Das waren durchaus abendländische Ansichten: des europäischen Menschen, als er noch gesund war und noch nicht - möchten wir sagen - von der Tarantel gestochen, Opfer
einer krankhaften Erregung wurde, die jedes Wertkriterium pervertieren und zur Hektik der modernen Kultur führen sollte.
Eben durch die Veränderung, die hier stattfand - nämlich auf der moralischen Ebene, so dass die gesamte Verantwortung ohne Entschuldigung auf den Einzelmenschen fällt , hat sich durch Kettenprozesse auch die »Dämonie der Wirtschaft« entwickelt.
Der Wendepunkt war das Heraufkommen einer Lebensauffassung, die anstatt die Bedürfnisse innerhalb der natürlichen Grenzen zu halten, also nur das zu verfolgen, was wirklich menschlicher Anstrengung wert war, als Ideal, die Steigerung und die künstliche Vervielfältigung der Bedürfnisse und somit auch der Mittel zu ihrer Befriedigung setzte, ohne Rücksicht auf die immer starker werdende Versklavung, in die das alles aufgrund eines unausweichlichen Gesetzes zuerst beim Einzelnen, dann in der Gemeinschaft ausarten musste.
Den Endpunkt dieser Entartung sehen wir in der inneren Lage, aus der sich die Formen des industriellen Hochkapitalismus entwickelten.
Hier hat sich die Tätigkeit, die auf Gewinn und Erzeugung ausgerichtet war, von einem Mittel zum Zweck gewandelt, hat Seele und Körper des Menschen gepackt und ihn schliesslich zu einem Wettlauf ohne Ende verdammt, zu einer unbeschränkten Expansion des Handelns und des Produzierens, einem aufgezwungenen Wettlauf, da das Stehenbleiben im weitergehenden Wirtschaftssystem sofort ein Rückschreiten bedeuten würde, wenn nicht gar ein Überholt- und Umgerissen- werden.
In diesem Lauf, der nicht »Aktivismus«, sondern reine, sinnlose Erregung ist, halt die Wirtschaft Tausende und Abertausende von Arbeitern gefangen, ebenso aber den Unternehmer, den »Güterproduzenten« und »Eigentümer der Produktionsmittel«, und löst damit einander entsprechende Aktionen und Reaktionen aus, die immer umfassendere geistige Zerstörungen bewirken.
Die Hintergrunde der »selbstlosen« Liebe jenes amerikanischen Politikers, der als Grundformel seines internationalen politischen Programms »den wirtschaftlichen Aufstieg der weniger fortgeschrittenen Regionen der Erde« wählte, müssen in genau demselben Licht gesehen werden: Der Sinn davon ist ganz einfach die neue barbarische Invasion - die einzige, die diesen Namen tatsächlich verdient - zu Ende zu führen und auch jene Teile der Menschheit, die vom Stachel der Tarantel bis jetzt noch verschont geblieben waren, ebenfalls in den Niederungen der Wirtschaft abzustumpfen;
und das deshalb, weil die ständig steigenden Kapitalmengen Anlagen und Investitionen suchen und der zur Superproduktion entartete Produktionsmechanismus nach immer größeren Märkten verlangt.
Das, was Lenin erkannt hat, indem er in derartigen Entwicklungen die kennzeichnenden Zuge des »sterbenden Kapitalismus« sah,
des Kapitalismus also, der sich selbst das Grab schaufelt, da er durch sein ureigenes Gesetz dazu verurteilt ist, mit der Industrialisierung, Proletarisierung und Europäisierung Kräfte zu schaffen, die dann gegen ihn selbst und gegen die entsprechenden verantwortlichen Nationen weißer Rasse aufstehen werden - das merken die Verfechter des »Fortschritts« nicht, und so kennt diese Lawine keine Grenzen. […]
Ein altes Gleichnis ist das des Menschen, der keuchend in der glühenden Sonne vorwärtseilt, sich aber zu einem gewissen Zeitpunkt fragt: »Warum eile ich eigentlich? Wenn ich nun langsamer ginge? «
Und, als er dann langsamer geht, sich fragt: »Warum gehe ich überhaupt in dieser Gluthitze? Wenn ich nun unter einem Baum ausruhte?«
Und als er dies schließlich tut, sein Vorwärtseilen endlich als unsinniges Fieber erkennt.
Dieses Bild zeigt die innere Umwandlung, die notwendige Metanoia, um die Dämonie der Wirtschaft an der Wurzel zu treffen und die innere Freiheit wiederzugewinnen: dies sicherlich nicht, um zu einer utopischen und armseligen Verzichtskultur überzugehen, sondern um einfach jeden Bereich von ungesunden Spannungen zu befreien und wiederum eine wirkliche Wertehierarchie zu errichten.
Es gilt hier vor allen Dingen zu erkennen, dass es kein äußeres wirtschaftliches Wachstum und keinen sozialen Wohlstand gibt, deren verführerischem Einfluß man nicht absolut widerstehen müsste und für die es sich lohnen würde, dass man dafür eine wesentliche Einschränkung der Freiheit und des Raumes in Kauf nimmt, den jedermann braucht, um das verwirklichen zu können, was einem möglich ist, und zwar über den Bereich hinaus, der von der Materie und den Bedürfnissen des Alltagslebens bedingt ist.
Dies gilt übrigens nicht nur fur den Einzelmenschen, sondern auch fur eine Gemeinschaft, einen Staat, vor allem dann, wenn sein materieller Reichtum beschränkt ist und ausländische Wirtschaftskräfte ihn bedrängen. Hier kann die Autarkie zu einer ethischen Vorschrift werden, denn das, was auf der Waage der Werte schwerer wiegt, muss beim Einzelnen wie beim Staat dasselbe sein: Lieber auf die verführerische Verbesserung der allgemeinen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen verzichten und, wenn nötig, ein Sparprogramm befolgen, als sich vor den Wagen ausländischer Interessen spannen und in Weltprozesse mitverwickeln zu lassen, die auf eine grenzenlose wirtschaftliche Vormachtstellung und Produktivität abzielen. Denn diese treffen ganz sicher auch denjenigen, der sie entfesselt hat, sollten sie einmal nicht mehr genügend anderweitigen Entwicklungsraum finden. […]