Es geht um die Interessen der Mitarbeiter

Kursanbieter und Jobcenter-Angestellte haben ein System etabliert, das die Arbeitslosen-Statistiken schönt und der eigenen Karriere dient. Eine Recherche.

„Ob so ein Kurs den Arbeitslosen etwas bringt, spielt bei der Vergabe keine Rolle“, sagt Petra Friedrichs, eine ehemalige Jobcenter-Mitarbeiterin, die eigentlich anders heißt. „Nicht die Interessen der Arbeitslosen stehen dabei im Mittelpunkt, sondern die der Mitarbeiter“, sagt sie. Das habe eine einfache Erklärung: Arbeitslose, die in einem Kurs stecken, werden in der Arbeitslosenstatistik nicht mitgezählt. Und an der Statistik hängt neben den Erfolgsmeldungen der BA die berufliche Zukunft der Jobcenter-Mitarbeiter auf unterster Ebene – sowie Boni-Zahlungen an ihre Vorgesetzten.

„Erfolgt eine Bewertung der Zielerreichung mit 'A' bzw. eine entsprechende individuelle Leistungseinschätzung im Rechtskreis SGB II, kommt eine Leistungsprämie in Höhe von bis zu 20 Prozent des Grundgehalts in Betracht“, heißt es im Handbuch Personalrecht der Arbeitsagentur. Für ein „B“ gibt es 15 Prozent. Diese Prämien stehen verbeamteten Führungskräften zu. Angestellte Führungskräfte erhalten laut Tarifvertrag für ein „A“ eine Prämie von 20 Prozent des Grundgehalts.

Die einfachen Mitarbeiter – Arbeitsvermittler und Fallmanager – bekommen zwar kein Geld für ausgebuchte Kurse. Für sie hängt an den Statistik-Zielen aber oft der Job. „Wer am Ende des Jahres die Note A oder B bekommt, der muss zum Gespräch über eine Beförderung eingeladen werden“, sagt Friedrichs. Wer befristet angestellt sei und ein C oder gar ein D bekommt, gerate in Gefahr, bald selbst Kunde des Jobcenters zu werden.

„Das läuft oft nach dem Motto wenn du noch ein Schippchen drauflegst, sorge ich auch dafür, dass du eine Festanstellung kriegst'“, erklärt Gerd Zimmer, Personalratsvorsitzender des Jobcenters Köln. Vor allem neue Mitarbeiter seien betroffen, die oft befristet angestellt werden. „Wer seine Stelle behalten will, muss der Logik der BA folgen: statistische Zielerreichung durch bedingungslose Loyalität“, sagt Zimmer.

Dafür, dass sich Hartz-IV-Empfänger nicht gegen die Kurse wehren, ist gesorgt. Schließlich hat jeder Arbeitslose mit dem Jobcenter eine sogenannte Eingliederungsvereinbarung. Darin ist auch festgehalten, dass der Hartz-IV-Empfänger alle Angebote nutzen muss, um seine Arbeitslosigkeit zu beenden. Wer vom Jobcenter also einen Kurs angeboten bekommt, aber diesen ablehnt, verstößt gegen die Eingliederungsvereinbarung.

Als Konsequenz droht eine Sanktion: Diese Strafkürzungen des Existenzminimums erzielen eine zweifache Wirkung. Wer eine Sanktion erhält, gerät schnell in finanzielle Not und wird sich dem nächsten Kursangebot des Jobcenters umso weniger entziehen. Oder er wird zu einem jener Schicksale, die durch weitere Sanktionen ganz aus dem Hartz-IV-Bezug fallen - und aus der Statistik des Jobcenters.

Wer etwa den dreimonatigen Vollzeit-Kurs „Begleitung, Aktivierung, Stabilisierung und Integration“ bei Mikro Partner verweigert, zum Beispiel weil er sich unabhängig um Fortbildung bemüht, muss mit einem solchen Brief vom Jobcenter Pankow rechnen: „Ihr Arbeitslosengeld mindert sich um 122,70 Euro monatlich (...) Sie haben diese Maßnahme trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht angetreten.“ Seit 2013 haben deutsche Jobcenter jedes Jahr zwischen 900.000 und einer Million derartige Sanktionen ausgesprochen.

So nutzen Fallmanager und Jobvermittler sogar Zwangsmittel, um Kurse zu füllen. Über die Jahre ist so ein Milliardengeschäft entstanden. Private Kursanbieter verkaufen Jobcenter-Mitarbeitern mit den Kursen die „Zielerreichung“. Beide Seiten profitieren. Zum Leidwesen von Arbeitslosen und Steuerzahlern.
Quelle:[Links nur für registrierte Nutzer]
mfg
rutt