Bis hierhin sind Meyers Erörterungen zweifelhaft, aber nicht unbedingt störend. Anders ist das bei drei weiteren Punkten. So bezieht der "Spiegel"-Journalist in seinem Aufsatz eher schwammig, auf Nachfrage aber klar Position bei der umstrittenen Frage, ob in den Gaskammern der vier Krematorien massenhaft gemordet worden sei: "Die Gaskammern der Birkenauer Krematorien I und II waren außer in der Experimentierphase offenbar kaum in Betrieb, III oder IV hauptsächlich nur wohl in dem furchtbarsten Monat Oktober 1944." Damit widerspricht Meyer nicht nur Dutzenden von Zeitzeugenberichten, die alle im Kern übereinstimmend über die "Mordfabriken" in den vier Krematorien berichten. Auch die Bauakten der SS geben keinen Hinweis darauf, dass die zweifelsohne geplanten und eingebauten Gaskammern nicht funktioniert hätten.
Meyer stellt zwar fest, dass es sehr wohl Gaskammern in Birkenau gegeben habe, nämlich zwei umgebaute kleine Bauernhäuser. Aber weil sie nur eine begrenzte "Kapazität" gehabt hätten, so sein Zirkelschluss, müsste die Zahl der Opfer deutlich niedriger sein als - wie gemeinhin angenommen - 700.000 bis 950.000. Charakteristisch für Holocaust-Leugner ist ihre selektive Wahrnehmung. Sie lesen stets nur jene Belege, die in ihr Weltbild passen: Von Meyers Erörterungen nehmen sie vor allem wahr, dass die Gaskammern in den Krematorien nicht benutzt worden seien. Oder dass es sich bei dem bislang als echt geltenden Brief des SS-Bauleiters Bischoff über die "Leistung" der Krematorien um eine "Fälschung" handele, wie Meyer behauptet, ohne Gründe anzugeben, wird für die Ewiggestrigen zum Beleg für die absurde These, alle Dokumente über den Holocaust seien Produkte einer seit 1945 arbeitenden "Fälschungsfabrik". Oder dass ein "Spiegel"-Redakteur den bekennenden und verurteilten Auschwitz-Leugner David Irving für einen "erfolgreichen Rechercheur" hält - in Wirklichkeit hat erst kürzlich der britische Historiker Richard Evans nachgewiesen, dass Irving seit seinen ersten beiden Büchern über den anglo-amerikanischen Bombenkrieg gegen deutsche Städte Quellen vorsätzlich fehlinterpretiert und verfälscht.