunde Umgang mit unserer Geschichte ist in Deutschland sicherlich ein Auslöser, aber eine Entschuldigung?!

    Genauso kann jeder Äußerungen und Handlungen von einzelnen Juden kritisieren. Aber wie kann es sein, dass einzelne daraus einen kompletten Hass gegen ein ganzes Volk entwickeln??
    »Der Himmel hat den Menschen als Gegengewicht gegen die vielen Mühseligkeiten des Lebens drei Dinge gegeben: die Hoffnung, den Schlaf und das Lachen.«
    Immanuel Kant

  3. #3
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    Ich hatte gehofft, das in meiner Anmerkung noch mal erweitert zu haben.
    Die "Ursachen im Rahmen des aktuellen politischen Geschehens" sind hier natürlich einbegriffen, dürfen jedoch nicht aus dem historischen Kontext gerissen werden, daher erst mal etwas Allgemeines, damit wir uns nicht in eigentlich geklärten Allgemeinheiten verstricken.

    Nun warte ich gespannt!
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  4. #4
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    steht in deinem lexikon auch etwas über den holocaust? das würde mich
    dann auch einmal interissieren. ab wie vielen toten ist der h.c. eigentlich ein h.c.? gibts dazu eine quelle???

  5. #5
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    Erstell dazu bitte einen neuen Thread, das ist hier nicht das Thema.
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  6. #6
    l_osservatore_uno
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    Original von Gothaur Meines Erachtens hat es sehr wohl eine sehr gründliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen Nationalsozialismus, Antisemitismus und Holocaust in der deutschen Vergangenheit gegeben.
    ... hat sich je so mit Abschnitten der eigenen, unzivilisierten oder mörderischen Vergangenheit beschäftigt, wie Deutschland?

    Tut mir aufrichtig leid - für die hier anwesenden Gutmenschen - ich kenne keine!

    Enzo

  7. #7
    l_osservatore_uno
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    Original von Gothaur
    Mein Reden!
    Gothaur
    Man weiß gar nicht, was die Gutmenschenfraktion eigentlich mehr will.

    Sollen wir uns jeden Tag selbst was in die Fresse hauen - gar mönchische Selbstkasteiung betreiben?

    Freundlichen Gruß!

    Enzoi

  8. #8
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    Original von Gothaur
    Der ungesunde Umgang mit unserer Geschichte ist in Deutschland sicherlich ein Auslöser, aber eine Entschuldigung?!
    Ich finde, daß dieser Punkt - kritische Reflextion der eigenen Geschichte - im allgemeinen zu düster, zu einseitig gesehen wird. Meines Erachtens hat es sehr wohl eine sehr gründliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen Nationalsozialismus, Antisemitismus und Holocaust in der deutschen Vergangenheit gegeben.
    Wenn ich sage, dass mit unserer Geschichte ungesund umgegangen wird, dann bedeutet das nicht, dass sich nicht mit ihr auseinandergesetzt wird! Natürlich hat sich Deutschland mit seiner Geschichte intensiv auseinandergesetzt. Der ungesunde Umgang ergibt sich daraus, dass manche zuviel darüber reden und sicherlich auch einige jüdische Vertreter hier im Lande immer noch die Fehler begehen, von einer Kollektivschuld auszugehen, jedoch auch daraus, dass viele die Sache gerne einfach verdrängen würden oder gar wieder anfangen, die damalige Schuld mindern zu wollen, weil ihr Patriotismus/Nationalismus durch die Auseinandersetzung verletzt wird.
    Da ich ja nun schon mehrmals erläutert habe, dass ich es aber als unsere "Verantwortung" ansehe, nicht zu verdrängen und nicht durch neue antisemitische Parolen Judenfeindlichkeit aufkommen zu lassen, stehe ich dafür ein, dass zu einem gesunden Umgang gefunden wird, der dies verhindert, der aber sicherlich auch weiterhin gerecht über die Geschichte der Deutschen urteilt.
    Was ist daran verkehrt??

    Erst in jüngster Zeit entwickelt sich eine Gegenströmung, die sachlich bestimmt wird, durch behördliche schulische Vorgaben, wie beispielsweise mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts im Schulunterricht umgegangen werden soll. Nebst der Unterrichtsplanung macht sich allerdings auch die katastrophale Personallage an den Schulen bemerkbar, Ausfallzeiten der Fachlehrer werden nicht aufgefangen, und es wird nicht für Ersatz gesorgt, sodaß noch eine weitere, sehr bedenkliche Komprimierung stattfindet.
    Was genau läuft denn so schief in der Unterrichtsplanung?

    Die negative Vorstellung, daß wir Deutsche uns nicht zu genüge mit unserer Vergangenheit beschäftigt hätten, ist ein gern gesehenes Argument, das, mit Verlaub, einen gewissen intellektuellen, masochistischen Eigenzug beinhaltet.
    Wie gesagt, von mir wurde es nicht angebracht...!



    Und was Enzo betrifft: bilde ich nun die belächelte "Gutmenschenfraktion"??
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    Immanuel Kant

  9. #9
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    Original von Gothaur
    Platzhalter, oder -Antwort heute Nacht, oder Morgen.
    Wird nachträglich editiert!
    Gothaur
    Und wo bleibt nun die Antwort?
    »Der Himmel hat den Menschen als Gegengewicht gegen die vielen Mühseligkeiten des Lebens drei Dinge gegeben: die Hoffnung, den Schlaf und das Lachen.«
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  10. #10
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    Original von l_osservatore_uno
    Sollen wir uns jeden Tag selbst was in die Fresse hauen - gar mönchische Selbstkasteiung betreiben?
    Nee, wieso? Jeden Morgen einmal in den Spiegel gucken ist doch Strafe genug.

    Hahaha! Der war gut, oder?

    Na gut, ich bin dann mal eben im Keller, das Niveau wieder hochholen.

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