Brüssel. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat der EU-Kommission erneut vorgeworfen, nicht genug gegen den Missbrauch der Freizügigkeit zu tun und ein „multilaterales“ Vorgehen betroffener Mitgliedstaaten gegen Armutseinwanderung angedroht. „Wir brauchen ein gemeinsames Verständnis, wie wir die Freizügigkeit schützen können, wie wir den Missbrauch verhindern können“, sagte Friedrich vor einem Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag in Brüssel. „Und notfalls werden wir uns außerhalb der Strukturen der Europäischen Union multilateral verständigen müssen, um ein gemeinsames Vorgehen zu wählen.“
Die Diskussion um Armutseinwanderung aus EU-Staaten und eine Einschränkung der Freizügigkeit in Europa als Reaktion steht erneut auf der Tagesordnung des Innenministerrats. Auslöser der seit Monaten anhaltenden Debatte sind Klagen aus Deutschland, Großbritannien und anderen Mitgliedstaaten über zunehmende Anträge auf Sozialleistungen von Rumänen und Bulgaren. Die EU-Kommission legt den Ministern einen Bericht zum Ausmaß des beklagten Problems und zu den rechtlichen Grundlagen zum Vorgehen gegen Sozialmissbrauch vor.
Unions-Politiker, allen voran CSU-Innenminister Friedrich, warnen gerne vor Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien. Zu Unrecht, sagen Ökonomen. Tatsächlich kommen Leute, die Deutschland sogar dringend braucht.
„Ich sage es sehr klar, wir sind mit diesem Bericht nicht zufrieden“, sagte Friedrich. „Er reicht nicht aus, die Probleme zu lösen.“ Der Bericht bringe weder Rechtsklarheit, noch eine Lösung dafür, dass die Herkunftsstaaten nicht die vorgesehenen EU-Mittel einsetzten, um die Lage ihrer Bürger zu verbessern. Nach Angaben von EU-Diplomaten handelt es sich bei den sogenannten Armutseinwanderern aus Bulgarien und Rumänen, die etwa in Deutschland Sozialleistungen beantragten, oft um Angehörige der Roma-Minderheit.
Nötig sei „mehr als die Kommission vorschlägt, irgendwelche Diskussionsveranstaltungen oder irgendwelche Booklets zu entwerfen, das reicht nicht“, kritisierte Friedrich. Die betroffenen Länder wollten versuchen, „gemeinsam gesetzliche Regelungen auf nationaler Ebene zu entwickeln, wie wir das Problem lösen können, (...) wenn die Kommission nicht bereit ist, uns weiter in dieser Frage zu unterstützen“. Als mögliche Partner nannte Friedrich die „skandinavischen Länder“, auch Großbritannien hatte einen Missbrauch der Freizügigkeit beklagt.
Jüngst hatte Großbritanniens Premierminister David Cameron die Debatte befeuert und vorgeschlagen, die EU solle die Freizügigkeit von Arbeitnehmern in Europa einschränken.
Anstatt multilateral vorzugehen, solle Friedrich „mal was national machen“, sagte EU-Justizkommissarin Viviane Reding. „Es geht um deutsches Recht, was entweder nicht eingehalten wird oder zu großzügig ist.“ Missstände müssten vor Ort geahndet werden aufgrund von nationalem Recht. „Also, das brauchen wir nicht in Europa zu machen, europäische Gesetze sehen vor, dass nationale Minister das tun können“, fügte sie hinzu.
afp/dpa