ZDF / 11.01.2022 / von Steffanie Riess / Washington
Umstrittenes US-Gefangenenlager
20 Jahre Guantánamo - und immer noch da
Vor 20 Jahren wurden die ersten Gefangenen nach Guantánamo Bay gebracht. Menschenrechtler fordern die Schließung, Obama und Biden versprachen sie - aber Guantánamo ist noch da.
Männer in orangefarbenen Overalls in
Käfigen. Bilder, die um die Welt gingen, Symbol für den "Krieg gegen den Terror", den die USA nach den Anschlägen des 11. September ausgerufen hatten. 20 Jahre, nachdem die ersten Gefangenen hier ankamen, ist das Lager von Guantánamo praktisch aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden. Doch es besteht nicht nur weiter,
ein Ende ist
nicht in Sicht.
Außerhalb des Hoheitsgebiets - frei vom Zugriff regulärer Gerichte
Als der damalige Präsident George Bush im September 2001 dem Terror den Krieg erklärte, begannen die USA eine weltweite Jagd auf mutmaßliche islamistische Terroristen. Der Marinestützpunkt in
Guantánamo Bay, Kuba, außerhalb des Hoheitsgebiets der Vereinigten Staaten gelegen und damit frei vom Zugriff regulärer Gerichte, bot eine Möglichkeit Gefangene
unbefristet und
ohne Prozess festzuhalten.
Als "unlawful combatants" (dt.: "unrechtmäßige Krieger") wurde ihnen außerdem das Recht auf den Schutz als Kriegsgefangene nach den Genfer Konventionen verwehrt.
Insgesamt brachten die USA fast
800 Gefangene aus rund
40 Ländern nach Guantánamo. Darunter hochrangige Terrorverdächtige wie Chalid Scheich Mohammed, mutmaßlicher Drahtzieher der Anschläge des 11. September.
Schuldig oder nicht
Darunter waren aber auch zahlreiche Menschen, die vermutlich aufgrund von unglücklichen Umständen oder fehlerhaften Informationen ins Netz der US-Truppen gingen und die jahrelang unschuldig festgehalten wurden, ohne Aussicht auf ein reguläres Verfahren oder ein Ende ihrer Haft.
Bis heute sitzen zehn Männer in Guantánamo, gegen die noch nicht einmal Anklage erhoben wurde.
Laut einem Urteil des Obersten Gerichtshofes der USA verstößt
* Internierung ohne ordentliches Gerichtsverfahren nicht nur gegen
internationales Recht, sondern auch gegen die
Verfassung der Vereinigten Staaten.
Fünf der ranghöchsten Taliban wurden in Guantánamo festgehalten und gefoltert. Aber sie blieben unbeugsam, während ihre Glaubensbrüder längst die Rückeroberung Afghanistans vorbereiteten. Unmenschliche Haftbedingungen wie lange Perioden in Isolationshaft, die Zwangsernährung von Hungerstreikenden sowie der Einsatz von sogenannten
"enhanced interrogation methods" (dt.: "erweiterte Verhörmethoden") wie simuliertem Ertrinken zur Informationsgewinnung, führten international zu scharfer Kritik. Menschenrechtsorganisationen fordern seit vielen Jahren die Schließung des Lagers.
Neuer Gerichtssaal statt Schließung
Schon 2008 machte Präsident
Barack Obama dies zu einem zentralen Versprechen seines Wahlkampfes - in seinen Augen habe Guantánamo der "moralischen Autorität der USA geschadet". Mehrere Vorstöße blieben jedoch erfolglos. Auch Präsident
Joe Biden will das Lager bis zum Ende seiner Amtszeit schließen. Bisher gibt es dafür allerdings nur wenige Anzeichen. Im Gegenteil:
"Verbesserungsmaßnahmen", wie der Bau eines neuen Gerichtssaals, schreiten voran. Und von insgesamt zwölf bereits zur Entlassung freigegebenen Gefangenen wurde in Bidens erstem Regierungsjahr nur ein einziger in sein Heimatland überstellt.
Nur wenige Länder wollen Ex-Terrorverdächtige aufnehmen
Ein Problem der US-Regierung ist es, Länder zu finden, die bereit sind ehemalige Terrorverdächtige aufzunehmen. Auch die komplexe Frage, wie laufende Verfahren der Sonderkommissionen auf US-Boden weitergeführt werden könnten, bleibt ungeklärt. Viele sprechen von den
39 bis heute in Guantánamo einsitzenden Häftlingen bereits als
"ewige Gefangene" mit wenig Hoffnung, das Lager jemals wieder verlassen zu können.
Steffanie Riess ist Mitarbeiterin im ZDF-Studio Washington.
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