Ich habe [Links nur für registrierte Nutzer] Buch zu Weihnachten geschenkt bekommen und in einem Rutsch durchgelesen. Mein Hauptinteresse rührte daher, dass ich begeisterter Radsportfan bin und die Tour de France immer so irgendwie möglich verfolgt habe. Viele entscheidende, spannende Etappen haben sich bei mir auch ins Gedächtnis eingebrannt und ich wollte das alles noch einmal aus Sicht einer meiner damaligen Helden lesen. Tyler Hamilton war für mich seit 2003 vielleicht der beeindruckendste Fahrer von allen, obwohl ich früher Jan Ullrich die Daumen gedrückt hatte. Die Tour, die er 2003 nach einem Sturz auf einer der ersten Etappen mit gebrochenem Schlüsselbein fuhr, nach einem Etappensieg und zwei exzellenten Zeitfahren auf Platz 4 beendete, stellte für mich dann allerdings die begeisternden Leistungen eines Jan Ullrich in diesem Jahr oder eines Lance Armstrong in den Schatten. Diese Bewunderung wurde für mich nicht dadurch getrübt, dass er 2004 positiv auf Blutdoping getestet wurde, weil ich mir damals schon sicher war, dass keiner der damaligen Radprofis sauber war.
In diesem Buch nun beschreibt er detailgetreu, wie er Ende der 90er in den Sog der Radsportmafia und des Systems Lance Armstrong gerät. In einer unglaublichen Präzision erzählt er über die Entwicklung des Dopings und der Einfluss auf den Radsport (gedopt wurde schon früher, aber mit dem Aufkommen von Epo ändert sich alles, ein Gigant wie Indurain bleibt hinter vormals mittelmäßigen Fahrern wie Bjarne Riis hoffnungslos zurück, die diese neuen Methoden nutzen und vorher eher Mittelmaß waren), wie auch US Postal die Zeichen der Zeit erkennt und er irgendwann vor der Entscheidung steht, mitzumachen oder die Radsportkarriere an den Nagel zu hängen und die aus seiner heutigen Sicht falsche Entscheidung traf. Wie Armstrong auch über das Doping hinaus ein System aufbaut, bei dem der Toursieger schon von vornherein feststeht, wie er selber bei Armstrong aussteigt, ein Team aufbaut und zum Goldmedaillengewinner, Weltklasse Klassementfahrer und Tourfavoriten aufsteigt. Wie Armstrong die sportliche Konkurrenz, die mittlerweile in Sachen Doping auf dem neuesten Stand ist wie er mithilfe seiner Freunde der UCI auf Distanz hält.
Was mir allerdings trotz meiner Klarheit über Doping nicht bewusst war, wie sehr gerade das Blutdoping die Tagesform bestimmt. Ein Fahrer kann an einem Tag nicht mithalten und muss abreißen lassen, am nächsten fährt er allen davon - sowas, was mich damals immer verwundert hatte sind wohl Folgen von injezierten Blutbeuteln.
Danach für ihn dann der tiefe Fall, positiver Dopingbefund, juristischer Kampf, Millionenrechnungen, alles umsonst, schwere Depressionen (die ihn auch schon zuvor heimgesucht hatten). Hier wird die Geschichte interessant auch für nicht Radsportfans, wie sich jemand vom absoluten Tiefpunkt, mit Ende 30 sich eingestehend seit Anfang 20 eine Lüge gelebt zu haben, vor dem Nichts stehend, sich aufmacht und sein Leben aufräumt, seinen Eltern, Verwandten, nächsten Freunden etc. erstmals gegenüber gesteht, gedopt zu haben (die ihn bislang für zu Unrecht verdächtigt hielten), reinen Tisch macht und sein Leben in neue Bahnen lenkt.
Für mich ein absolut packendes Buch und trotz aller Höhen und Tiefen ist und bleibt er für mich ein Held (wie ja auch übrigens die ganzen Leistungen eines Armstrong, Ullrich oder Pantani trotz Doping für sich genommen ja trotzdem sportliche Höchstleistungen sind)!