Morgen entscheidet sich, ob die Türkei als neue Schweiz, als Brücke zwischen Ost und West erhalten bleibt. Die Bedeutung dieser Wahl ist kaum zu überschätzen und sie verdient darum m.E. einen eigenen Thread. Der Oppositionsführer mit dem unaussprechlichen Namen hat den Auftrag, die Türkei wieder ins NATO-Boot zu holen, an Erdogan ein Exempel für seine Unbotmäßigkeiten zu statuieren und sich den Rußland-Sanktionen anzuschließen.

Erdogan wiederum schimpft seit geraumer Zeit über die USA, wie es sich noch niemals ein NATO-Mitglied herausgenommen hat und ist darob vor allem in DE vom stadionfüllenden Helden der Überfremdung zur persona non grata mutiert, die rückgängig zu machen pardon "abzuwählen" ist.

Das Rennen wird knapp, gegenseitige Vorwürfe der Wahlfälschung sind vorprogrammiert. Und eigentlich geht es für beide Seiten um alles, so daß keine nachgeben kann. Wie bei westlichen Siegern so üblich, wird über Erdogan im Falle seiner Niederlage Gericht gehalten werden. Ein Sieg hingegen wäre praktisch der Auftrag und auch der ideale Zeitpunkt, endgültig der NATO und dem sinkenden Schiff EU den Rücken zu kehren.

Die Türkei lebt zwar noch ganz gut als Brücke zwischen den Welten, aber die Bush-Doktrin "Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns" ist stärker denn je in Kraft. Sie wird sich für eine Seite entscheiden müssen, und die Wahl für die russisch-chinesische dürfte bei der Vorgeschichte dieser Wahl nicht schwerfallen. Zumal unter chinesischer Führung gerade der Nahe Osten friedlich zusammenwächst und die Türkei hier eine der Führungsrollen übernehmen könnte, statt ewig als Bittsteller vor den EU-Toren zu stehen.

Einen stabilisierenden Faktor könnten ausgerechnet die Millionen Türken vor allem in Deutschland darstellen. Deren drohender Unmut dürfte DE und EU davon abhalten, gegen die Türkei allzu starke Sanktionen zu verhängen. Außerdem hat Erdogan nach dem mißglückten Putsch gegen ihn ordentlich im Staatsapparat aufgeräumt, so daß allzu selbstmörderische Sanktionen gegen Rußland wohl nicht oder nicht schnell durchkommen werden.

Ich hoffe dennoch, daß die Türkei ihre Vermitterrolle fortsetzen kann, und dafür steht wenn überhaupt jemand, dann Erdogan. Wohlgemerkt: Es geht mir nicht um seine Innenpolitik und um seine sonstigen Ansichten. Die sind mir so schnuppe wie nur irgendetwas und gehen mich auch nichts an.