Bei dieser Diskussion wird häufig vergessen, daß bereits heute der Islam nach dem Christentum die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in der EU ist, man geht davon aus, daß schätzungsweise 15 Millionen Muslime in den Mitgliedstaaten der EU leben. Europa wurde geprägt durch eine Vielfalt an religiösen und nicht-religiösen Einflüssen. Schon das macht die Aus- und Abgrenzung gegenüber einer Religion schwierig, wenn nicht gar unmöglich.Europa ist kein geografisch fest begründetes Gebilde wie Afrika, Amerika oder Australien: das Römische Reich umfasste z.B. das Mittelmeer, nicht jedoch Skandinavien und Osteuropa; auch die Renaissance hat Nord- und Osteuropa nicht so stark geprägt wie den Westen. Dennoch spricht niemand diesen Ländern die Zugehörigkeit zu Europa ab. Das „christliche Abendland“ umfasste nie Byzanz und doch gehört für uns Griechenland selbstverständlich zu Europa. Der byzantinisch geprägte Raum kannte weder die konstitutive Trennung von Kirche und Staat, noch die daraus abgeleiteten Perioden der Renaissance und Aufklärung.
Im 21. Jahrhundert stehen wir vor der Herausforderung, die Konfrontation zwischen dem Islam und dem Westen zu überwinden. Europa kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Die Mitgliedschaft der Türkei würde deutlich zeigen, dass die EU keinen Kampf der Kulturen will, das europäische Modell von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie ist auch eine Perspektive für Länder mit muslimischer Bevölkerung. Hier könnte ein konkreter Gegenentwurf für eine aufgeklärte und dennoch islamisch geprägte Kultur mit größerer Sterahlwirkung entstehen, als das die Bemühungen der Amerikaner im Irak je erwarten lassen.