Sehr geehrter Herr Dr. Graumann,
es ist nur allzu verständlich, dass Sie empört und schockiert über das Geschehen am Samstag in Frankfurt sind. Empört über einen unzureichenden und grob fehlerhaften Polizeieinsatz, schockiert darüber, „dass es so viel Hass und Hetze auf deutschen Straßen gibt“, wie Sie es gegenüber einer Zeitung formuliert haben. Es ist nicht nur für Sie, sondern auch für die Stadt Frankfurt ein einschneidendes Ereignis der Zeit nach 1945, wenn im Rahmen einer Demonstration von fast ausschließlich in unserem Land und unserer Stadt aufgewachsenen und dort auch sozialisierten jungen Männern und Frauen juden- und israelfeindliche Parolen auf Plakaten gezeigt und gerufen werden.
Allerdings: Es waren nicht Rechtsextremisten und unbelehrbaren altdeutsche Antisemiten, die das taten. Es waren also nicht diejenigen, vor denen gerade Sie immer wieder warnen – und das ja leider nicht ohne Grund und aus verständlichen Motiven. Allerdings bin ich gewiss nicht allein schon länger der Auffassung, dass Sie sowie andere Repräsentanten der Juden in Deutschland die Gefahr eines Wiederauflebens des „traditionellen“ Antisemitismus hierzulande ebenso überschätzen wie Sie bislang unterschätzen, dass eine neue, viel größere und vor allem wesentlich zukunftsvollere Gefahr kleingeredet oder sogar totgeschwiegen wird – nämlich die neue Judenfeindlichkeit als Folge der massiven Einwanderung aus dem islamisch dominierten Kulturkreis.
Selbstverständlich sind nicht alle, noch nicht einmal die Mehrheit, jedoch eine zahlenmäßig schwer einzuschätzende Minderheit der hier lebenden Moslems bekennende Judenhasser. Alles andere als das wäre ja auch furchtbar für jüdische und nichtjüdische Deutsche gleichermaßen. Aber in Kenntnis vieler bedenklicher Vorkommnisse der letzten Jahre und Wochen in der „Vielfalt“-Metropole Frankfurt, in etlichen anderen deutschen Städten und auch im Wissen um die dramatische Entwicklung im Nachbarland Frankreich kann doch niemand länger die Tendenz einer sich in bestimmten Bevölkerungsgruppen ausbreitenden neuen Judenfeindlichkeit mit erheblicher Ansteckungsgefahr leugnen. Ihr Schock darüber, „dass es so viel Hass und Hetze auf deutschen Straßen gibt“, verrät eine nicht so recht verständliche Unkenntnis über eine Entwicklung, die keineswegs einem Naturereignis gleich über uns kam, sondern nur das vorläufige Resultat einer unheilvollen Entwicklung ist.
Denn ist nicht das Wort „Jude“ an manchen Frankfurter Schulen und in bestimmten Kreisen von...