Symmetrische und asymmetrische Kriege
Der klassische Staatenkrieg, wie er die innereuropäische Kriegsgeschichte vom 17. bis ins 20. Jahrhundert prägte, kannte klare Unterscheidungen wie die zwischen Krieg und Frieden, Kombattanten und Nichtkombattanten oder etwa Front und Hinterland. Diese Form des Krieges war in seiner Form
symmetrisch und dies nicht etwa, weil er von gleich starken, sondern weil er von gleichartigen Akteuren, nämlich von
Staaten als Monopolisten des Krieges, geführt wurde.
Als Kriterien für die Symmetrie können die Art und Weise der Rekrutierung und Ausbildung sowie die Bewaffnung genannt werden, aber auch eine bestimmte Form der Rationalität der Kriegsführung. Durch diese Gleichartigkeit konnten sich die Akteure als Gleiche anerkennen und respektieren, was wiederum die
Entwicklung von
Prinzipien und
Normen ermöglichte, nach denen das Völkerrecht Krieg und Frieden ordnen konnte.
Diese Symmetrie war in den außereuropäischen Kriegen, den Kolonialkriegen und den imperialen Eroberungskriegen aber ebenso wenig gegeben, wie sie in den so genannten „neuen“ Kriegen seit dem späten 20. Jahrhundert gegeben ist.
Asymmetrische Konfliktaustragung ist vor allem durch die
qualitative Ungleichartigkeit der Konfliktparteien gekennzeichnet.
Terrorismus ist in diesem Sinn wohl eine der „reinsten“ Formen der asymmetrischen Konfliktaustragung. Münkler arbeitet im vorliegenden Beitrag in ausgezeichneter Weise heraus, dass sich Asymmetrien vorwiegend dort entwickeln, wo Raum und Zeit den konfliktaustragenden Parteien nicht in gleicher Weise zur Verfügung stehen.
Die Nutzung von allen militärischen Bereichen in allen Dimensionen (Luft, See, Weltall, Cyberspace) ist die Richtung, in der der
technologisch überlegene Akteur seine
asymmetrische Überlegenheit entfalten kann.
Der
unterlegene Akteur sucht dies hingegen in schwer zugänglichen Räumen und in der Anwendung unkonventioneller Mittel. In der Regel läuft die technologische Überlegenheit darauf hinaus, die Zeit der Konfliktaustragung durch intensive Gewaltanwendung zu verkürzen, da es einen politischen und sozialen Druck gibt, diesen Konflikt mit möglichst geringen eigenen Verlusten rasch zu beenden. Es ist dies eine
Konsequenz einer verringerten Kriegsführungsbereitschaft
„postheroischer“ westlicher Demokratien.
„Heroische“ und technologisch unterlegene Akteure sind hingegen in der Lage, einen Konflikt aus der
Position asymmetrischer Schwäche zu führen, da sie zumeist über eine höhere mentale Durchhaltefähigkeit und auch -bereitschaft verfügen. Gegen die Beschleunigungspotenziale des überlegenen Akteurs setzen sie auf Mittel, die zur Entschleunigung des Konfliktes führen.
Der Konflikt wird somit zu einem
Abnutzungs- und Ermattungskonflikt transformiert, in dessen Verlauf der gegnerische Wille nicht gebrochen, sondern erschöpft werden soll, um den eigenen Willen zur Geltung zu bringen.
Entscheidend ist also
nicht die Intensität, sondern die
Dauer der Gewaltanwendung. Symmetrie und Asymmetrie in der Konfliktaustragung sind nicht, wie Münkler feststellt, binäre Codierungen in der Art, dass es nur asymmetrische oder symmetrische Kriege gibt, sondern vielmehr die extremen Pole eines breiten Bandes von Möglichkeiten und die meisten Konflikte weisen Charakteristika sowohl der Symmetrie als auch der Asymmetrie auf.
Dennoch ist zu erwarten, dass die Asymmetrien zunehmend überwiegen werden. Da auf Grund der fehlenden Reziprozität die Chance des Interessensausgleichs
beschränkt ist, wird gegenseitige Anerkennung von dem einen als Sieg, von dem anderen als Niederlage wahrgenommen.
Die Bedrohlichkeit asymmetrischer Kriege und Konflikte erwächst so weniger aus ihrer Intensität als aus den fehlenden Mechanismen zu ihrer Beendigung. Diese Erkenntnis scheint gerade hinsichtlich des Kampfes gegen den internationalen beziehungsweise strategischen Terrorismus wichtig, da diese nach wie vor primär mit einem Denken in symmetrischen Kategorien zu begegnen versucht wird.
(Thomas Pankratz)
Quellangabe
Herfried Münkler: Symmetrische und asymmetrische Kriege
Merkur, Jg. 58, Heft 664 (August 2004), S. 649– 659