Haben schlaue Menschen große Köpfe? Auch wenn diese Vermutung geradezu kindlich naiv anmutet, hält sie die Forscher seit geraumer Zeit in Atem. Denn was auf den ersten Blick wie eine Art Primitivanthropologie wirkt, hat einen ernsten wissenschaftlichen Hintergrund.
Tatsächlich besteht aus evolutionärer Perspektive ein enger Zusammenhang zwischen Intelligenz und Gehirngröße (in absoluten Zahlen wie in Relation zur Körpergröße). Von den Wirbellosen über Fische, Amphibien, Reptilien, Säugetieren und Menschen lässt sich ein deutlicher Trend zu immer größeren Gehirnen feststellen. Und diese Zunahme geht Hand in Hand mit immer komplexeren und flexibleren Verhaltensweisen. Bei einer einfachen Lebensform wie dem Regenwurm mit ihren gerade einmal 300 Nervenzellen reicht es allenfalls für allereinfachste Verhaltensprogrammierungen. Insekten wie Wespen, Bienen oder Fliegen bringen es schon auf ungefähr das Dreihundertfache an "brain power". Diese Arten verfügen vermittels ihrer Komplexaugen bereits über so etwas wie Gestaltwahrnehmung. Wespen sind sogar in der Lage, individuelle Artgenossen zu erkennen. Außerdem ist über Nektarsammeln, Nestbau, Paarungsflügen etc. schon ein ziemlich komplexer Set von Verhaltensweisen in ihren Nervensystemen verdrahtet. Auch lassen sich bei diesen Spezies erste Ansätze von Lernen oder Informationsspeicherung nachweisen – man denke etwa an den Bienentanz, mit dem Informationen über Futterquellen weitergegeben werden. Das intelligenteste Tier unter den Wirbellosen ist der Oktopus, dessen Gehirn mehrere tausendmal größer ist als bei einem Fluginsekt. Hier finden wir ein ausgeprägtes Neugier- und Beobachtungsverhalten, Lernen und Problemlösen durch Versuch und Irrtum.
Sind Neugier, Lernen, Spiel oder Dressierbarkeit bei Fischen, Amphibien oder Reptilien noch sehr rudimentär ausgeprägt, kommen diese Merkmale bei den Säugetieren, die im Mittel über wesentlich größere Gehirne verfügen, zur vollen Entfaltung. Bei Spezies mit besonders großen Gehirnen wie Menschenaffen und Delphinen trauen sich Wissenschaftler vereinzelt sogar schon, ihnen konkrete Intelligenzwerte zuzuordnen – wobei sie ungefähr die Stufe von drei- bis vierjährigen Menschenkindern erreichen.
Auch in der Evolution des Menschen kommt der Hirnentwicklung eine entscheidende Rolle zu. Die ersten aufrecht gehenden Vorfahren unserer Art hatten keine größeren Gehirne als Schimpansen. Dass ihnen eine ziemlich affenartige Intelligenz zugeschrieben wird, beruht allerdings nicht allein auf einem Analogieschluss. Alle archäologischen Indizien sprechen dafür, dass ihnen Werkzeugherstellung, Feuernutzung, komplexe Jagdstrategien oder Sprache noch unbekannt waren. Die kulturelle Evolution des Vormenschen schritt mehr oder minder parallel zur Hirnvergrößerung voran.
Unter dieser Prämisse erscheint es ganz und gar nicht mehr naiv zu fragen, ob Intelligenzunterschiede zwischen Menschen zumindest teilweise auf unterschiedliche Gehirngröße zurückgehen. Frühere Wissenschafts- generationen hat das vor erhebliche Probleme gestellt. Halbwegs genau lässt sich das Hirngewicht eigentlich nur durch Autopsie ermitteln – wobei der Proband für Intelligenztests aus nachvollziehbaren Gründen nicht mehr zur Verfügung steht.
Behelfsmäßig wurde daher für Lebende eine Schätzmethode entwickelt, bei der die Hirngröße aus Länge, Breite und Höhe des Schädels geschätzt wurde. Als Korrekturfaktor wurde ein Zahlenwert genutzt, der bei Autopsien gewonnen wurde. Mit Hilfe dieser Methode wurde im Durchschnitt ein eher schwacher Zusammenhang ermittelt: Danach trägt das Hirngewicht nur zu etwas weniger als 10% zum Intelligenzquotienten bei. Allerdings muss gesagt werden, dass dieses Verfahren naturgemäß ungenau bleiben muss. Mit Außenmaßen lassen sich weder Unterschiede in der Dicke der Kopfschwarte, der Schädelknochen noch in der Füllung der Schädelkapsel mit Zerebralflüssigkeit ermitteln. Ein großer Schritt in Richtung höherer Präzision wurde mit bildgebenden Verfahren wie der Computertomographie erreicht, die brauchbare dreidimensionale Abbildungen von lebenden Gehirnen liefern. Damit kletterte der Einfluss des Hirnvolumens auf den persönlichen IQ auf etwas über 20%.
Ein äußerst heikles und rätselhaftes Phänomen bildet der Vergleich zwischen Menschenrassen. Die Hirngröße – oder genauer gesagt: die Schädelkapazität – ist zwischen ethnischen Gruppen durchaus variabel. Am höchsten liegen die Werte innerhalb des Großraums, der Sibirien, Mongolei, China, Korea, Japan und die Arktis (als Siedlungsraum der Eskimos) umfasst. Auf die gemäßigten Zonen entfallen mittlere Werte, während sich die niedrigsten in tropischen Gebieten und bei den australischen Aborigines finden.
Auch Intelligenzunterschiede zwischen ethnischen Gruppen sind vielfach nachgewiesen worden. Den umfassendsten Überblick bieten aktuell die Veröffentlichungen des britischen Psychologen Richard Lynn, die allerdings eher berüchtigt als berühmt genannt werden müssen. Notorisch sind die extrem niedrigen Werte, die er vor allem schwarzafrikanischen Bevölkerungen zuweist. So liegt bei ihm der nationale Durchschnitt von Tansania bei 62 IQ-Punkten. Dass wäre wenig mehr als die Hälfte des europäischen Wertes. Nun ist Lynn dafür auch entsprechend heftig kritisiert worden. Andere Wissenschaftler, die strengere Gütekriterien an die zugrundeliegenden Einzelstudien anlegen, kommen eher auf Werte um 80. Was allerdings noch immer eine erhebliche Differenz darstellt. Ob diese Unterschiede erblich oder umweltbedingt sind, gibt seit Jahrzehnten Anlass für erbitterte Grabenkämpfe zwischen den wissenschaftlichen Lagern. Wer sich selber ein Urteil bilden möchte, dem sei dringend empfohlen, sich die Argumente beider Seiten anzuhören.
Für einen biologischen Faktor jedenfalls spricht der Zusammenhang zwischen dem Durchschnitts-IQ einer ethnischen Gruppe und deren mittlerer Hirngröße. Und dieser Zusammenhang ist erstaunlich eng. Nach Lynn liegt er bei ca. 0,8 (maximal wäre 1,0). Umgerechnet bedeutet das, dass die Intelligenz zu 64% von der Hirngröße bestimmt wird. Da gegenüber den Zahlenangaben des Autors ein wenig misstrauisch geworden, habe ich selber einen Test gemacht. Auf einer Karte zur weltweiten Verteilung der Hirngröße habe ich 29 möglichst gleichmäßig verteilte Populationen gewählt und sie mit den IQ-Werten von Lynn in Korrelation gesetzt (Karte ist unten angehängt). Trotz der naturgemäß sehr ungenauen Methodik komme ich selber noch auf einen Zusammenhang von 0,68. Darüber hinaus ergab sich, dass die Körperhöhe kaum einen Einfluss auf die Hirngröße hat. Warum dieser Zusammenhang so viel höher liegt als bei Einzelpersonen, ist mir ein Rätsel. Theoretisch bestünde eine Möglichkeit darin, dass sich bei der Berechnung von Gruppenwerten die Messfehler gegenseitig aufheben.
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