Hui, was liest man denn da im Deutschlandfunk ?
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Veröffentlichung von Sprachterrorismus
Der Deutsche Hochschulverband hat seiner Zeitschrift "Forschung und Lehre" eine Ausgabe der "Sprachnachrichten" des Vereins Deutsche Sprache beigelegt. Dies hat Thomas Niehr, Sprachwissenschaftler an der Universität Aachen, erzürnt und zu einem offenen Brief animiert. Der Verein betreibe Sprachpolitik ohne ausreichende Datengrundlage, kritisierte Niehr im DLF.
Thomas Niehr im Gespräch mit Katja Lückert
Daß sich Sprache entwickelt, ist ganz normal, aber was nicht normal ist, ist die Tatsache, daß der Deutschen Sprache an sich kein Wert mehr zugesprochen werden soll.Lückert: Wenn man die Leserbriefe und die Kommentare im Internet zu dem Fall ein wenig verfolgt, gibt es ja doch sehr unterschiedliche Einschätzungen. Die einen stellen den Verein Deutsche Sprache in eine fast schon rechtspopulistische Ecke; die anderen halten es gerade in Zeiten von erhöhter Zuwanderung für ein notwendiges Ziel, die Schätze unserer Sprache zu vermitteln. Wo stehen Sie da mit Ihrer Argumentation?
Niehr: Interessant ist, wenn Sie die Sprachnachrichten, diese Beilage, die vom Verein Deutsche Sprache herausgegeben wird, wenn Sie sich diese Zeitschrift ansehen und da die Leserbriefe sich anschauen, die von Vereinsmitgliedern kommen, dass selbst von den Vereinsmitgliedern beklagt wird, dass dieser Verein teilweise Positionen vertritt wie AfD oder Pegida. Das kommt also nicht von außen, sondern sogar auch von innen. Und ich meine, das spricht schon eine deutliche Sprache.
Brauchen wir erst Ausländer, die die deutsche Sprache perfekt beherrschen und manchem Deutschen da sogar als Vorbild gelten könnte ?Katja Lückert: Spracherwerb und schließlich die Beherrschung einer zunächst fremden Sprache gehört auch zum Heimatgefühl. Allerdings wandelt sich die Sprache beständig, es gilt also schnell mitzulernen im fremden Land. Bis ins 20. Jahrhundert hinein hat man diskutiert, ob Sprache ein natürliches Phänomen ist, von Menschen gemacht, ob der Sprachwandel also einfach geschieht oder geplant ist. Der Verein Deutsche Sprache wurde 1997 explizit mit dem Ziel der "Wahrung der deutschen Sprache" gegründet. Er wehrt sich gegen das sogenannte "Denglisch", also eine allgemeine Englischfärbung des Deutschen, und gibt regelmäßig die Zeitschrift "Sprachnachrichten" heraus. Dieses Blatt wurde nun in diesem Sommer als Beilage einer neuen Ausgabe der vom Deutschen Hochschulverband wiederum herausgegeben Zeitschrift "Forschung und Lehre" beigelegt – eine Tatsache, die Thomas Niehr, Sprachwissenschaftler an der Universität Aachen, erzürnt und zu einem offenen Brief animiert hat. Herr Niehr, richtet sich nun Ihre Kritik eher gegen die Hochschulverbandszeitung oder gegen den Verband Deutsche Sprache?
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Geflüchtete statt Flüchtlinge: Sprache wird immer wieder angepasst, um Menschen nicht zu verletzen oder herabzusetzen. Der Sprachwissenschaftler Jürgen Trabant nennt das "Sprachreinigung". Dahinter stecke meist ein politisches Motiv, sagte er im DLF. Ihm gehen solche "semantischen Zwänge" oft zu weit.Schäfer-Noske: Da geht auch Ihnen dann die Political Correctness etwas zu weit. – Ist denn da nicht auch die Grenze nahe, wo Sprachwäsche irgendwann zur Gehirnwäsche wird?
Trabant:Ja, das ist ja die Idee dahinter. Dass die Sprachwäsche Gehirnwäsche wird, ist ja von Orwell im Roman "1984" ganz deutlich beschrieben worden. Aber das ist ganz deutlich die Absicht, das war auch die Absicht der französischen Revolutionäre, dass das Denken gesäubert wird. Aber der Irrtum dabei, wenn ich das vielleicht gleich anfügen darf, ist, dass die Sprache, die das Volk spricht, ja nicht insgesamt und völlig das Denken determinieren. Wir können aus den Sprachen heraus. Mein Beispiel hier ist immer: Wir sagen immer, die Sonne geht unter. Wir wissen genau, dass nichts dergleichen geschieht, und trotzdem sagen wir das und können, obwohl wir das sagen, genau wissen, dass die Erde sich um die Sonne dreht. – Oder das andere Beispiel ist immer mein Walfisch. Wir wissen genau, dass der Wal kein Fisch ist, und dennoch können wir Walfisch sagen, und mein Plädoyer ist eigentlich, dass man dieses intolerante religiöse Verhalten gegenüber der Semantik der normalen Sprachen, dass man das sein lässt, dass man einfach auch etwas toleriert, auch wenn es nicht ganz sauber, nicht ganz ordentlich ist. Einen semantischen Zwang finde ich so furchtbar.