Deutschland entschädigt weitere 80.000 jüdische Opfer des Nationalsozialismus. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und der Vorsitzende der Jewish Claims Conference, Julius Berman, unterzeichneten ein Abkommen, das eine finanzielle Wiedergutmachung für Opfer regelt, die bisher keine Entschädigung erhalten haben.
Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums erhalten Opfer eine einmalige Zahlung von 2556 Euro. Wer drei Monate in einem Konzentrationslager oder Getto inhaftiert war oder sechs Monate im Versteck oder in der Illegalität unter falscher Identität gelebt hat, erhält eine lebenslange monatliche Rente von 300 Euro.
Außerdem würden weltweit für etwa 100.000 pflegebedürftige Überlebende "Leistungen der häuslichen Pflege bereitgestellt" - viele der Überlebenden seien inzwischen pflegebedürftig.
Stichwort: Artikel-2-Abkommen
Der Fonds für Wiedergutmachungsleistungen an jüdische Verfolgte, auch "Härtefonds" genannt, ist ein Abkommen zwischen dem Bundesfinanzministerium und der Jewish Claims Conference vom 29. Oktober 1992. Es ist auch als Artikel-2-Abkommen bekannt, weil es auf Artikel 2 der Zusatzvereinbarung zum Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik und der damaligen DDR beruht. Es regelt die Vergabe von Mitteln an jüdische Verfolgte in bestimmten Härtefällen. Möglich sind einmalige Beihilfen von maximal 2556 Euro oder monatliche Beihilfen von 300 Euro. Hinzu kommen Überbrückungsleistungen. Finanziert wird zudem ein Netzwerk von Pflegeeinrichtungen für Holocaust-Überlebende. Bis 2011 flossen insgesamt rund 3,6 Milliarden Euro auf Basis des Abkommens. Die Verteilung des Geldes übernimmt die Jewish Claims Conference. Mehr als 370.000 Betroffene profitierten bislang von der Unterstützung. Mit der Unterzeichnung des Abkommens vom 15. November 2012 erhalten weitere 80.000 Überlebende Entschädigungszahlungen.
Bekenntnis zu historischer Verantwortung
Schäuble sagte im RBB-Inforadio, mit der Vereinbarung bekenne sich Deutschland erneut "zu seiner historischen Verantwortung gegenüber den jüdischen Opfern des Holocaust". Er fügte hinzu, dass in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion noch Menschen leben, die bisher nicht anspruchsberechtigt waren. Sie sollen nun eine Entschädigung erhalten. "Wir wissen bis heute nicht die Namen aller Ermordeten", erläuterte der Minister. "Und deswegen muss man das auch immer wieder anpassen."
Schäuble und Berman unterzeichneten die Vereinbarung am Rande eines Festakts zum 60-jährigen Bestehen des Luxemburger Abkommens. Mit der Übereinkunft von 1952 hatte die Bundesrepublik die Verantwortung für die Folgen des Völkermords an den europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland übernommen und finanzielle Zusagen gemacht.