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Thema: Schöne deutsche Gedichte

  1. #221
    Mitglied
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    Standard AW: Schöne deutsche Gedichte

    Zitat Zitat von BrüggeGent Beitrag anzeigen
    BERLIN
    Christian Morgenstern

    Ich liebe Dich bei Nebel und bei Nacht
    Wenn Deine Linien ineinanderschwimmen
    ,zumal bei Nacht,wenn Deine Fenster glimmen
    und Menschheit Dein Gestein lebendig macht.

    Was wüst am Tag,wird rätselvoll im Dunkel,
    wie Seelenburgen stehn sie mystisch da,
    die Häuserreihen mit ihrem Lichtgefunkel,
    und Einheit ahnt,wer sonst nur Vielfalt sah.

    Der letzte Glanz erlischt in blinden Scheiben,
    in seine Schachteln liegt ein Spiel geräumt,
    gebändigt ruht ein ungestümes Treiben,
    und heilig wird, was so voll Schicksal träumt.
    Erstaunlich, nicht wahr? Ein heutiges aktuelles Thema, von Herrn Morgenstern extrem fokussiert dargestellt in einem kurzen Satz.

    Der Gegensatz von Vielfalt und Einheit beschreibt unsere durch unbeherrschte (Doppelsinn!) Zuwanderung bedrohte deutsche Gesellschaft. Das merke ich mir. Den Linken und den Grünen mit Christian Morgenstern kommen hat einen ganz besonderen Reiz.

    EINHEIT STATT VIELFALT

    danke, Herr BrüggeGent, für diesen Anstoß :-)
    Nutzer ausgeschieden

  2. #222
    Sjard
    Gast

    Standard AW: Schöne deutsche Gedichte

    An die Melancholie

    Du geleitest mich durchs Leben,
    Sinnende Melancholie !
    Mag mein Stern sich strahlend heben,
    Mag er sinken - weichest nie !

    Führst mich oft in Felsenküste,
    Wo der Adler einsam haust,
    Tannen starren in die Lüfte
    Und der Waldstrom donnernd braust.

    Meiner Toten dann gedenk ich,
    Wild hervor die Träne bricht,
    Und an deinen Busen senk ich
    Mein umnachtet Angesicht.

    Nikolaus Lenau ( 1802 - 1850 )

  3. #223
    1813
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    Ort
    Treue Herzen sehn sich wieder
    Beiträge
    12.598

    Standard AW: Schöne deutsche Gedichte

    Mit gelben Birnen hänget
    Und voll mit wilden Rosen
    Das Land in den See,
    Ihr holden Schwäne,
    Und trunken von Küssen
    Tunkt ihr das Haupt
    Ins heilignüchterne Wasser.
    Weh mir, wo nehm ich, wenn
    Es Winter ist, die Blumen, und wo
    Den Sonnenschein,
    Und Schatten der Erde?
    Die Mauern stehn
    Sprachlos und kalt, im Winde
    Klirren die Fahnen.

    Friedrich Hölderlin (1770-1843), „Hälfte des Lebens“

  4. #224

    Standard AW: Schöne deutsche Gedichte

    Schon ins Land der Pyramiden
    Flohn die Störche übers Meer;
    Schwalbenflug ist längst geschieden,
    Auch die Lerche singt nicht mehr.

    Seufzend in geheimer Klage
    Streift der Wind das letzte Grün;
    Und die süßen Sommertage,
    Ach, sie sind dahin, dahin!

    Nebel hat den Wald verschlungen,
    Der dein stillstes Glück gesehn;
    Ganz in Duft und Dämmerungen
    Will die schöne Welt vergehn.

    Nur noch einmal bricht die Sonne
    Unaufhaltsam durch den Duft,
    Und ein Strahl der alten Wonne
    Rieselt über Tal und Kluft.

    Und es leuchten Wald und Heide,
    Daß man sicher glauben mag,
    Hinter allem Winterleide
    Lieg' ein ferner Frühlingstag.

    Die Sense rauscht, die Ähre fällt,
    Die Tiere räumen scheu das Feld,
    Der Mensch begehrt die ganze Welt.

    Und sind die Blumen abgeblüht,
    So brecht der Äpfel goldne Bälle;
    Hin ist die Zeit der Schwärmerei,
    So schätzt nun endlich das Reelle!
    Theodor Storm

  5. #225
    Mitglied Benutzerbild von Wolff
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    26.09.2014
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    497

    Standard AW: Schöne deutsche Gedichte


    Siebenbürgische Elegie



    Anders rauschen die Brunnen, anders rinnt hier die Zeit.

    Früh faßt den staunenden Knaben Schauder der Ewigkeit.

    Wohlvermauert in Grüften modert der Väter Gebein,

    Zögernd nur schlagen die Uhren, zögernd bröckelt der Stein.

    Siehst du das Wappen am Tore? Längst verwelkte die Hand.

    Völker kamen und gingen, selbst ihr Namen entschwand.

    Aber der fromme Bauer sät in den Totenschrein,

    Schneidet aus ihm sein Korn, keltert aus ihm seinen Wein.

    Anders schmeckt hier der Märzenwind, anders der Duft von Heu,

    Anders klingt hier das Wort von Liebe und ewiger Treu.



    Roter Mond, vieler Nächte einzig geliebter Freund,

    Bleichte die Stirne dem Jüngling, die der Mittag gebräunt.

    Reifte ihn wie der gewaltige Tod mit betäubendem Ruch,

    Wie in grünlichem Dämmer Eichbaum mit weisem Spruch.

    Ehern, wie die Gestirne, zogen die Jahre herauf,

    Ach, schon ist es September. Langsam neigt sich ihr Lauf.



    Adolf Meschendörfer, 1927
    Kronstadt, * 8.5.1877, † 4.7.1963
    „Wo Freiheit wohnt, da ist mein Vaterland.“
    ―John Milton

  6. #226
    Sjard
    Gast

    Standard AW: Schöne deutsche Gedichte

    Lied im Freien


    Wie schön ist's im Freien!
    Bei grünenden Maien
    Im Walde, wie schön!
    Wie süß, sich zu sonnen,
    Den Städten entronnen,
    Auf luftigen Höhn!

    Wo unter den Hecken
    Mit goldenen Flecken
    Der Schatten sich mischt,
    Da lässt man sich nieder,
    Von Haseln und Flieder
    Mit Laubduft erfrischt.

    D´rauf schlendert man weiter,
    Pflückt Blumen und Kräuter
    Und Erdbeere im Gehn;
    Man kann sich mit Zweigen,
    Erhitzet vom Steigen,
    Die Wangen umwehn.

    Dort heben und tunken
    Gleich blinkenden Funken,
    Sich Wellchen im Bach:
    Man sieht sie verrinnen
    In stillem Besinnen,
    Halb träumend, halb wach.

    In weiten Bezirken,
    Mit hangenden Birken
    Und Buchen besetzt,
    Gehn Dammhirsch und Rehe
    in traulicher Nähe,
    Von niemand gehetzt.

    Am schwandeknen Reisig
    Hängt zwischernd der Zeisig,
    Vor Schlingen nicht bang;
    Erfreut, ihn zu hören,
    Sucht keiner zu stören
    Des Hänflings Gesang.

    Hier sträubt sich kein Pförtner,
    Hier schnörkelt kein Gärtner
    Kunstmäßig am Hain:
    Man braucht nicht des Geldes;
    Die Blumen des Feldes
    Sind allen gemein.

    Wie schön ist's im Freien!
    Despoten entweihen
    Hier nicht die Natur.
    Kein kriechender Schmeichler,
    Kein lästernder Heuchler
    Vergiftet die Flur.

    Johann Gaudenz von Salis-Seewis ( 1762 - 1834 )

  7. #227
    Mitglied Benutzerbild von Wolff
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    Standard AW: Schöne deutsche Gedichte

    Die versunkene Glocke bei Kerz

    Bei Kerz da ragen düster
    die Trümmer der Abtei.
    Ein Teich im Schilfgeflüster
    der glitzert nah'dabei;
    draus tönt es wundersam empor
    und schwingt und klingt durch
    Schilf und Rohr
    am heiligen Ostermorgen.

    Wenn früh die Sonne steigend
    sich spiegelt in der Flut,
    in Sabbatfeier schweigend
    ringsum die Erde ruht;
    dann wacht es in der Tiefe auf,
    dann summt es wundersam herauf
    am heiligen Ostermorgen.

    Einst klang sie hoch vom Turme
    die Glocke der Abtei,
    da braust's heran im Sturme
    mit wildem Kriegsgeschrei;
    ergrimmte Heiden ohne Zahl-
    die Glocke klang zum letztenmal
    Vom Turm am Ostermorgen.

    Der Christenfeind,der Grimme,
    er stürzte sie hinab;
    da tönt nun ihre Stimme
    aus tiefem Flutengrab.
    Ein Kind, noch rein von Sündenschuld
    das hört sie, wie sie klingt in Huld,
    am heiligen Ostermorgen.

    Traugott Teutsch (1829 - 1913)
    „Wo Freiheit wohnt, da ist mein Vaterland.“
    ―John Milton

  8. #228
    Mitglied Benutzerbild von Wolff
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    Standard AW: Schöne deutsche Gedichte

    Die zerfallene Burg

    In Trümmern liegt die Burg danieder,
    Ihr Stern erlosch im Lauf der Zeit,
    Verhallt im Wind sind auch die Lieder
    Zum Preise ihrer Herrlichkeit.

    Halb dürre Efeuranken sprießen
    Ums Wappen, das schon längst zerschellt,
    Und wessen Nam’ hier ward gepriesen,
    Was kümmert es die heutige Welt?

    Vergeblich wären alle Fragen,
    Wer hier geliebt, gehaßt, gelebt? —
    Ins Blau die stummen Zinken ragen,
    Am Wappenschild der Epheu bebt.

    Der Wind zaust an den gelben Blättern;
    Bald da, bald dorten eines fällt,
    Spurlos verweht in Wind und Wettern,
    Im allgemeinen Chaos Welt.

    Demetrius Schrutz, 1895
    „Wo Freiheit wohnt, da ist mein Vaterland.“
    ―John Milton

  9. #229
    Sjard
    Gast

    Standard AW: Schöne deutsche Gedichte

    Herbst-Gleichnis

    Fliegende Blätter,
    goldbraun im Wind;
    wie sie uns doch ähnlich sind!

    Kernig im Stamm,
    stark das Geschlecht;
    weiter lebt, was arttreu und echt.

    Siegreicher Frühling,
    grünende Bäume;
    alles liebt die seligen Träume.

    Über das Blühen,
    zitternd voll Lust;
    schwirren Insekten in lauer Luft.

    Trächtiger Sommer,
    füllig das Leben;
    reife Frucht bring reichen Segen.

    Stürmischer Herbst,
    Endzeit im Jahr;
    Wer es erlebt, dem wird es gewahr:

    " Nicht allein Blätter
    werden zu Laub;
    jede Form zerfällt zu Staub."

    Wechselnde Zeiten:
    " Trauer und Wonne";
    sind beständig unter der Sonne.

    Fliegende Blätter,
    goldbraun im Wind;
    wie sie uns doch ähnlich sind !

    Gerhart Wilke

  10. #230
    Mitglied Benutzerbild von Wolff
    Registriert seit
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    497

    Standard AW: Schöne deutsche Gedichte

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    Von einem alten Birnenbaum
    berichtet uns die Sage
    er steht allein in Feldes Raum
    ein Denkbild alter Tage.

    Ihn pflanzten unsere Väter noch
    wie sie ins Land gezogen
    dann war der Baum so stark und hoch
    der Wipfel breit gebogen.

    Berührte Ihn des Lenzes Hauch
    hat er sein Laub getrieben
    und kam der Herbst so ist er auch
    nie ohne Frucht geblieben.

    Und seine Frucht war süß und gut
    so alt der Baum geworden
    so oft ihn auch des Sturmes Wut
    berauscht von Süd und Norden.

    Sie haben oft den Feuer´s Brand
    an seinen Stamm gehalten
    sie nahmen oft die Axt zur Hand
    den Baum entzwei zu spalten.

    Umsonst! Er stand doch frisch belaubt
    beschattete die Heide
    und wenn sie seine Frucht geraubt
    trug andere er mit Freuden.

    Ob mancher Zweig noch heut verdirbt
    er treibt stets neue Glieder
    Für wen der Baum von innen stirbt
    dann grünt er nimmer wieder.

    Michael Albert (*1836 in Trappold, †1893 in Schäßburg
    „Wo Freiheit wohnt, da ist mein Vaterland.“
    ―John Milton

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