Ende der Illusion - Islam, Koran und das Christentum
Vor fünfzehn Jahren war ich der Imam einer Moschee in der ägyptischen Stadt Gizeh, wo sich die berühmten Pyramiden befinden. (Der Imam einer Moschee hat eine ähnliche Stellung wie der Pastor einer christlichen Gemeinde.) Dort hielt ich freitags zwischen zwölf und ein Uhr mittags die wöchentliche Predigt und erfüllte noch andere Aufgaben.
An einem Freitag war das Thema meiner Predigt der Djihad. Ich sagte den zweihundert fünfzig Leuten, die vor mir auf dem Boden saßen:
Der Djihad im Islam bedeutet, die islamische Nation und den Islam gegen Angriffe von Feinden zu verteidigen. Der Islam ist eine Religion des Friedens und bekämpft nur die, die gegen ihn kämpfen. Diese Ungläubigen, die Heiden, die Pervertierten, die Christen und die Juden, die Allah Kummer bereiten - sie verbreiten aus Neid auf den friedlichen Islam und seinen Propheten den Mythos, der Islam werde durch das Schwert und durch Gewalt aus*gebreitet. Diese Ungläubigen, die Ankläger des Islam, erkennen Allahs Worte nicht an.
An dieser Stelle zitierte ich aus dem Koran:
Und tötet niemanden, dessen Tötung Allah verboten hat, es sei denn für eine gerechte Sache (Sure 17,33, The Noble Quran).
Als ich diese Worte sprach, hatte ich gerade mein Studium an der Azhar-Universität in Kairo abgeschlossen - der ältesten und angesehensten islamischen Universität der Welt. Sie stellt eine geistliche Autorität für den weltweiten Islam dar. Ich lehrte an der Universität, und an den Wochenenden war ich Imam in dieser Moschee.
Meine Predigt über den Djihad an jenem Tag entsprach der Philosophie der ägyptischen Regierung. Auf der Azhar-Universität wurden wir auf einen politisch korrekten Islam ausgerichtet, und Lehrinhalte, die mit der ägyptischen Obrigkeit im Widerstreit lagen, wurden geflissentlichübersehen.
Ich predigte das, was man mir beigebracht hatte, doch innerlich war ich bezüglich der Wahrheit des Islam verunsichert. Wenn ich aber meinen Job und meinen Status an der Azhar-Universität nicht verlieren wollte, musste ich meine Gedanken für mich behalten. Schließlich wusste ich, was mit Leuten passierte, die von der Azhar-Linie abwichen. Sie wurden entlassen und würden keine Dozentenstelle an irgendeiner anderen Universität des Landes mehr bekommen.
Ich wusste, dass das, was ich in der Moschee und an der Universität lehrte, nicht dem entsprach, was ich aus dem Koran kannte, den ich mit zwölf Jahren bereits auswendig gelernt hatte. Was mich am meisten verunsicherte, war, dass man mir sagte, ich solle über einen Islam der Liebe, Freundlichkeit und Vergebung predigen. Zur gleichen Zeit waren muslimische Fundamentalisten - also diejenigen, die für sich in Anspruch nahmen, den wahren Islam zu praktizieren - dabei, Kirchen zu bombardieren und Christen umzubringen.
Zu dieser Zeit war die Djihad-Bewegung in Ägypten sehr aktiv. Berichte über Bombenanschläge und Angriffe gegen Christen gab es häufig. Sie waren schon so alltäglich, dass ich selbst eines Tages, als ich mit dem Bus unterwegs war, eine Bombe in einer Kirche explodieren hörte. Als ich auf blickte, sah ich etwa eine Viertelmeile entfernt eine Rauchsäule aufsteigen. Ich war in einer Familie aufgewachsen, die im Islam fest verwurzelt war, und hatte selbst islamische Geschichte studiert. Mit radikalen Gruppen hatte ich nichts zu tun, aber einer meiner muslimischen Freunde war ein Mitglied einer islamischen Gruppe, die aktiv Christen abschlachtete. Die Ironie war, dass er ein Chemiestudent war und erst kürzlich angefangen hatte, seinen Glauben ernst zu nehmen. Dennoch war er aktiv im Djihad. Eines Tages fragte ich ihn: "Warum bringst du unsere Nachbarn und Landsleute um, mit denen wir aufgewachsen sind?"
Er war zornig und verblüfft über meinen Vorwurf. "Das solltest du von allen Muslimen doch am besten wissen. Die Christen haben den Ruf des Islam nicht angenommen, und sie sind nicht bereit, uns die Djizya (Kopfsteuer) für das Recht, ihren Glauben auszuüben, zu bezahlen. Darum bleibt für sie nur das Schwert des islamischen Gesetzes."
Suche nach Wahrheit
Meine Gespräche mit ihm trieben mich dazu, über dem Koran und den islamischen Gesetzbüchern zu brüten, in der Hoffnung, etwas zu finden, was dem, was er sagte, widersprach. Doch an dem, was ich dort las, gab es nichts zu rütteln.
Mir wurde klar, dass ich als Muslim nur zwei Möglichkeiten hatte:
- Ich konnte mir weiterhin den "christianisierten" Islam zu Eigen machen - den Islam des Friedens, der Liebe, der Vergebung und der Barmherzigkeit, den Islam, der für den Staat, die Politik und die Kultur Ägyptens maßgeschneidert war - und auf diese Weise meinen Job und meinen Status behalten.
- Oder ich konnte mich der islamistischen Bewegung anschließen und mir den Islam zu Eigen machen, der dem Koran und den Lehren Mohammeds entsprach. Mohammed sagte: "Ich habe euch etwas hinterlassen (den Koran). Wenn ihr an dem festhaltet, was ich euch hinterlassen habe, werdet ihr nicht für immer in die Irre geführt werden."
Viele Male versuchte ich, die Art von Islam, die ich praktizierte, vor mir selbst zu rechtfertigen, indem ich mir sagte:
Nun, so weit daneben liegst du gar nicht. Schließlich gibt es im Koran ja tatsächlich Verse über Liebe, Frieden, Vergebung und Barmherzigkeit. Du brauchst nur die Teile zu ignorieren, die vom Djihad und von der Tötung der Nichtmuslime sprechen.
In dem Bestreben, dem Djihad und der Tötung von Nichtmuslimen aus dem Weg zu gehen, griff ich nach jeder Auslegung des Korans, doch überall wurden diese Praktiken befürwortet. Die Gelehrten waren sich einig, dass Muslime den Djihad gegen die Ungläubigen (alle, die den Islam ablehnen) und die Abtrünnigen (alle, die dem Islam den Rücken kehren) führen müssen. Doch der Djihad war nicht mit anderen Versen zu vereinbaren, die davon sprachen, dass man mit anderen im Frieden leben sollte.
All diese Widersprüche im Koran verursachten ein echtes Problem für meinen Glauben. Ich hatte vier Jahre damit verbracht, meinen Bachelor-Grad zu erlangen, und hatte mein Examen als Zweitbester eines Jahrgangs von sechstausend Studenten abgelegt. Dann kamen weitere vier Jahre für meinen Magister-Grad und noch einmal drei für meine Promotion - und die ganze Zeit über hatte ich den Islam studiert. Ich kannte seine Lehren sehr gut. An einer Stelle wurde Alkohol verboten; an einer anderen war er erlaubt (vgl. Sure 5,90-91 mit Sure 47,15). An einer Stelle sagt der Koran, die Christen seien sehr gute Menschen, die einen einzigen Gott lieben und anbeten, sodass man mit ihnen Freundschaft schließen könne (Sure 2,62; 3,113-114). Dann findet man andere Verse, die sagen, Christen müssten sich entweder bekehren, Steuern zahlen oder durch das Schwert sterben (Sure 9,29).
Natürlich hatten die Gelehrten theologische Lösungen für diese Probleme, aber ich fragte mich, wie Allah, der Allmächtige, sich so oft selbst widersprechen oder so oft seine Meinung ändern konnte. Selbst Mohammed, der Prophet des Islam, praktizierte seinen Glauben auf eine Art und Weise, die dem Koran widersprach. Im Koran hieß es, Mohammed sei gesandt, um der Welt die Barmherzigkeit Gottes zu zeigen. Doch er wurde zu einem Militärdiktator, der andere angriff, tötete und ausplünderte, um sein Imperium zu finanzieren. Inwiefern zeigt das Barmherzigkeit?
Allah, der Gott, der im Koran geoffenbart wird, ist kein liebender Vater. Es heißt dort, er verlange danach, Menschen in die Irre zu führen (Sure 6,39; 126). Er hilft denen nicht, die von ihm in die Irre geführt werden (Sure 30,29), und verlangt danach, mit ihnen die Hölle zu bevölkern (Sure 32,13).
Der Islam ist voller Diskriminierung - gegen Frauen, gegen Nichtmuslime, gegen Christen und ganz besonders gegen Juden. Der Hass ist in diese Religion eingebaut.
Die islamische Geschichte, die mein besonderes Fachgebiet war, war nur als ein einziger blutiger Strom zu charakterisieren.
Gefährliche Fragen
Schließlich kam ich an den Punkt, wo ich den Glauben und den Koran vor meinen Studenten an der Universität in Frage stellte. Einige von ihnen, die zu terroristischen Bewegungen gehörten, waren aufgebracht: "Sie können doch nicht den Islam anklagen! Was ist los mit Ihnen? Sie müssen uns lehren. Sie müssen mit dem Islam übereinstimmen."
Die Universität hörte davon, und im Dezember 1991 wurde ich zu einer Besprechung gerufen. Um den Ablauf des Gesprächs zusammenzufassen: Ich sagte den Leuten, was ich auf dem Herzen hatte. "Ich kann nicht mehr sagen, dass der Koran direkt vom Himmel oder von Allah kommt. Dies kann nicht die Offenbarung des wahren Gottes sein."
Das war in den Augen dieser Leute pure Gotteslästerung. Sie spieen mir ins Gesicht. Einer der Männer verfluchte mich: "Sie Lästerer! Sie Hurensohn!" Die Universität feuerte mich und verständigte die ägyptische Geheimpolizei.
Von der Geheimpolizei entführt
Um zu verstehen, was als Nächstes geschah, müssen Sie sich ein Bild davon machen, wie meine Familie lebte. Mein Vater hatte ein sehr großes Haus mit drei Stockwerken. Darin lebte meine ganze Familie zusammen - meine Eltern, meine vier verheirateten Brüder mit ihren Familien, mein unverheirateter Bruder und ich. Nur meine Schwester wohnte anderswo, weil sie verheiratet war und bei ihrem Mann lebte.
Das Haus war in viele Wohnungen aufgeteilt, und wir lebten sehr angenehm darin. Im Erdgeschoss befanden sich die Wohnung meiner Eltern und eine Wohnung, die ich mir mit meinem Bruder teilte. In den Stockwerken über uns waren die Wohnungen meiner anderen Brüder.
Um drei Uhr morgens in der Nacht, nachdem die Universität mich hinausgeworfen hatte, hörte mein Vater jemanden an die Tür unseres Hauses klopfen. Als er die Tür öffnete, stürmten fünfzehn bis zwanzig Männer herein, bewaffnet mit russischen Kalaschnikow-Sturmgewehren. Sie waren nicht uniformiert, sondern trugen zivile Kleidung. Sofort rannten sie nach oben und überall durchs Haus, weckten alle auf und suchten nach mir. Ich glaube, es waren so viele, die gleichzeitig hereinkamen, dass ich nicht davonlaufen konnte, ehe sie mich fanden.
Sie waren schon übers ganze Haus ausgeschwärmt, als mich schließlich einer von ihnen schlafend in meinem Bett fand. Meine Eltern, Brüder, ihre Frauen und Kinder waren alle wach, weinten und schauten völlig verstört zu, wie die Männer mich davon zerrten. In der Nachbarschaft bekamen alle den Tumult mit.
Ich wurde an einen Ort gebracht, der wie ein Gefängnis aussah, und in eine Zelle geführt. Am Morgen versuchten meine Eltern fieberhaft herauszufinden, was mit mir geschehen war. Sie gingen direkt zur Polizeistation und fragten: "Wo ist unser Sohn?" Doch niemand wusste etwas von mir.
Ich war in den Händen der ägyptischen Geheimpolizei.
Das ägyptische Gefängnis
Bei der ägyptischen Geheimpolizei zu Gast zu sein, ist etwas ganz anderes als ein Aufenthalt in einem amerikanischen Gefängnis. Man steckte mich in eine Zelle zu zwei radikalen Muslimen, die beschuldigt wurden, terroristische Akte begangen zu haben. Der eine war ein Palästinenser, der andere Ägypter.
Drei Tage lang bekam ich weder Nahrung noch Wasser. Jeden Tag fragte mich der Ägypter: "Warum bist du hier?" Ich gab keine Antwort, weil ich Angst hatte, er würde mich umbringen, wenn er hörte, dass ich den Islam in Frage gestellt hatte. Am dritten Tag sagte ich ihm, ich sei Dozent an der Azhar-Universität und Imam in Gizeh. Sofort gab er mir eine Plastikflasche mit Wasser und etwas Falafel und Pita, die ihm seine Besucher mitgebracht hatten, sagte aber, die Polizei hätte ihn gewarnt, mir nichts zu geben.
Am vierten Tag begann das Verhör. Während der folgenden vier Tage war es das Ziel der Geheimpolizei, mich dazu zu bringen, zu gestehen, dass ich vom Islam abgefallen sei, und zu erklären, wie es dazu gekommen war.
Das Verhör begann in einem Raum mit einem großen Schreibtisch. Der Mann, der mich verhörte, saß hinter dem Schreibtisch, und ich saß ihm gegenüber. Hinter mir befanden sich zwei oder drei Polizisten.
Da man davon ausging, ich sei evangelisiert worden und hätte mich zum Christentum bekehrt, drang der Beamte immer wieder auf mich ein: "Mit welchem Pastor haben Sie geredet? Welche Kirche haben Sie besucht? Warum haben Sie den Islam verraten?"
Er stellte mir viele Fragen. Einmal zögerte ich etwas zu lange mit meiner Antwort. Er nickte den Männern hinter mir zu. Sie packten meine Hand und hielten sie auf dem Schreibtisch fest. Der Mann, der das Verhör führte, hatte eine brennende Zigarette in der Hand. Er streckte den Arm aus und drückte sie auf meinem Handrücken aus. Die Narbe habe ich immer noch. Eine weitere Narbe habe ich an meiner Lippe, wo sie dasselbe machten. Mal verbrannte er mich mit einer Zigarette, wenn er wütend wurde, mal bekam ich einfach einen Schlag ins Gesicht von einem der Beamten.
Je länger mein Verhör dauerte, desto stärker wurde der Druck. Einmal kamen sie mit einem Schürhaken ins Zimmer (einer Eisenstange, die benutzt wird, um brennendes Holz im Feuer zu bewegen). Wozu ist der denn gut?, fragte ich mich. Als der Mann, der mich verhörte, das nächste Mal seiner Frage Nachdruck verleihen wollte, fand ich es heraus. Der Schürhaken war glühend heiß, und einer der Beamten presste ihn auf die Haut meines linken Arms. Sie wollten von mir ein Geständnis hören, dass ich mich bekehrt hatte, doch ich sagte: "Ich habe den Islam nicht verraten. Ich habe nur gesagt, was ich glaube. Ich bin ein Akademiker. Ich bin ein Denker. Ich habe das Recht, über jedes Thema im Islam zu diskutieren. Das gehört zu meinem Beruf und zu jeder akademischen Tätigkeit. Ich würde mir im Traum nicht einfallen lassen, mich vom Islam abzukehren - er ist mein Blut, meine Kultur, meine Sprache, meine Familie, mein Leben. Aber wenn Sie mir wegen der Dinge, die ich Ihnen gesagt habe, vorwerfen, ich hätte mich vom Islam abgekehrt, dann nehmen Sie mich aus dem Islam heraus. Es macht mir nichts aus, nicht mehr zum Islam zu gehören."