Das Wesen des deutschen Sozialstaates liegt in seiner Umverteilungsfunktion. Es werden nur Parteien gewählt, die verteilen wollen. Der "Gott" dieser Religion - also "Opium fürs Volk" - um beim verstaubten Karl Marx zu bleiben, heißt "soziale Gerechtigkeit". Deshalb sind die "Sozialpolitiker" in allen Parteien die Populärsten (man denke an Seehofer und Blüm). Und alles was diesem Gedanken zuwider läuft, wird mit der ideologischen Keule der "sozialen Ungerechtigkeit" gebrandmarkt. Parteien, die die Umverteilung substantiell vermindern wollen, werden nicht (mehr) gewählt. Zuerst wird wenig verteilt, über Jahre und Jahrzehnte progressiv immer mehr. Logisch, daß dann irgendwann der Punkt eintritt, wo die Wohlstandsgesellschaft erlahmt und es aus ökonomischer Sicht mehr Sinn macht, von der Umverteilung direkt zu profitieren, als für die Umverteilung zu arbeiten.
Teile der CDU stellen dieses Umverteilungsmodel in Frage und prompt fallen die Umfragewerte.
Am besten funktionierten die tradierten Sozialversicherungssysteme in Wirtschaftswunderjahren mit einer jungen Gesellschaft, fleißigen Bürgern und niedrigen Ansprüchen (siehe 50er und 60er Jahre). Mit dem Wohlstand steigen die Ansprüche, und mit den Ansprüchen wird der Druck, die Umverteilungsmasse zu steigern noch größer. Unter "normalen" Bedingungen hätten in Deutschland bereits in den 90er Jahren die Korrekturmechanismen diese Utopie zu Fall gebracht. Doch die deutsche Wiedervereinigung bescherte den Deutschen einen wirtschaftlichen "Sonderzyklus" und viele Jahre an Reformstagnation.
Deutschland ist keine Eigentümergesellschaft wie etwa Großbritannien, sondern eine Mietergesellschaft. Bei Wahlen fragt der Bürger also nicht, "wer mehrt und beschützt mein Eigentum?", sondern er fragt in Deutschland, "wer sorgt für mein Transfereinkommen am besten?". Diese Abhängigkeitsmentalität ist flächendeckend.
Paradox wie es klingen mag, münden nun massenpsychologisch der bundesrepublikanische Vollkaskostaat und der Kollektivgedanke der DDR im selben trüben Gewässer. Deshalb hat sich mit der Wiedervereinigung die politische Achse Deutschlands nach links verschoben - trotz aller Wahlsiege der CDU im Osten direkt nach der Vereinigung. Die Linkspartei im Westen ist nicht zufällig aus den Gewerkschaften entstanden, die Kanzler Schröder immer mißtrauten, und für die Umverteilungmaximierung Ideologie ist. Mit der SED im Osten, via PDS, kommt es nun mit den Westgewerkschaften zu einer Verschmelzung dieser beiden Gedankengüter ....
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Erwin Grandinger, politischer Analyst
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Was ist "soziale Gerechtigkeit"? Opium fürs Volk? Ein Gott, ein "General-Lügenbegriff" (Roland Bader) und warum ist es einer Sozialdemokratischen Regierung, die ständig mit diesem Begriff operiert, nicht gelungen, den Abstand zwischen Arm und Reich zu verringern?