Neonazis in Magdeburg
Einer der größten Polizeieinsätze in der Geschichte des Landes erstellt 11.01.13, 16:06h, aktualisiert 12.01.13, 14:56h
Demonstranten gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremisten tragen in Magdeburg ein Plakat, mit dem sie gegen Rassismus und Antisemitismus protestieren. (FOTO: DPA)
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MAGDEBURG/DPA/MZ. Vor dem erwarteten Aufmarsch von Neonazis in Magdeburg sind am Samstag Hunderte Menschen zu Gegenveranstaltungen in die Innenstadt geströmt. Die Polizei ist laut Sprecher Frank Küssner mit deutlich mehr als 2.000 Beamten im Einsatz, um ein Zusammentreffen von Neonazis und Gegendemonstranten zu verhindern.
[Links nur für registrierte Nutzer]Polizei-Einsatzkräfte marschieren in Magdeburg auf. Mit einem Großaufgebot will die Polizei dort Auseinandersetzungen zwischen rechten und linken Extremisten sowie Gegendemonstranten verhindern. (FOTO: DPA)
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In der Nähe des Hasselbachplatzes kam es an einer Sperre zum Zusammenstoß zwischen Polizei und linken Demonstranten, die mit Feuerwerkskörpern und Bengalos bewaffnet waren. Drei der Linksautonomen wurden nach Angaben eines MZ-Reporters bei dem massiven Einsatz der Polizei durch Pfefferspray verletzt.
Später bildete die Polizei einen Kessel, mit dem sie offenbar verhindern wollte, dass sich Hunderte Linke auf den Weg zu einem vermuteten Neonazi-Treffpunkt machen. Einige Linksautonome versuchten daraufhin, Polizeiautos zu beschädigen und zerstören. Sie schlugen mit Baseballschlägern auf die Autos ein und rissen Spiegel ab. Auch Verkehrsschilder wurden aus den Verankerungen gerissen. Nach Angaben des Reporters kam es zu mehreren Festnahmen. Der Straßenbahnverkehr kam zum Erliegen.
[Links nur für registrierte Nutzer]Einsatzfahrzeuge der Polizei sichern in Magdeburg Proteste gegen eine rechte Demonstration ab. Mit einem Großaufgebot will die Polizei dort Auseinandersetzungen zwischen rechten und linken Extremisten sowie Gegendemonstranten verhindern.
Mehrere hundert Neonazis beteiligten sich am frühen Nachmittag an einem Aufmarsch. Wegen mehrerer Gegendemonstrationen war der Zug der Neonazis in den Stadtteil Salbke am südlichen Stadtrand verlegt worden. Augenzeugen sprachen von einem massiven Polizeiaufgebot, das den Zug der meist schwarz gekleideten Neonazis begleitete. Gegendemonstranten sollen nicht vor Ort gewesen sein.
In der Innenstadt gab es dagegen weiter Gegendemonstrationen. Dabei wurden laut Polizei mehrfach Beamte mit Flaschen beworfen. Vor der CDU-Zentrale setzten Unbekannte einen Müllcontainer in Brand, zudem wurden wiederholt Rauchbomben und Silvesterknaller gezündet.
Die Polizei hatte eigentlich mehrere Gegendemonstrationen in Gebieten östlich der Elbe auf die Westseite des Flusses verlegen wollen, war damit aber in drei Fällen vor dem Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht gescheitert. Die Sitzblockade fand ebenfalls östlich der Elbe statt, wo linke Gruppierungen mit dem Aufmarsch der Neonazis rechneten.
Die Polizei kontrollierte Teilnehmer der geplanten Demonstrationen auf den Elbbrücken, auf den Zufahrtsstraßen in die Stadt und in der Bahn. Auch Wasserwerfer waren im Stadtgebiet unterwegs. Bei den Kontrollen wurden verbotene Gegenstände sichergestellt, darunter Sturmhauben und Pfefferspray, wie ein Polizeisprecher mitteilte.
Mit dem Großaufgebot aus zehn Bundesländern will die Polizei Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremisten und Gegendemonstranten verhindern. Mehr als 2.000 Beamte sind im Einsatz, um ein Zusammentreffen der rund 1.400 erwarteten Neonazis mit rund 2.000 Gegendemonstranten aus dem linken Spektrum zu verhindern, wie Polizei und Innenministerium mitteilten. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa trafen bereits am Freitag die ersten Kräfte der Polizei zur Verstärkung ein, ein Großteil sollte bereits in der Nacht zu Samstag im Land sein.
Mit einem großen Straßenfest will Magdeburg ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen. Zur Eröffnung am Mittag kamen zunächst allerdings nur wenige Teilnehmer in die Innenstadt. Erwartet wurden im Laufe des Tages rund 14 000 Menschen. Die „Meile der Demokratie“ war aus Protest gegen einen geplanten Aufmarsch von Neonazis aus Anlass des 68. Jahrestages der Bombardierung Magdeburgs im Zweiten Weltkrieg von der Stadt organisiert worden.
Linke Gruppierungen demonstrierten am Samstag sowohl östlich der Elbe als auch am Hauptbahnhof westlich des Flusses. Den Bahnhof hatten die erwarteten 1400 Neonazis als ihren Treffpunkt genannt. Nach Angaben der Polizei liefen am Mittag noch Verhandlungen mit den Veranstaltern des rechten Zuges, damit die Route nicht mit Demonstrationen aus der linken Szene kollidiert.
Die Polizei ist unter anderem mit Reiterstaffeln, Wasserwerfern und mindestens 15 Hundertschaften im Einsatz sein. Unterstützung wurde nach Angaben des Innenministeriums angefordert aus Brandenburg, Bayern, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Sachsen.
Anlass des Neonazi-Aufmarschs ist der 68. Jahrestag der Zerstörung Magdeburgs im Zweiten Weltkrieg. Am 16. Januar 1945 waren bei einem Luftangriff rund 2500 Menschen ums Leben gekommen.
Große Teile der Stadt lagen in Schutt und Asche. Seit Jahren nehmen Rechtsextremisten das Datum als Anlass, um in Magdeburg aufzumarschieren. Im Januar vergangenen Jahres kamen rund 1.200 Rechtsextremisten. Bislang blieben die Aufmärsche in Magdeburg aber kleiner als ähnliche Aufmärsche jeweils im Februar in Dresden.
Für Aufsehen sorgte im Vorfeld ein kirchlicher Aufruf zu einer Blockade der Neonazi-Demonstration. „Ziviler Ungehorsam ist ein Bürgerrecht“ heißt es in dem Papier, das unter anderem die Bischöfin der evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, unterzeichnet hat. Erstellt wurde der Aufruf von der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus.
Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) verurteilte jegliche Blockade. „Wir sollten die Rechtsextremen mit Missachtung strafen, sie aber nicht blockieren“, zitierte die „Mitteldeutsche Zeitung“ den Minister.
Junkermann verteidigte den Aufruf am Freitag: „Gewaltfreie Blockaden sind eine Gewissensentscheidung und gehören zum Grundrecht auf freie Meinungsäußerung“, sagte Junkermann einem Sprecher zufolge. „Die unabdingbare und bedingungslose Friedlichkeit aller Aktions- und Protestformen ist für Christen dabei unbedingte Voraussetzung.“ Man müsse und wolle sich aber gegen Menschenfeindlichkeit und extrem rechte Organisationen engagieren.