Zitat von
Rumpelstilz
Ich greife einmal zwei Dinge heraus, die ich selbst überprüft habe, nachdem ich ab 2015 Lima und Peru auf eigene Faust und oft alleine erkunden konnte.
In den 80er und 90er Jahren war ich ja immer nur auf Urlaub in Peru, zwar meistens für einen Monat oder mindestens drei Wochen, aber eben immer in Begleitung. Damals gab es in Peru auch noch bürgerkriegsähnliche Zustände und Terrorismus. Alleine von daher war es sicher auch nicht sinnvoll, alleine durch ärmere Viertel streifen zu wollen.
1)
Meine erste Ehefrau, auch schon Peruanerin, war immer erstaunt, wie viele verlotterte Leute in der Öffentlichkeit in der BRD zu sehen waren. Viele rochen auch echt übel, wuschen sich anscheinend nicht und benutzten auch kein Deo oder wechselten wenigstens die Wäsche. Nur eine dieser Massnahmen reicht ja schon, um nicht als Stinker unangenehm aufzufallen.
Das war die Aussage meiner Frau vor 30 Jahren und ab 2015 konnte ich das auch selbst in Peru überprüfen. Gerade wenn man morgens oder abends im Bus fährt in einkommensschwachen Gegenden, sieht man immer Frauen im Bus mit nassen Haaren. Einen Fön benutzt hier kaum jemand und so kann man einfach sehen, dass sie gerade noch zuhause geduscht haben.
Es stinkt auch niemand in Bus, auch wenn dieser voll sein sollte wie eine Sardinenbüchse. Dabei ist Körperpflege sicher nicht billig. Der monetäre Umtauschkurs von Euro zu Sol ist 1:4, aber im Alltag kann man allgemein 1:1 zu rechnen. Der monatliche Mindestlohn ist jetzt S/ 1030. So ein Roller-Deo mit 50 ml kostet schon mindestens S/12 und ein 150-ml-Spray S/ 9,50, wenn man es günstig bekommt. Also solch ein Deo kostet das Hunderstel des monatlichen Mindestlohnes.
Die meisten Touristen und Expats trauen sich ja noch nicht einmal in die ärmeren Viertel, weil allgemein davon abgeraten wird. So können sie aber auch mit eigenen Augen gar nicht sehen, wie es dort ist. Als mich meinen peruanischen PKW-Führerschein machte 2017, war die praktische Prüfung auf dem Verkehrsübungsplatz in Ancón, dem nördlichsten Distrikt in Lima. "Circuito de manejo Ancón", da gibt es zig Videos auf youtube, Kann sich jeder selber ansehen, wie es dort aussieht.
Busse fahren da erst in zwei Kilometer Entfernung. Taxis fahren zwar dort hin, aber wenn man zurück will, warten da keine. Es zirkulieren nur Mototaxis. Da ich schon früh morgens auf meine praktische Prüfung wartete, konnte ich die umliegenden Siedlungen betrachten. Das waren fast alles Holzhäuser und fliessend Wasser hatten die wohl auch nicht, denn ich sah mehrere blaue Tanklaster (für Trinkwasser) auf den Strassen der Berghänge herumfahren. Das waren also "echte" Armenviertel.
Ich sah mir aber auch die Leute an, die da von den Hängen herab kamen, die Meisten wohl auf dem Weg zu einer Arbeit. Und diese Leute waren durch nichts zu unterscheiden von denen, die man auch im Zentrum Limas auf den Strassen oder in den Bussen sieht.
Von Campingurlauben in Südfrankreich in meinen jüngeren Jahren weiss ich auch selbst, dass es gar nicht so kompliziert ist, sich auch unter widrigen Bedingungen herauszuputzen wie ein normaler zivilisierter Mensch. Ist halt umständlicher und dauert auch länger, ist aber alles machbar.
2)
Ebenfalls erklärte mir meine erste Ehefrau, dass wenn mir jemand etwas Böses will in Peru, dass so etwas fast immer aus materiellen Gesichtspunkten geschieht. Also ein körperlicher Angriff geschieht aus kriminellen Beweggründen, um sich materiell zu bereichern, aber nicht, weil jemand schlechte Laune hat oder weil ihm langweilig ist.
Und so habe ich das auch erlebt. Wenn ich z.B. gegen Mitternacht alleine auf der Strasse war in einem sog. ärmeren Viertel, wo weder Polizei noch Serenazgos (so eine Art Gemeindepolizei ohne Schisswaffen) patroullieren und es kamen mir etwa 20 junge Männer entgegen, einer einen Fussball in der Hand, dann hat mich niemals auch nur einer von denen "scheel angeschaut" oder gar eine blöde Bemerkung gemacht. Die liefen immer an mir vorbei, als ob ich nicht existierte. Es waren also "wirkliche" junge Männer und keine "jungen Männer" wie in der BRD.
Auch in den Parks lungern zwar ab 22:00 Uhr schon merkwürdige Gestalten herum und überwiegen das normale Publikum, welches meist Trinker sind in Gruppen, Liebespaare, Leute die ihre Hunde ausführen oder Eltern, die auch noch gegen Mitternacht mit ihren Kindern dort Ball spielen. Aber auch diese merkwürdigen Gestalten verhalten sich gegenüber anderen völlig neutral. Die mögen untereinander herumblödeln, Fremde allerdings glotzen sie weder an, noch machen sie irgendwelche Bemerkungen.
Es gibt keinen fliessenden Übergang zwischen Pöbeln, Vandalismus und Kriminalität, eben weil hier so gut wie nie jemand pöbelt, weil es eben keinen materiellen Nährwert einbringt. Wenn man jemandem ein Handy aus der Hand reisst, kann man das weiterverkaufen, aber wenn man jemand dumm anquatscht, gibt es null finanziellen Vorteil.
Deswegen gibt es nur Verbrecher, die sich unscheinbar geben, aus dem Nichts auftauchen und auch dorthin wieder verschwinden, aber es gibt keine gewaltbereiten Wegelagerer, die herumblödeln, weil das kein Einkommen erzielt.