Der zweite Band von Webers Biographie beginnt mit einer ausführlichen Schilderung Dresdens, des Schauplatzes, auf dem die folgenden Ereignisse sich abspielen sollten, – ein meisterhafter Essai über die äußere Physiognomie, die politischen, socialen und künstlerischen Zustände dieser Residenz zu Anfang des 19. Jahrhunderts. Wir können uns nicht versagen, einige charakteristische Stellen daraus hier mitzutheilen.
„Die Grenzlinie zwischen den Lebensformen des denkenden, kritischen Norden und dem lebenden und genießenden Süden kann man als durch Dresden liegend annehmen. Beidlebig, ohne ausgesprochene Begabung für eine derselben, ist es auf die Würdigung beider angewiesen, ohne ihrer froh werden, in einer derselben sich charakteristisch entwickeln zu können.
Der Umtrieb beider Strömungen schliff den Volksgeist glatt, nahm ihm die Ecken, aber auch die bedeutsamen Formen und bildete ihn umgänglich, nicht leicht nach einer Seite hin offen verstoßend, alles gelten lassend, aber natürlich dabei auf die Schöpfung einer eigenen festen Richtung vergessend.“
„Eine patriarchalische, wohlmeinende Regierung, an deren Spitze immer geliebte Fürsten standen, hatte das Volk daran gewöhnt, mit blindem Vertrauen den Blick vom Thun und Lassen der Regierung abzuwenden und sich aller Theilnahme am öffentlichen Leben in stillschweigendem Eingeständniß der Bescheidenheit des Unterthanenverstandes zu entäußern.
Das Publicum war durch von oben herab ertönende Orakel in dem Glauben erzogen, daß die Blüthe der Kunst in Dresden durch eine mittelmäßige Akademie, die herrliche Capelle, die von Einheimischen so gut wie gar nicht benutzten Sammlungen und besonders die italienische Oper so sicher gewahrt sei, daß es sich völlig berechtigt glaubte, von jeder eigenen Bestrebung in dieser Richtung abzusehen.“
Der Verfasser schildert hierauf den großen Einfluß der Italiener in dem damaligen Dresden, der bald so weit ging, daß der Begriff italienisch fast gleichbedeutend mit höfisch und fein, besonders aber mit geschmackvoll und vornehm gebraucht wurde. „Jeder, der auch nur entfernt zum Hofe in Beziehung stand, glaubte dies nicht besser kundgeben zu können, als daß er sich als Verehrer italienischer Kunst zur Schau trug.“
Unter dem Druck dieses vom Hofe bevorzugten Welschthums litt Weber zeitlebens nicht wenig. In Dresden hatte sich der letzte Rest der alten italienischen Hofoper erhalten, die als stabiles Institut in den übrigen deutschen Hauptstädten längst beseitigt war.
Der sächsische Hof war weit entfernt, mit der Berufung Webers die deutsche Oper an die Stelle der italienischen zu setzen, – allein die erstere neben der letzteren zuzulassen, das war eine vom Zeitgeist geforderte Concession, der man sich nicht mehr entziehen konnte.
Die Schöpfung einer deutschen Oper in Dresden und die Berufung Webers an die Spitze derselben ist zum größten Theil das Verdienst des Intendanten Graf Heinrich Vitzthum, eines der gebildetsten, freisinnigsten und edelsten Beamten, die je am sächsischen Hofe wirkten.