Zitat von
ThiloS
Ja, es ist angebracht, in Zeiten zunehmender Fremdenfeindlichkeit ein Zeichen zu setzen. Also Frau und Kinder in den Renault gesetzt, die unvermeidliche Picknickwolldecke zusammengerollt und ab zum Deutsch-Türkischen Kulturfest.
Der Empfang ist herzlich und laut. Gleich am Eingang zum Waldsee steht eine Gruppe jugendlicher ausländischer Mitbürger um einen alten, abgedunkelten Dreier-BMW, trinkt Rake, guckt zur Seite, kratzt sich im Schritt und spuckt hin und wieder männlich auf den Boden. Einer begrüßt meine Frau mit einem
fröhlichen "Ey Schnalle kommst Du nachha bissi schmuse harhar". Meine Frau lächelt freundlich zurück und drückt sich an mich. "Hehe, mal sehen" antworte ich freundlich. "Halte Fresse, altes Ascheloch". Ja, klar, mach ich doch gerne. So sind sie halt, die jungen Burschen. Fröhlich und übermütig.
Drinnen am Waldsee riecht es lecker nach Döner, Fladenbrot und türkischer Pizza. Wir breiten unser Deckchen zwischen einer hennagefärbten Mitdreißigerin mit Tattoo auf dem Schulterblatt und Kind im Wickeltuch und einer Gruppe junger Leute mit vollgemalten Lederjacken und grünem Igelhaarschnitt aus. Einer der Jungs trinkt ein Bier auf Ex und rülpst uns laut zur Begrüßung an.
Während auf der Waldbühne noch der letzte Soundcheck der Gruppe "Izmir" läuft, stelle ich mich in die Schlange vor einer Dönerbude. Mein Sohn wird währenddessen freundlich in eine Kampfsportübung gleichaltriger türkischer Kinder integriert und bekommt eine blutige Nase und heult. Tztztz, diese Kinder..... ein echter Waschlappen, mein Sohn. So ein Geheule wegen dem bischen Blut auf dem T-Shirt. Läßt sich doch wieder ´rauswaschen. Die türkischen Eltern des Matchwinners lächeln ihrem Sohn zu. Ja, so einen harten Burschen hätte ich auch gerne....
Mit meinen beiden lauwarmen Dönern gehts zurück zur Decke, auf die sich einer meiner jugendlichen Nachbarn offensichtlich infolge übermäßigen Alkoholkonsums kurz aber prägnant erbrochen hat. Auf die Sauerei angesprochen, antwortet er mit einem kurzen "Halt´s Maul, Du Sackgesicht".
OK, das kann er haben. Wir sind ja hier, weil wir gemeinsam feiern wollen.
Und ich drehe die Decke einfach um.
Meine Tochter mäkelt, daß ihr der Döner nicht schmeckt. Ich hau ihr eine hinter die Löffel. Das ist ein türkisches Kulturfest, da muß man sich anpassen! Ich werde ihr die Toleranz schon einprügeln.
Inzwischen hat der Bürgermeister die Waldbühne betreten. Er begrüßt die
anwesenden Gäste und entschuldigt sich, wie sich das gehört, für die Opfer von Nationalismus und Faschismus und insbesondere bei den Sinthi und Roma für das ihnen im deutschen Namen angetane Unrecht. Ich schweige betroffen.
Ja, auch meine Väter und Großväter könnten dabei gewesen sein. Und wir dürfen in unserer Wachsamkeit nicht nachlassen. Meine hennagerötete Nachbarin schweigt ebenfalls betroffen und stillt ihr Kind am nicht unerheblichen Busen.
Ein paar übermütige junge ausländische Mitbürger und auch die jungen Leute auf der Nachbardecke rufen "Wichser, Wichser" und "Izmir, Izmir". Schön, diese mediterrane Lebensfreude. Da können wir Deutschen uns eine Scheibe abschneiden.
Die Gruppe Izmir hat endlich die Bühne betreten und präsentiert uns türkische Heavy-Metal Musik vom Feinsten. Und vom Lautsten. Ich freue mich gemeinsam mit meinen ausländischen Mitbürgern und wippe lustig mit dem Kopf, während sich der Rest der Familie in einem Eckchen der Decke zusammenrottet und sich die Ohren zuhält. Reaktionäre Scheisser sind das. Einmal im Jahr kann man wohl Toleranz üben, oder? Alles zuviel verlangt.
Aber vielleicht habe ich die falsche Familie......
Als meine Tochter nach zehn Minuten Durchfall von dem Döner bekommt und nicht rechtzeitig den Weg zum Klo schafft, beschließe ich ärgerlich, nach Hause zu fahren. Leider muß ich Frau und Kinder dazu anbrüllen, denn sie sind mittlerweile taub. Also falten wir unsere Decke vorsichtig zusammen
und ich entschuldige mich beschämt bei meinen Platznachbarn, daß ich einen so stockkonservativen Anhang habe. Während die Hennamamma mich nur irgendwie verklärt anlächelt und noch einen tiefen Zug von Ihrer selbstgedrehten Zigarette nimmt, verabschieden mich die jungen Leute mit
den Lederjacken mit einem herzlichen "Hau ab, Du Arsch".
Zurück am Auto stellen wir fest, daß alle Reifen platt gestochen wurden.
Das jugendliche Eingangskomitee steht immer noch vor dem Dreier-BMW, säubert mit Springmessern seine Fingernägel, reinlich sind sie, die Türken, und grinst fröhlich zu uns herüber. Mein Gott, ich versteh´s. Ich war ja schließlich auch einmal jung. Außerdem ist der Wagen sowieso vollkaskoversichert.
Auf der Heimfahrt nimmt uns doch tatsächlich einer die Vorfahrt. So ein verdammter Drecksack. Hat der keine Augen im Kopf? Wofür gibt´s eigentlich Verkehrsregeln? Also, solchen Typen sollte man echt den Führerschein entziehen.
Ooops, der hat einen Halbmond auf dem Heck kleben. Naja, Fahrfehler können jedem mal passieren, das darf man nicht so eng sehen........