Das ist eins meiner Lieblingsthemen! Vor rund 15 Jahren bin ich von einem US-Amerikaner in einem Jahresbewertungsgespräch mal abgewertet worden, weil ich immer stundenlang am Computer saß, und so wenig von mir gab. Erwartet wurde, dass ich ständig darumrenne, am Telefon hänge, smalltalk mit den Kollegen betrieb, und natürlich auch Überstunden mache. Was für ein Quatsch! Ich war top organisiert, und die operative Arbeit war nach drei bis vier Stunden erledigt, und die war schon künstlich verlangsamt, weil es mir peinlich war und ist, nebenbei Leerlauf zu haben.
Der Geschäftsführer hatte einen Haufen Stapel auf seinem Schreibtisch. Das kommt auch noch dazu. Leere, aufgeräumte Schreibtische und dann auch noch geschlossene Schränke wirken sehr suspekt. Da hat jemand nicht genug zu tun. Dummerweise ging mir das aber in fast jedem Job so. So richtig in Arbeit abgesoffen bin ich nur in einem Projekt in 2016. Da hatte die Vorgängerin schon einen Beinahe-Burnout. Aber selbst da konnte ich noch den einen oder anderen Prozess verschlanken.
Ab einer gewissen Hierarchie wird aber gar nicht mehr operativ gearbeitet, sondern nur noch in meetings oder Videocalls abgehangen. Für mich ist das ein Gräuel. Ich weiß nicht, wie man so arbeiten kann, ohne durchzudrehen.
Don't ask for sunshine!
Die wenigsten Betriebe bilden wirklich nach Ausbildungsverordnung aus, das ist im Einzelhandel nicht anders als im Handwerk.
Die Bertriebe wissen genau, dass nach der Lehre - sofern der Delinquent überhaupt durchhält - ein Großteil der Azubis was ganz anderes macht: Studieren, anderer Betrieb, andere Branche, Selbstständig machen, Weltreise, chillen usw.
Also werden die meiszen Azubis einfach als billige Hilfskräfte eingesetzt, das ist eben die Wahrheit.
Hinter dem dualen Ausbildungssystem in Deutschland steht eine riesige Lobby, IHKs und Handwerkskammern, Weiterbildungsträger, Schulen usw.
Die haben alle ein interesse daran, den Status Quo zu erhalten und immer mehr auszubauen.
Ein gutes Beispiel ist hier der Pflegebereich: Eine vormals reine Hilfs- und Assistententätigkeit wird immer mehr verakademisiert, Krankenschwestern gehen schon auf "Fachhochschulen" also sollen studieren, aber wofür eigentlich? Angeblich macht es den Beruf attraktiver, mehr Wertschätzung blablabla...
Wie fast jeder Unsinn kommt auch dieser Unsinn aus Amerika.
Natürlich gibt es nicht nur Schwarz und Weiß, es gibt sehr gute und hochwertige Ausbildungen, vor allem im Handwerk.
Wenn der Betrieb das ernst nimmt, was aber schwierig ist, weil eben die Chefs in der Regel unternehmerisch denken und keine Gutmenschen sind.
Ich las neulich in der Lokalzeitung eine Anzeige:
Wir suchen dringend Mitarbeiter für den mobilen Pflegedienst, auch ohne Ausbildung und ohne Vorkenntnisse.
Wie fühlt sich wohl so eine "examinierte Pflegekraft", wenn sie nach all den Knüppeln die ihr in den Weg gelegt wurden sie nun plötzlich die neuen "Bewerber" im Schnellverfahren durch einen Crashkurs bringen darf, damit die Person, vielleicht noch mit dürftigen Deutschkenntnissen, in 4 Wochen selber mit dem AUto die alten Menschen abklappert?
Genau. Wenn man exakt so arbeitet, wie einem Arbeitscoaches beibringen inkl. top organisiertem Schreibtisch und Laufwerken, handelt man sich nur Probleme ein. Denn dann hat man immer noch jede Menge Zeit, die man rumkriegen muss. In den meisten Fällen handelt man sich Zeitverlust ja nur durch so genannte "showstopper" ein, die sich querstellen, weil sie sich wichtig fühlen wollen. Und außerdem: Wenn jeder top organisiert wäre, würde man aufgrund des Leerlaufs wieder nur auf dumme Gedanken kommen und/oder einen bore-out kriegen. Das ist auch nicht lustig. Lieber burnout.
Don't ask for sunshine!
Natürlich hat Kernkraft ihre Risiken. Es gibt aber keine Energie und nichts auf der Welt ohne Risiken, nicht einmal die Liebe. (Helmut Schmidt, 2008)
Meine Ex macht gerade eine Ausbildung als Pflegefachkraft. Sie kann auch nach 15 Jahren noch nicht richtig Deutsch und muss jetzt kräftig Vokabeln büffeln. Ich kann dir sagen: Die nehmen jetzt wirklich jeden, auch wenn sie den Job wirklich gerne macht. Vor einem Jahr machte sie ein fünftägiges Bewerbungstraining beim Arbeitsamt mit. Dabei kam in einem Test raus, dass sie zu 100% für das Profil eines Stellwerkleiters bei der DB geeignet wäre. Die wollten sie unbedingt da reinbringen! Aber da bekam sie Bedenken, weil ich ihr sagte, dass sie dann konsequent Prozesse abarbeiten müsste, und wenn sie da Fehler macht, gäbe es Tote. Da hat sie dann von abgelassen. Die nehmen bei der DB mittlerweile auch jeden, sogar für den früheren Traumberuf als Lokführer. Ein Wunder, dass es nicht schon viel mehr Unglücke gibt.
Don't ask for sunshine!
Die meisten Aubildungsinhalte sind nur heiße Luft. Angelsachsen lachen nur über unsere Marotten. Die meisten Biodeutschen haben nur Neid auf Berufseinsteiger und wollen sie mit der dreijährigen Ausbildung ausbremsen, damit sie nicht zu schnell überschnappen. Alles, was ich in der Ausbildung lernte, hätte ich auch "on the job" lernen können. De facto taugen die meisten Studiengänge wohl auch nur zum Aussieben derjenigen, die nicht so gut auswendig lernen können. Die Inhalte sind da eher beliebig und Nebensache.
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