Deutscher Bundestag - Wissenschaftlicher Dienst - WD 8 - 121/07 (Auszug)
Raketenabwehr – technische Aspekte und naturwissenschaftlicher Hintergrund
- INFO-BRIEF -
Dr. Daniel Lübbert OTL i.G. Christian Behme Felix Faltin
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2. Die Funktionsweise von Interkontinentalraketen
2.1. Funktionsweise von Interkontinentalraketen (ICBMs)
Eine Interkontinentalrakete (Interkontinentale Langstreckenrakete; engl: Intercontinen- tal Ballistic Missile, ICBM) besteht aus einer meist mehrstufigen Trägerrakete, einem integrierten Lenksystem und einem oder mehreren auf der Rakete montierten Gefechtsköpfen. (5) Sie hat eine Reichweite von mindestens 5.500 Kilometern, meist aber
10.000 Kilometern oder mehr. In der Startphase beschleunigt die Trägerrakete das Geschoss innerhalb weniger Minuten auf hohe Geschwindigkeiten (6-7 Kilometer pro Sekunde oder mehr, entsprechend 20.000–30.000 Stundenkilometer). Ist die Endgeschwindigkeit erreicht, so wird die leergebrannte Trägerrakete abgetrennt und fällt zur Erde zurück oder verglüht in der Atmosphäre. Der Gefechtskopf wird aus der Erdatmosphäre hinausgeschossen und erreicht große Höhen von mehreren Hundert bis über 1.000 Kilometern über dem Erdboden.
Er fliegt auf einer parabelförmigen Bahn antriebslos weiter, ähnlich einem Wurfgeschoss oder einer Kanonenkugel. Da er sich im luftleeren Raum befindet, wird sein Flug durch nichts gebremst, bis er schließlich in der Nähe des Ziels wieder in die Erdatmosphäre eintritt. Die Flugbahn nach Brennschluss des Raketentriebwerks ist aus einfachen physikalischen Gesetzen leicht zu berechnen und der Aufschlagpunkt leicht vorherzusagen (vgl. APS 2003; CBO 2004). Aufgrund der hohen Fluggeschwindigkeiten werden in dieser Freiflugphase Distanzen von 10.000 Kilometern und mehr in nur etwa 20-30 Minuten Flugzeit zurückgelegt.
Die Reichweite einer Interkontinentalrakete hängt entscheidend von der am Ende der Startphase erreichten Endgeschwindigkeit ab. Um diese zu erhöhen, haben ICBMs in der Regel nicht nur eine, sondern zwei bis drei Antriebsstufen, die nacheinander gezündet werden. Indem nach Brennschluss jeder einzelnen Stufe Ballast (ein Teil der Tanks und Antriebssysteme) abgeworfen wird, können die verbleibenden Komponenten leichter weiter beschleunigt werden. Allerdings dauert die Startphase einer mehrstufigen Rakete insgesamt länger als im einstufigen Falle.
Der Antrieb kann entweder mit Flüssigtreibstoff oder festem Treibstoff betrieben werden. Flüssigstoffraketen verwenden einfachere Technologie und sind in der Konstruktion weniger aufwändig. Dafür sind sie komplizierter zu betanken, was ihren Betrieb und die Wartung erschwert und gefährlicher macht. Feststoffraketen hingegen sind in der Herstellung technologisch äußerst aufwändig, ihre Wartung dafür einfach. Beim Start bieten Feststoffraketen den Vorteil einer schnelleren Beschleunigung, so dass sie mit Antriebsphasen von insgesamt 3 Minuten oder kürzer auskommen, wogegen Flüssigstoffraketen Antriebsphasen von mindestens 4 Minuten haben (vgl. APS 2003, CBO 2004).
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