Denkwürdige Verleihung
Kim de l'Horizon gewinnt Deutschen Buchpreis
Für den Debütroman "Blutbuch" erhält Kim de l'Horizon den Deutschen Buchpreis 2022. Es ist das Buch einer
Familiengeschichte aus
non-binärer Perspektive. Die Preisverleihung war außergewöhnlich.
Was, wenn ein Mensch sich im eigenen Körper nicht zuhause fühlt? Wie findet man eine Sprache für ein non-binäres Körpergefühl? Kim de l'Horizon gelingt das mit "Blutbuch" auf experimentelle und gewagte Weise, und überzeugte damit die Jury des Deutschen Buchpreises 2022. Eine Preisverleihung für ein literarisches Debüt - das darf durchaus als Sensation bezeichnet werden. Mehr als zehn Jahre hat de l'Horizon an dem Roman geschrieben.
Jury bescheinigt literarische Innovationskraft
"Blutbuch" sei von enormer Dringlichkeit und literarischer Innovationskraft, sagte Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, bei der Preisverleihung am Montagabend:
"Mit einer enormen kreativen Energie sucht die non-binäre Erzählfigur in Kim de l’Horizons Roman 'Blutbuch' nach einer eigenen Sprache. Welche Narrative gibt es für einen Körper, der sich den herkömmlichen Vorstellungen von Geschlecht entzieht?"
De l'Horizon bedankte sich unter Tränen, teils auf Schweizerdeutsch und bewies danach Gesangstalent: Statt einer Rede gab es den Song "Nightcall" des französischen Elektro-House-Künstlers Kavinsky und ein politisches Statement, denn de l'Horizon rasierte sich die Haare ab - in Solidarität mit den protestierenden Frauen im Iran. "Das ist ein Zeichen gegen Hass, für die Liebe", sagte de l'Horizon. "Und für den Kampf aller Menschen, die wegen ihres Körpers unterdrückt werden."
Kim de l'Horizon rasiert sich den Kopf
Bei der Dankesrede für den Deutschen Buchpreis hat sich Kim de l'Horizon aus Solidarität mit den Frauen im Iran den Kopf rasiert: "Dieser Preis ist nicht nur mich."
Großmutter als Überfigur
Eine Blutbuche im Garten ist Ursprung und Fluchtpunkt im Leben von Kim, der Hauptfigur dieses Romans, die sich weder als Mann noch als Frau identifiziert. Gepflanzt wurde der Baum zur Geburt der Großmutter - der Großmeer, wie sie im Berndeutschen genannt wird. Im Meer dieser Überfigur droht das Kind Kim zu versinken, gleichzeitig ist sie aber von einer magischen Faszination. Als die Großmeer ihr Wissen und ihre Dominanz an die Demenz verliert, beginnt Kim eine eigene Sprache zu bilden: für Identität und Körperlichkeit, für Herkunft und Prägung.
Es beginnt das Hinterfragen der Familiengeschichte. Welche Traumata haben Mutter und Großmutter erlebt? Warum wurde darüber nie gesprochen? "Warum wird in unserer ganzen Kultur so viel geschwiegen?", fragt Kim de l'Horizon im Kurzporträt des Deutschen Buchpreises. "Weil es weh tut, die Dinge, die wir noch nicht verarbeitet haben, zu benennen." Welche Sätze schreiben wir und welche Sätze schweigen wir? Antwort darauf gibt "Blutbuch".
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