Ukrainische Kämpfer berichten von schlimmen Zuständen in Bachmut
Schlecht ausgebildete Soldaten, Probleme beim Nachschub und massenhaftes Sterben im Kampf um eine Stadt, die beinahe vollständig zerstört und nur noch ein Symbol ist: So oder so ähnlich lauten in den vergangenen Monaten immer wieder Berichte über die russischen Streitkräfte bei Bachmut. Über Opfer auf Seiten der Ukraine dringt nur wenig nach Außen.
Nun äußern sich ukrainische Soldaten in einem bemerkenswerten Interview zu ihrer Situation in Bachmut,*in der englischsprachigen Zeitung*Kyiv Independent. Darin schildern sie eindrücklich, dass auch die Ukraine unter hohen Verlusten kämpft. Sie beklagen sich über fehlende Munition und Ausrüstung, sie berichten von Männern, die nach zweiwöchigen Crash-Kursen nach Bachmut geschickt werden.
Uns wurde versprochen, dass wir nicht gleich auf die Nulllinie geschickt werden, sondern erst auf die zweite oder dritte Linie. Und dann kamen wir mitten in der Nacht hierher und sie schickten uns sofort nach Bachmut.
Ukrainischer Soldat in Bachmut
Einige Soldaten fordern auch das, was in der Ukraine bisher offiziell nicht ausgesprochen werden soll: einen Rückzug aus Bachmut. Bislang legen der ukrainische Generalstab und auch das Präsidialamt Wert darauf, dass die Ukraine die Stadt noch kontrolliert und sich erst zurückziehen werde, wenn das nötig sei. Tatsächlich ist die Stadt beinahe komplett von russischen Truppen und Wagner-Söldnern umstellt, nur noch eine Straße führt in den Westen. Verteidigungsanlagen im Hinterland von Bachmut zeugen außerdem davon, dass sich die Ukraine längst darauf vorbereitet hat, die Stadt aufzugeben. Doch die Taktik scheint weiterhin zu sein, die Russen dort möglichst lange zu hohen Verlusten zu zwingen.
Die Soldaten in Bachmut sehen das offenbar teilweise kritisch. In der schwer zerstörten Stadt gebe es immer weniger Rückzugsmöglichkeiten vor den russischen Dauerangriffen. Ein Soldat sagt: "Ich sage mal so: Wir sollten unsere Leute rausholen, denn wenn wir nicht abziehen, wird es in den nächsten Wochen schlimm.“
Solche Aussagen von Seiten der Ukraine haben in diesem Krieg Seltenheitswert. Die ukrainische Regierung versucht genauso wie die russische, jede Information zu kontrollieren, die von der Front an die Öffentlichkeit kommt. Dass Soldaten mit Journalisten sprechen, ohne die Freigabe vom Verteidigungsministerium zu erhalten, ist unüblich.