Am 8. Januar hat die «Süddeutsche Zeitung» einen Artikel zu
Hans-Georg Maassen und dem C.-H.-Beck-Verlag veröffentlicht. Der Autor Ronen Steinke problematisiert darin, dass der ehemalige deutsche Verfassungsschutz-Chef von dem juristischen Verlag immer noch publiziert werde. Konkret geht es um Maassens Mitwirken am Grundgesetzkommentar Eppinger/Hillgruber. Der Eintrag zum Asylrecht ist aus dem Jahr 2009 und wird seither von Maassen immer mal wieder aktualisiert.
Die «Süddeutsche Zeitung» hat an dem Kommentar nichts zu beanstanden. Umso mehr aber an dem Autor. Maassen sei ein «Verschwörungsrentner», der zum Beispiel ein «Covid-Impfverbot» fordere. Zitiert wird auch ein Bochumer Rechtsprofessor, der bereits im Sommer 2022 in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» sein Unwohlsein damit bekundete, gemeinsam mit Maassen zu publizieren, einem Mann, der die Rettung von Flüchtlingen aus Seenot als «Shuttleservice» verhöhne. C. H. Beck blieb standhaft, man staunte. Allerdings nur zehn Tage.
Am 18. Januar wurde die Zusammenarbeit des Verlags und Maasens für beendet erklärt. Obschon fachlich nichts zu beanstanden sei, wie C. H. Beck betonte, sei eine heftige Diskussion mit fortschreitender Polarisierung entstanden, «bei der sich die unversöhnlichen Positionen verselbständigt haben».
«Advokat des teuflischen Zweifels»
Der Fall von Hans-Georg Maassen ist ein Lehrbeispiel, wie Menschen mit unangepassten Meinungen aus dem Verkehr gezogen werden. Die medialen Mechanismen sind perfid. Ein Journalist schreibt einen Artikel als eine Einschüchterung: Leute, schaut her, da ist ein Verlag, der publiziert einen hochproblematischen Autor. Zwar sei am Werk an sich nichts einzuwenden, aber der Autor agiere in seiner Freizeit in der Sphäre von Rassismus und Verschwörungstheorien. Dann die implizite Frage an den Verlag: Wollen Sie diesem Mann wirklich die Treue halten?
Die Drohung kommt gleich hinzu: Wenn der Verlag den Autor nicht beseitigt, gilt er fortan selbst als kontaminiert, ja im Grunde ist er es schon jetzt. Die «Süddeutsche Zeitung» gibt vor, über die Kooperation von Maassen und dem C.-H.-Beck-Verlag zu «staunen», hat aber auch schon eine Antwort parat: «Kein Zufall – es passt zum Geist des Hauses.» Einen Tag später wird Maassen von der «FAZ» als «Advokat des teuflischen Zweifels an der Verfassungsmässigkeit der deutschen Staatsgewalt» bezeichnet. Da knickt der Verlag ein. Kann man es ihm verübeln?
Ja und nein. Man kann ein gewisses Verständnis entgegenbringen, wenn man weiss, wie der öffentliche Komplex funktioniert. Hätte sich C. H. Beck von Maassen nicht getrennt, hätten linke Journalisten wohl nicht lockergelassen und versucht, das Image des Verlags weiter zu ramponieren.
Angst vor einem ramponierten Ruf
Eine solche Berichterstattung führt nicht nur zur Verunsicherung des Verlags, sondern auch der Autoren. Plötzlich kommt nicht nur Druck von den Medien, sondern auch verstärkter Druck von nervös gewordenen Autoren.
Am Ende geht es nur um die Reputation. Wenn zu viele Leute Angst bekommen, dass ihr Ruf beschädigt wird, wird gehandelt. Das Leichteste in einem solchen Fall ist es, den fraglichen Autor aus dem Programm zu streichen. Die besorgten Autoren sind nun besänftigt (allenfalls auch Politiker, die sich involvieren), die Journalisten geben Ruhe. Ja diese freuen sich vielleicht sogar, dass ihre Kampagne gewirkt hat und der Verlag eingeknickt ist. Sie atmen die Macht – und die Luft ist nun wieder rein, wenn auch meistens nur für kurze Zeit. Denn schon bald ist der nächste Abweichler identifiziert. Die Jagd geht von neuem los.
Angesichts einer solchen Drohkulisse agiert der Verlag rational, er verteidigt die eigene Reputation.
Nur keine Plattform für Abweichler
Sieht man den Entscheid aber in einem grösseren Kontext, so sieht die Sache anders aus. Ein Wissenschaftsverlag ist gerade dabei gescheitert, die Freiheit der Lehre zu verteidigen. Was anscheinend zählt, ist nicht das publizierte Wort, sondern eine angeblich problematische politische Herkunft des Autors. Manche Journalisten scheinen darauf abzuzielen, die Publizistik zu sortieren: hier moralisch geläuterte Verlage, da die Schandecke deutschsprachiger Publizistik. Ein Autor wie Maassen, muss man annehmen, sollte entsprechend nur noch im Antaios-Verlag des rechtsextremen Verlegers Götz Kubitschek publiziert werden.
Ein solcher Angriff mag für den Betroffenen schmerzhaft sein, für die Öffentlichkeit ist er als Einzelereignis uninteressant. Die mediale Kampagne fügt sich allerdings in ein Muster, das einiges über die Gegenwart sagt. Die Bereitschaft, andere Meinungen auszuhalten, nimmt ab. Abweichende Meinungen werden nicht nur diskursiv bekämpft: Die Abweichler sollen nicht mehr in Talkshows auftreten, nicht mehr Mitglieder von bestimmten Parteien sein, sie sollen ihren Verlag verlieren. Nur keine Plattform bieten.
Die Kämpfer gegen «Hetze» und «Spaltung»
Allen voran sind es Aktivisten und aktivistische Journalisten, die in einem Säuberungsfuror versuchen, Menschen die Grundlage öffentlichen Wirkens zu entziehen. Wer etwas Falsches sagt, wird gewarnt. Wer damit nicht aufhört, wird exkommuniziert. Die Journalisten, die an diesen Mechanismen mitwirken, beklagen dann oft schon in ihrem nächsten Artikel wieder «Hetze» und die «Spaltung der Gesellschaft».
Publiziert Hans-Georg Maassen Tweets, die zu kritisieren und die mitunter geschmacklos sind? Ja, ohne Ende. Ist dies ein Grund, dass er nicht mehr für einen Wissenschaftsverlag schreiben soll? Nein.