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GEZ will Bürger künftig noch stärker ausforschenWer glaubt, mit der Haushaltsabgabe habe sich die GEZ erledigt, der irrt. Die GEZ stellt Hunderte neuer Leute ein – und wird künftig noch tiefer in die Privatsphäre der Bürger eindringen. Von Benedikt Fuest
© ROBERTO PFEIL/AP/dapd
Die Gebühreneinzugszentrale GEZ in Köln. Die Zahl der Mitarbeiter soll noch wachsen
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GEZ und Rundfunkgebühren Wer seine Wohnung oder sein Büro auflösen möchte, muss jede Menge Papierkram erledigen: Ein Besuch beim Meldeamt steht an, die Verträge mit Telekommunikations- und Stromanbieter müssen aufgekündigt werden.
Und dann ist da noch die Abmeldung bei der Gebühreneinzugszentrale des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, kurz GEZ. Das ist die vielleicht größte Herausforderung von allen.
"Wir melden zum 1. September 2012 alle hier vorhandenen Geräte ab und kündigen zum o.a. Zeitpunkt jegliche Verpflichtung", schrieb vor geraumer Zeit der Düsseldorfer Journalist Eberhard Liliensiek der GEZ und sah die Sache damit als erledigt an.
GEZ versucht, Kündigungen zu verhindern
Die Rundfunkgebührenzahlung aber lässt sich nicht ohne Weiteres aufkündigen, denn die GEZ ist misstrauisch: Die Kölner Gebühreneinzieher vermuten erst einmal, dass der einstige Zahler sie um den Rundfunkobulus betrügen will: "Wir haben die Abmeldung zunächst nicht durchgeführt, da aus dem Schreiben nicht zweifelsfrei hervorgeht, dass die Geräte tatsächlich nicht mehr vorhanden sind. Die bloße Erklärung, dass es die Geräte nicht mehr gibt, reicht für eine Abmeldung nicht aus", antworten sie Liliensiek auf sein Kündigungsschreiben.
"Teilen Sie uns bitte Tatsachen mit, die belegen, dass die Geräte nicht mehr vorhanden sind." Liliensiek hatte sein Presse-Büro bereits aufgelöst, seinen alten Büro-Fernseher längst beim Recyclinghof abgegeben. Nun überlegt er, das Gerät zurückzuholen und bei der GEZ in Köln-Bocklemünd abzugeben.
GEZ verschanzt hinter Stacheldraht
Auch dieser Versuch würde wohl scheitern. Denn die GEZ verschanzt sich auf einem Studiogelände des WDR im Kölner Westen, von Videokameras überwacht hinter Stacheldrahtzäunen und hohen Eisengittern. Wer Fotos macht, wird höflich zur Unterlassung aufgefordert, gleich drei Wachleute beobachten im Torhaus Überwachungsbildschirme.
Nebenan liegt das alte Fort IV, eine abweisende Befestigungsanlage aus Zeiten der Preußenherrschaft über Köln – es wäre vielleicht eine noch passendere Heimstatt für die Gebührenzentrale.
Gebührenzahler fühlen sich verfolgt
Wie Liliensiek fühlen sich viele Gebührenzahler von einer kafkaesken, unerreichbaren Behördenstruktur verfolgt, in Protestforen im Netz wimmelt es von absurden Geschichten über die GEZ: Die Gebühreneinzieher schreiben demnach Grundschulkinder an und verlangen sogar von toten Dackeln die Nachzahlung von TV-Gebühren.
Die Gegner der Kölner Truppe hofften bis vor Kurzem auf den bevorstehenden Jahreswechsel. Ab 1. Januar 2013 nämlich gilt der neue Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, und der regelt die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland komplett neu.
Ab 2013 gilt eine Haushaltsabgabe
Dann wird nicht mehr pro Gerät, sondern pro Haushalt gezahlt. Unabhängig davon, ob im jeweiligen Haushalt tatsächlich Rundfunkempfangsgeräte – sprich Fernseher, Radios oder auch Computer – vorhanden sind.
Und unabhängig auch davon, wie viele Menschen dort leben. Immer wird der Beitrag von 17,98 Euro pro Monat fällig. So will der Gesetzgeber auch im Zeitalter des Internets die Finanzierung der Sender sicherstellen.
Die Einnahmen dürften mit der neuen Abgabe steigen. Da ist man versucht, auf ein besseres öffentlich-rechtliches Programm zu hoffen – zumal doch Geld bei der GEZ einzusparen sein müsste. Schließlich sind die Kölner unterausgelastet, wenn sie nicht mehr hinter jedem Fernseher oder Autoradio hinterherforschen müssen, sondern nur noch das Melderegister durchzugehen brauchen.
GEZ wird nur umbenannt, aber sie bleibt
Doch die GEZ ist wandlungsfähig. So leicht werden die Gebührenzahler sie nicht los. "ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice" nennen sich die Kölner vom 1. Januar an, und der Vorsitzende des GEZ-Verwaltungsrates, Hans Färber vom WDR, spricht von einer "Chance für das öffentlich-rechtliche Modell – weg von der Kontrolle hin zu mehr Transparenz und Service für die Bürgerinnen und Bürger".
GEZ forscht künftig noch genauer nach
Konkret heißt das: Künftig sollen die Kölner genau nachforschen, wer mit wem wo wohnt, welche Haushalte wie zahlen müssen, ob Wohngemeinschaften tatsächlich Wohngemeinschaften sind. Dafür können sie künftig sogar den "individuellen Lebenssachverhalt" erfragen.
Ein Eberhard Liliensiek muss dann wohl genau darlegen, weswegen er sein Büro auflöst – einer Krankheit wegen? Ist eine Scheidung schuld?
Datenschützer sind entsetzt
Die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern sind entsetzt, sie fürchten eine Ausweitung der Praktiken der GEZ. "Die bestehenden Befugnisse bei der Geldeintreibung werden beibehalten und teilweise sogar noch erweitert", bemängeln sie in einer Stellungnahme.
Die GEZ stockt sogar auf und stellt für den Zeitraum der Umstellung befristet bis 2015 rund 400 neue Mitarbeiter ein. Sogar für den Personalaufbau wird Personal aufgebaut. Aktuell sucht die GEZ per Stellenausschreibung "eine/n Produktionsplaner/in".
GEZ könnte ganz aufgelöst werden
Diese Person soll die "strategische und mittelfristige Planung des Personaleinsatzes" übernehmen sowie die "kontinuierliche Sicherstellung der Kapazitätsauslastung des gesamten Produktionsprozesses der GEZ" garantieren. Dazu sollen "umfangreiche Statistiken" erstellt werden.
Für den Düsseldorfer Volkswirt Justus Haucap wirkt das allzu sehr wie Beschäftigungstherapie. Haucap, ein Mitglied und früherer Vorsitzender der Monopolkommission, sieht klares Einsparpotenzial: 163 Millionen Euro Verwaltungskosten gab die GEZ 2011 aus, mit den Neueinstellungen dürfte der Aufwand steigen. "Die Aufgabe der GEZ könnten auch die Finanzämter übernehmen", sagt Haucap, "das klappt bei der Kirchensteuer schließlich auch gut."
Gestalterischer Auftrag für die Politik
Haucap kritisiert die mangelnde Kontrolle der Medienpolitiker, er fürchtet in dem wachsenden Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender einen fatalen Automatismus: "Ich sehe es als problematisch, dass die Öffentlich-Rechtlichen ihr Angebot - etwa im Netz, mobil oder in Spartenkanälen, immer weiter ausdehnen. So erhöhen sie mit wachsenden Kosten auch den Druck zur Finanzierung. Die Kontrollmechanismen funktionieren nicht richtig, einzelne Politiker stellen sich nur ungern gegen die Sender. Auch der GEZ kommt das natürlich entgegen."
Institutionen neigen zu unkontrolliertem Wachstum
In dem nun auch noch größer werdenden Verwaltungsapparat sieht Haucap ein perfektes Beispiel für die ökonomische Theorie der Bürokratie, die besagt, dass staatliche Institutionen zum Selbstzweck werden und zu unkontrolliertem Wachstum neigen. "Hier sehe ich eine gestalterische Aufgabe der Politik."
Auf die darf der Bürger aber nicht hoffen. Helfen werden, wenn überhaupt, wohl nur die Gerichte. Den Aufstand gegen die neue Haushaltsabgabe wagt nun als erster Ermano Geuer, ein Mitarbeiter am Lehrstuhl für öffentliches Recht der Universität Passau.
Klage gegen neue Haushaltsabgabe in Vorbereitung
Der Jurist hinterfragt mit seiner Klage vor dem bayerischen Verfassungsgerichtshof die Gleichbehandlung von unterschiedlichen Haushalten bei der neuen Abgabe: "Es ist meiner Ansicht nach nicht rechtens, dass ein Beitrag im privaten Bereich nun unabhängig von der tatsächlichen Nutzung kassiert werden soll."
Anfang der Woche urteilte das Bundesverfassungsgericht letztmalig positiv über das bisherige, bald auslaufende Gebührenmodell: Die Zahlungspflicht sei nicht unverhältnismäßig, so die Richter, weil sie der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diene und eine "drohende Flucht aus der Rundfunkgebühr" verhindere.
Gutachten zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Gebühr
Das Urteil kann Ermano Geuer nicht beirren: "Es ist schönes Wunschdenken der Öffentlich-Rechtlichen, dass die Richter sich damit auch zum kommenden Streit geäußert haben." Geuer könnte recht behalten, diverse Gutachten jedenfalls zweifeln bereits jetzt an der neuen Gebühr.
Eine Expertise des Bonner Staatsrechtsprofessors Christian Waldhoff im Auftrag des Thüringer Landtags etwa warnt ausdrücklich davor, dass die Neuregelung den Beitrag in die Nähe einer Steuer rückt. Das nämlich wäre verfassungswidrig.