Die Niederlande galten als Inbegriff von Weltoffenheit und Freiheit - nicht nur wegen der liberalen Drogenpolitik. Doch die gefeierte Multi-Kulti-Gesellschaft ist nicht mehr. Stattdessen kippt die Stimmung. Rufe nach Integration, und Anpassung werden laut. Verschärft wird über Kriminalität und soziale Probleme unter Immigranten diskutiert.
Multikulti ade. Eine Islamkritikerin mischt den niederländischen Wahlkampf auf Rund drei Millionen Menschen ausländischer Herkunft leben zurzeit in den Niederlanden. Einwanderer aus den ehemaligen Kolonien der einstigen Seemacht, wie Java, Antillen und Surinam, prägen das Straßenbild genauso wie zahlreiche Immigranten aus der Türkei und anderen arabischen Staaten. Fast 1,4 Millionen Muslime leben in dem traditionell protestantischen Land. In einigen Großstädten ist der Islam mittlerweile die stärkste Religion
Lange Zeit waren die Niederländer stolz auf ihre Integrationspolitik. Bei ihren europäischen Nachbarn galt sie als vorbildlich. Von den Einwanderern wurden keine allzu großen Anpassungsleistungen verlangt. Im Gegenteil, die eigene christliche Kultur dürfe nicht zu dominant werden, glaubte man. So wurde der Türkisch- und Arabischunterricht für muslimische Kinder mit Milliardenbeträgen subventioniert. Doch der Traum von der Multi-Kulti-Gesellschaft scheint ausgeträumt.
Streit wird polemisiert
Seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 wächst das Misstrauen der Niederländer gegenüber ihren muslimischen Mitbürgern. Der 2002 ermordete Rechtspopulist Pim Fortuyn machte als Erster aus seinem Hass keinen Hehl. Öffentlich wetterte er gegen illegale Zuwanderer. Die Grenzen sollten dicht gemacht werden, forderte er. Den Islam nannte er eine "rückständige Kultur". Solch ausländerfeindliche Polemik war die Welt aus dem gefeierten Land der Toleranz nicht gewöhnt. Doch dies war erst der Anfang. Seit Monaten wird nun schon in den von einer schweren Wirtschaftskrise gebeutelten Niederlanden über illegale Einwanderung und die hohe Arbeitslosigkeit und Kriminalität in den Einwanderervierteln gestritten - und polemisiert.
Erstmals wurde deutlich, dass sich Islamisten jahrelang ungestört eine eigene Welt aufbauen konnten. In ihren niederländischen Moscheen rufen einige Imame seit Monaten zum Dschihad gegen "Juden und Kreuzfahrer" auf. Eine "Integration unter Beibehaltung der eigenen Identität" sei einer der "größten Fehler" gewesen, den der niederländische Staat habe machen können, meint der Soziologe Paul Scheffler. Ist also alles eine Folge verfehlter Ausländerpolitik, oder ist die Idee von der Multi-Kulti-Gesellschaft an sich eine Illusion? Eine parlamentarische Untersuchungskommission soll bis Ende des Jahres die Ursachen und Folgen des Stimmungswandels in den Niederlanden klären.
Quelle:
Gesprächsgast in der Kulturzeit-Sendung vom 11.11.2003: Ruud Koopmans, Soziologe
vielleicht regt sich hier ja auch bald mal etwas