Als offizieller Beginn war 10:00 Uhr angesetzt worden, ******* und ich trafen uns kurz vor 9:00 in der Vorhalle. Es waren bereits ca. 25 Personen anwesend, die ebenfalls warteten und sich auf den Sitzbänken vor Saal 1 schon munter miteinander unterhielten.

9:05 Uhr

Vor dem Eingang des Amtsgerichts entrollen zwei gepflegt wirkende schon etwas ältere Damen ein Transparent mit der Aufschrift: “Du bist nicht verlassen. Deine Treue zum Vaterland ist unsere Pflicht. Es werden Zeiten kommen, da alles Unrecht bricht.”

Vier Polizisten stehen ein paar Schritte entfernt, die aber keinen Anstoß nehmen. Ansonsten keine Zuschauer, keine Antifa, keine jüdische Gemeinde Mannheim, gar nichts, wie schon am ersten Prozesstag. Die beiden Damen erregen keinerlei öffentliche Aufmerksamkeit, einfach weil nichts los ist. Einer der Polizisten redet freundlich mit den beiden, schickt sie aber nicht weg.

9:15 Uhr

Inzwischen stehen doch 4-5 Leute vor den beiden Damen auf dem Bürgersteig, einer scheint von der Presse zu sein und filmt sie.

9:20 Uhr

Jetzt stehen ca. 60-70 Personen in der Vorhalle vor der Sicherheitsschleuse an. Das Warten dauert ziemlich lange. Ich habe beide Ohren weitgeöffnet und höre den Unterhaltungen zu. Ein netter älterer Franzose steht neben mir, er ist aus Paris angereist. Ich höre auch englischsprachige Unterhaltungen, zwei Damen vor mir scheinen aus Kanada zu kommen. Die übrige Menge ist aber überwiegend deutscher Herkunft, vom Alter her gemischt, jüngere, mittlere, ältere, alles ist vertreten. Fast alle machen einen manierlichen Eindruck, wie beim letzten Mal. Der jüdische Käppi-Mann unterhält sich freundlich mit zwei Männern, die ich als Sympathisanten Ernst Zündels einschätzen würde. Mir geht durch den Kopf, daß es ja auch jüdische Revisionisten gibt, aber irgendwie habe ich doch Zweifel, daß dieser einer davon ist.

Drei hübsche deutsche Jura-Studentinnen stehen ebenfalls in der Menge und warten. Ich glaube nicht, daß sie Zündel-Sympathisanten sind. Sie scheinen einfach neugierig auf diesen besonderen Prozess zu sein. Als sie im Gespräch mit ihrem Vordermann erfahren, daß der Anwalt Dr. Schaller wohl aus Altersgründen vom Gericht abgelehnt wird, bezweifeln sie, daß das möglich ist.

10:00 Uhr

Der Beginn der Verhandlung verzögert sich, da in Saal 1 noch eine Verhandlung läuft. Nach Passage der Sicherheitsschleuse und Abtasten auf Waffen wartet die Zuschauermenge zunächst eine Zeit lang in Saal 2, auch z. B. Horst Mahler, der als Anwalt ja nicht mehr zugelassen ist, bis wir endlich Einlaß in Saal 1 erhalten. Ein Lehrer kommt mit einer Schulklasse hinzu, anscheinend Oberstufenschüler.

10:30 Uhr

Nachdem alle Platz genommen haben, muß ein Teil der Wartenden den Saal wieder verlassen, da keine Stehplätze zugelassen werden. Dies betrifft vor allem die Schüler. Schwarz und ich sitzen in der vorletzten der sieben Bankreihen, weil wir auch ein bißchen von den Reaktionen des Publikums mitbekommen wollen.

10:40 Uhr

Richter Meinzerhagen kommt mit einem etwa einen halben Meter hohen Papierstapel herein, den er an seinem Platz ablegt, und verschwindet wieder.

10:45 Uhr

Herr Zündel erscheint in Begleitung seiner Anwälte und nimmt Platz. Ca. zwanzig Personen aus dem Publikum erheben sich, auch wir, viele applaudieren. Herr Zündel bedankt sich durch Lächeln und Kopfnicken. Unmittelbar darauf erscheinen der Richter und vier Gestalten, die auch beim letzten Mal anwesen waren. Der Applaus ist aber schon zu Ende, sie gelangen nicht in den Genuß desselben.

Sofort zur Begrüßung ergeht eine deutliche Mahnung durch den Richter an das Publikum, jegliche Bekundungen des Mißfallens oder des Beifalls wie etwa beim letzten Mal haben zu unterbleiben. Offenbar stand er noch unter den Nachwirkungen des Murrens am ersten Verhandlungstag. Zwölf Polizisten mit Pistolen und Handschellen an den Gürteln sind an den Seiten des Saales postiert und lächeln nicht. Sie haben den Auftrag “Störer” oder sonstwie sich ordnungswidrig verhaltende Personen sofort aus dem Saal führen und die Personalien aufnehmen. Das Publikum ist gewarnt, Richter Meinerzhagen meint es ernst. Dann kündigt er an, daß beim nächsten Mal keine Handys, ebensowenig wie Flaschen oder Getränke mit in den Gerichtssaal genommen werden dürfen.

10:55 Uhr

Nun fängt er an vorzulesen. Ich ziehe mich innerlich ein wenig zusammen, weil seine leiernde Art zu sprechen und vorzulesen doch schon etwas schmerzhaft ist, besonders wenn es längere Zeit dauert.

1. Beschluß der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Mannheim:
der Befangenheitsantrag vom 8. November wird als unbegründet zurückgewiesen. Dann leiert er die Rechtfertigung für den Beschluß hervor: der Ablehnung der Anwälte von Herrn Zündel als Pflichtverteidiger kann keine innere Haltung des Richters entnommen werden, sondern war objektiv gerechtfertigt usw.

2. Beschluß der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Mannheim:
Der Antrag von Rechtsanwältin Frau Stolz, die Öffentlichkeit bei den Beweisanträgen der Verteidigung auszuschließen, wird als unbegründet zurückgewiesen. Die Anwälte selbst sollen bei volksverhetzenden Beweisanträgen, die ja zu erwarten sind, angeklagt werden können. Richter Meinerzhagen erwartet durch die Beweisanträge sowieso eine Friedensstörung nach §130, die auch bei Ausschluß der Öffentlichkeit nicht straffrei gestellt sei, und im übrigen müssten die Beweisanträge ja auch in der öffentlichen Urteilsverkündung angesprochen werden. Deshalb Ablehnung dieses Antrags. Die Anwälte sollen sofort selbst strafrechtlich belangt werden, wenn sie Beweisanträge bringen, die dem Gericht nicht genehm sind.

3. Beschluß der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Mannheim:
Die Hauptverhandlung wird ausgesetzt, d.h. ohne neuen Termin, bis ein neuer Pflichtverteidiger bestellt ist, und dieser sich in das umfangreiche Aktenmaterial eingearbeitet hat. Der Haftbefehl gegen Herrn Zündel bleibt weiterhin in Vollzug. Richter Meinerzhagen rechtfertigt diesen Beschluß zynischerweise mit der Fürsorgepflicht des Gerichts gegenüber dem Angeklagten, da für diesen ein GEEIGNETER Rechtsbeistand sichergestellt sein müsse. Die Aufrechterhaltung des Haftbefehls sei nicht unverhältnismäßig, trotz der schon vorausgegangen Haftjahre, angesichts des dringenden Tatverdachts und der besonderen Schwere der Schuldvorwürfe gegen Herrn Zündel.



Einspruch des Rechtsanwaltes Rieger: da dem Angeklagten drei Wahlverteidiger zur Seite stünden, sei die Bestellung eines Pflichtverteidiger nicht zwingend erforderlich. Darüberhinaus sei den Anwälten, entgegen den Ausführungen des Richters, keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Beschluß gegeben worden, was er ins Protokoll aufzunehmen bitte.


Richter Meinerzhagen klärt Herrn Zündel freundlich darüber auf, was er bei der Bestellung eines neuen Pflichtverteidigers beachten muß, damit dieser dem Gericht genehm ist. Nach jedem dritten Wort sagt er dabei “ähm” und räuspert sich. Ob er seine Ausführungen vielleicht selbst ein bißchen merkwürdig findet? Schließlich verfügt er eine kurze Pause, weil sich Herr Zündel mit seinen Anwälten bzgl seiner Stellungnahme besprechen möchte, und das Gericht seinerseits noch Stellung zu Herrn Riegers Einspruch nehmen muß.

11:15 Uhr Sitzung unterbrochen

11:25 Uhr

Der Antrag von Herrn Rechtsanwalt Rieger, er habe keine Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen, wird als unbegründet zurückgewiesen. Basta!

Jetzt äußert Herr Zündel, daß er Herrn Dr. Schaller als Pflichtverteidiger bestellen möchte. Herr Rieger verlangt daraufhin, daß damit der 3. Beschluß auf Aussetzung des Verfahrens zurückzunehmen sei. Richter Meinerzhagen meint, daß ihm eine Entscheidung darüber am heutigen Tag nicht möglich sei. Rieger: Warum nicht? Meinerzhagen fühlt sich merklich unbehaglich und wendet sich an die Staatanwaltschaft. Der Staatanwalt äußert, daß Herr Dr. Schaller ebenso ungeeignet als Pflichtverteidiger sei, wie Frau Scholz. Deshalb könne der Beschluß auf Aussetzung des Verfahrens heute nicht aufgehoben werden. Bitte von Herrn Rieger an Richter Meinerzhagen, doch am heutigen Tag eine Entscheidung darüber zu treffen, damit er anschließend diesen Gerichtsbeschluß anfechten könne. Es gehe um eine zügige Weiterführung des Verfahrens. Der Richter lehnt dies jedoch kategorisch ab. Auf den Einwurf von Herrn Dr. Schaller, daß Herr Zündel in Haft sitze, antwortet der Richter mit zynisch-ironischem Gesichtausdruck, dies sei ihm bekannt.



Da der Richter die Verhandlung offenkundig sofort beenden möchte, bittet Frau Stolz noch schnell darum, zu ihrer Entpflichtung Stellung nehmen zu dürfen. Dazu sei ihr bisher keinerlei Gelegenheit gegeben worden.

Plötzlich verliert Richter Meinerzhagen ganz unerwartet die Fassung und wird sehr ärgerlich. Mit beinahe kreischender Stimme besteht er darauf, daß die Hauptverhandlung ausgesetzt werde, und daß jetzt Schluß sei. Ein passender neudeutscher Ausdruck für sein Verhalten zum Schluß wäre: uncool. Der Mann zeigt Nerven. Wahrscheinlich muß er erst fragen, wie es weitergehen darf, deshalb will er unbedingt die Aussetzung des Verfahrens. Unmutsbekundungen aus dem Publikum führen aber nicht mehr zum Einschreiten der zwölf Polizeiwächter. Die Verhandlung ist sowieso zu Ende.

11.35 Uhr

Schluß. Die drei jungen Jura-Studentinnen verlassen in der übrigen Zuschauermenge mit bedripster Mine den Saal. Sicher ein lehrreicher Tag für sie, besonders was die von ihnen anfänglich bezweifelte mögliche Ablehnung von Pflichtverteidigern aus (vorgeschobenen) Gründen betrifft. Ob sie anfangen nachzudenken?