Da ich beim Lesen von Diskussionsbeiträgen immer wieder feststelle, daß er nicht beachtet wird, möchte ich auf folgendes hinweisen:
Es ist ein rechtsstaatlicher Grundsatz, daß es im Unrecht keine Gleichheit gibt. Das heißt etwas überspitzt, es gilt die Implikation
A wird bestraft => A hat eine Verfehlung begangen
und es gilt nicht
A hat eine Verfehlung begangen => A wird bestraft.
Es liegt also insbesondere keine Äquivalenz vor. Selbst dann nicht, wenn unter "A hat eine Verfehlung begangen" verstanden wird "A hat eine Verfehlung begangen, die nachgewiesen werden kann" (Denn nur solche können nach rechtsstaatlichem Verständnis bestraft werden.)
Das mag alles sehr abstrakt klingen, hat aber große konkrete Bedeutung:
- Man hat keinen Rechtsanspruch auf Duldung des eigenen Vergehens, nur weil etliche andere damit durchgekommen sind.
- Die Tatsache, daß etliche andere ebenfalls Verfehlungen begangen haben exkulpiert in keiner Weise. (Vielmehr gewinnt man bei solchen Versuchen eher den Eindruck, derjenige sollte sich das Sprichwort "Ein jeder kehr vor seiner Tür, er find't wohl Kot genug dafür." nocheinmal zu Gemüte führen.)
Den ersten Punkt kennt jeder, der schonmal geblitzt wurde - und er wird vielfach als ungerecht empfunden. Genau deshalb werden schwerere Vergehen wohl von Amts wegen verfolgt und nicht erst, wenn sie angezeigt oder quasi "zufällig" von Ermittlungsbehörden beobachtet werden: Ungleichheit im Unrecht bedeutet nicht Willkür! Was die Deckungsgleichheit vom Gerechtigkeit und Recht sowie den Vorwurf der Willkür angeht, wird also schon eine gewisse Gleichheit auch im Unrecht angestrebt. Sie vollends zu verwirklichen fehlt den Behörden allerdings wohl das, was neudeutsch manpower heißt, - und der Bevölkerung verständlicherweise die Lust auf einen derartigen Polizeistaat. Ich halte es allerdings für verfehlt, sich ungerecht behandelt zu fühlen, weil man selbst, vielleicht nur zufällig, beim Versicherungsbetrug oder der Steuerhinterziehung - beides moderne Volkssportarten und damit nach Ansicht etlicher reine Kavaliersdelikte - erwischt wurde. Die Ansicht der etlichen ist zurecht falsch. Müßte es stets Gleichheit auch im Unrecht geben, könnten Krebsgeschwüre wie Schwarzarbeit, Steuerhintzerziehung und Versicherungsbetrug nie angegangen werden, da man immer irgendwo anfangen muß und naturgemäß die, gegen die nicht zuerst ermittelt wurde, bevorteilt sind.
Der zweite Punkt berührt insbesondere auch größere und größte, politische und historisch bedeutsame Verfehlungen wie Völkermord, Krieg und Diktatorendasein: Die Tatsache(!), daß der Kommunismus weiltweit bedeutend mehr Menschen das Leben kostete als der vom nationalsozialistischen Deutschland entfesselte zweite Weltkrieg in Europa, bedeutet nicht, daß der Nationalsozialismus dadurch nur einen Hauch seiner Schuld verliert oder als Ideologie "besser" wäre. (Die Anführungszeichen deshalb, weil ich für solche Dimensionen die Verwendung des Wortes gut für maßlos euphemistisch und unangebracht halte).
Wer - um ein politisches Beispiel zu geben - rechts- oder linksextremistich motivierte Straftaten begeht und bestraft wird, wird zurecht bestraft und sollte dem Staat nicht vorwerfen, auf dem anderen Auge blind zu sein. Und selbstverständlich hängt die Strafwürdigkeit eines Vergehens nicht davon ab, ob sie politisch motiviert war oder nicht. Daß die Strafen manchmal dennoch höher ausfallen liegt meines Erachtens auch daran, daß politisch motivierte Straftäter selten Reue zeigen, weil sie sich zu Unrecht im Recht wähnen.
Grüße
John